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Wie viel meine Daten wirklich wert sind

Illustration: Katharina Bitzl

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Die Post verkauft meine Adresse, Facebook meine Likes. Mein Smartphone weiß, wo ich wann gerne bin und dank Bonus-Punkten weiß die Bahn auch, wohin ich gerne reise. Fast überall hinterlasse ich eine Datenspur.

Eine Spur, die viele scheinbar so interessant finden, dass sie dafür Geld bezahlen. Auch deshalb sind Google, Amazon, Facebook und Co. mehrere Milliarden Dollar wert. Aber deshalb können wir eben auch Google, Amazon, Facebook und Co. kostenlos nutzen. Kostenlose Dienstleistung gegen private Daten. Ob das ein fairer Tausch ist?

Nein“, findet Max Schrems. Datenschützer aus Österreich und bekannt als der Jurastudent, der Facebook verklagt hat“.Facebook ist nicht mehr als eine Plattform mit blauem Banner und einer weißen Seite drunter. Alle Inhalte produzieren wir selbst.“ Laut Max ist der Deal also nicht meine Daten gegen die kostenlose Nutzung, sondern unser Inhalt gegen unseren Inhalt plus Werbung. Und unsere Daten kriegt Facebook halt noch dazu. Ein schlechter Deal also, für mich zumindest.

Der Journalist Andrew Lewis hat das ein bisschen anders formuliert: „If you are not paying for it, you are not the customer; you are the product being sold“. Also: „Wenn du nicht bezahlst, bist du nicht Kunde – du bist das Produkt, das verkauft wird.“

Wie viel aber bin ich, das „Google-Facebook-Amazon-Produkt“, überhaupt wert? Ich will versuchen, das auszurechnen.

Sicher ist der Wert von Daten keinesfalls universell oder kann wie Geld getauscht werden – manche Daten sind viel, manche wenig wert. Einzelne Daten sind meist uninteressant, viele Daten hingegen höchst spannend. „Das ist die Schwierigkeit bei Daten. Es hängt immer von Zweck und Zusammenhang ab,“ erklärt Max. Sicher ist: „Umso höher deine Kaufkraft, umso mehr bist du für die Unternehmen wert. Du lebst in Europa und bist Studentin, das ist schon mal nicht schlecht.“

22,60 Dollar waren meine Facebook-Daten letztes Jahr wert

Seit ungefähr zehn Jahren bin ich auf Facebook, habe zwar nie genaue Angaben über meine Interessen oder meinen Wohnort gemacht, aber eben doch immer wieder Seiten geliked oder bei Veranstaltungen auf „teilnehmen“ geklickt. Facebook weiß also ziemlich sicher, was mich interessiert. Und weil es auch weiß, über welche Server ich mich angemeldet habe und auf welchen Seiten ich sonst noch so unterwegs war, weiß Facebook sicher auch, wo ich wohne. Kein Wunder also, dass in meinem Feed oft ziemlich genau die Dinge auftauchen, die mich gerade interessieren. Neue Sneaker oder die günstigsten Flüge von München nach Portugal.

Für meine Rechnung betrachte ich meine Daten als Teil des Unternehmenskapitals von Facebook. 48,19 Milliarden Dollar hat das Soziale Netzwerk 2017 erwirtschaftet. Ich war eine von 2,13 Milliarden aktiven Nutzerinnen und Nutzern. Unternehmenskapital geteilt durch Nutzer macht rund 22,6 Dollar.  22,6 Dollar also waren meine Facebook-Daten letztes Jahr wert.

Ob meine einfache Rechnung aufgeht? Ich frage nach bei „it’s my data“. Ein Münchner Start-up, das Alexander Sieverts und Michael Giese im August 2018 gegründet haben. „20 Dollar könnten hinkommen“, sagt Geschäftsführer Alexander Sieverts. „Jetzt nehmen Sie aber mal nur Instagram, Whatsapp, Twitter, Youtube, Netflix, die Bewegungsdaten ihres Smartphones, ihren Energieverbrauch und ihre Telefondaten dazu. Insgesamt sind ihre Daten dann ganz schnell sehr viel mehr wert.“ Rechnete man den Wert all dieser Daten zusammen, ergebe das einen mittleren drei- bis vierstelligen Betrag, schätzt Sieverts.

 

Meine Daten zu Geld machen hört sich schön an, ist aber in der Praxis nicht durchführbar

Und er muss es wissen. Mit Giese hat er den Verkauf von Daten zu seinem Geschäft gemacht. „Es kann doch nicht sein, dass unsere Daten so viel wert sind und die Bürger und die Bürger keine Gegenleistung erhalten“, sagt Sieverts. So will „it’s my data“ das ändern:

Die DSGVO gibt jedem das Recht abzufragen, was Unternehmen über sie gespeichert haben. Nutzer von „it’s my data“ können diese Datensätze auf ihrem „persönlichen Datenkonto“ zusammenführen und dann entscheiden, welche Daten sie an wen für wie viel Geld verkaufen möchten.

Klingt einfach, funktioniert aber nur, wenn ich meine Daten exklusiv besitze und sie an eines der Partnerunternehmen von „it’s my data“ verkaufe – Unternehmen, die lieber von mir direkt als von den „bösen großen Netzwerken“ meine Daten kaufen. Laut Sieverts wird es von solchen Unternehmen in Zukunft immer mehr geben, weil Regelungen wie die DSGVO es Datenhändlern erschweren, weiterhin so viele Informationen über uns zu sammeln und zu verkaufen. „Es muss sich doch irgendwann umdrehen. Dass der User entscheidet, wer darf mich eigentlich mit was ansprechen und nicht, dass irgendwelche Unternehmen entscheiden, was mir vielleicht gefallen könnte“, meint Sieverts.

Seine Daten zu verkaufen, davon hält Max nichts. Er glaubt auch nicht, dass es überhaupt funktioniert. Eine Plattform wie „it’s my data“ bräuchte die Daten von sehr vielen Menschen, damit das Angebot für Unternehmen überhaupt interessant wäre. „Meine Daten zu Geld machen hört sich schön an, ist aber in der Praxis nicht durchführbar“, sagt Max. Seine Meinung: Die eigenen Daten richtig schützen – vor jeglichem Verkauf. „Die Frage ist doch: Bin ich Eigentümer meiner Daten? Eigentumsfreiheit heißt ja auch, dass ich meine Sachen in die Isar schmeißen kann und sie weg sind. Wenn ich meine Daten aber verkaufe, weiß ich nie, wohin die noch gehen.“

Ich habe also die Wahl zwischen 20 Euro mehr im Jahr – zumindest für meine Facebook-Daten – oder kann versuchen, dass meine Daten tatsächlich nur mir gehören. Das will ich zukünftig probieren. Ist zwar ganz nett, wenn mir angezeigt wird, dass es genau jetzt Flüge für nur 49 Euro nach Lissabon gibt. Lieber wäre es mir aber, wenn die Online-Werbeflächen einfach leer blieben. Ich möchte nicht, dass irgendwelche Unternehmen meine Daten haben und deshalb wissen, was mich interessiert oder mich vielleicht in ein paar Wochen interessieren könnte. Dann versuche ich doch lieber meine Daten zu schützen. So gut das eben geht. Bei Facebook bleibt mir dann nur die Möglichkeit, die Geschäftsbedingungen, also den Datenverkauf, zu akzeptieren. Oder meinen Account zu löschen.

* Constanze Kainz ist Schülerin der Deutschen Journalistenschule. Dieser Text ist entstanden im Rahmen des Zündfunk-Netzkongresses, dem Digital Kongress vom Bayerischen Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung.

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