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Die Facebook-AGB gibt es jetzt als Musical

Foto: Rasmus Rienecker

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Mehr als zwei Milliarden Menschen haben sie per Klick akzeptiert, die allerwenigstens haben sie tatsächlich gelesen: die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook. Seit vergangenem Donnerstag gibt es gibt es sie – gepaart mit einer herzzerreißenden Liebesgeschichte – als Musical.  Wir haben Peer Gahmert, einen der Macher, gefragt, wie man aus diesem langweiligen Endlostext ein Musical macht und warum er sich das überhaupt angetan hat.

jetzt: Herr Gahmert, warum haben Sie nicht aus einem besseren Text ein Musical gemacht?

Peer Gahmert: Also erstens: Ja, die Facebook-AGB sind unfassbar langweilig, spröde, trocken und schwer zu kapieren. Sicherlich gibt es leichteres, wie Aladdin oder Katzen. Allerdings gibt es kaum einen Stoff, der unser aller Leben mehr beeinflusst und beeinträchtigt als die Nutzungsbedingungen großer Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon. Aber kein Mensch hat diese jemals gelesen. Tim Gerhards und ich waren der Meinung, dass sie in die Mitte einer breiten Öffentlichkeit gehören.  

Und wieso gerade ein Musical und kein Theaterstück?

Wir wollen die Leute ja nicht langweilen. Die Nutzungsbedingungen an sich sind ja schon unfassbar langweilig und als Unterhaltungsformat scheint das Musical der breiten Masse zu gefallen. Jeder mag sehr gute Musik und eine Liebesgeschichte muss es natürlich auch sein. Also haben wir die AGB von Facebook in eine herzzerreißende Liebesgeschichte gepackt, inklusive Datenrichtlinie und Cookie-Richtlinie, mit schmissigen Songs und viel Originaltext aus den Nutzungsbedingungen versehen. Ein Format, das wir zuvor noch nie gemacht haben – alleine das war spannend genug.

Wie vertont man das juristische Kleinklein aus den AGB?

Da hatten wir zum Glück sehr kompetente Hilfe: Philipp Feldhusen hat gewisse Teile der AGB in sich reimende Songs übersetzt und ein anderer Kollege, Dan Eckert, hat diese Songs in möglichst "musicalnahe" Musik verpackt.

Also eine romantisch-dramatische Musikauswahl?

Tatsächlich ist es ziemlich divers geworden. Neben einem Hip-Hop Song, in dem die Grundsätze von Facebook gerappt werden, haben wir auch Songs, die ein wenig an eine Sechzigerjahre-Musikrevue erinnern. Insgesamt klingt das alles sehr nach dem, was man sich unter einem Musical vorstellt.

Was genau ist die Handlung Ihrer Liebesgeschichte?

Eine junge Frau schreibt ein epochales Werk, von dem sie denkt, sie habe ein neues Genre erschaffen und dass in Zukunft alle Menschen so etwas lesen werden. Dieses Werk nennt sie die „allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook inklusive Datenrichtlinie und Cookie-Richtlinie”. Zu ihrer großen Überraschung findet sie aber keinen Verlag, der das Stück veröffentlichen will, weil es unlesbar sei und niemanden interessiere. Nach diversen Absagen driftet sie gesellschaftlich ein wenig ab: Alkohol, Drogen und ein Leben auf der Straße.

Parallel dazu gibt es einen jungen Informatiker, der ein neues innovatives Netzwerk aufgebaut hat. Alles, was ihm dazu noch fehlt, ist ein toller Name und ein hoch komplexes, juristisches Beiwerk – als eine Art Bedienungsanleitung. Zufällig fallen ihm dann die „allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook inklusive Datenrichtlinie und Cookie-Richtlinie” in die Hände. Das ist unsere Liebesgeschichte, denn ob die beiden sich finden – wer weiß.

 

Ich habe aber schon gelesen, dass es ein Happy End gibt!

Es gibt auf jeden Fall ein Happy End, denn auch das gehört zu einem Musical dazu.

 

Was soll uns die Handlung sagen?

Die Handlung des Stückes erzählt uns ehrlich gesagt zunächst einmal gar nichts. Es ist eine Umrahmung der Nutzungsbedingungen, die parallel zu dieser Geschichte immer wieder gesungen werden. Wir brauchten lediglich eine musical-mäßige Story drumherum. Die Leute gehen beschwingt aus dem Stück heraus und haben trotzdem so einiges mitbekommen von den AGB, den sie zugestimmt haben, als sie ein Facebook-Konto eröffnet haben.

 

Also leisten Sie Aufklärungsarbeit?

Ja, es ist schon ein wenig Aufklärungsarbeit, aber an keiner Stelle kommt ein erhobener Zeigefinger.

 

Sie sprechen von den Facebook-AGB als einer der „sagenumwobensten und geheimnisvollsten Texte unsere Zeit” und von einem „mystischen Machwerk”. Was meinen Sie mit mystisch?

Mehreres eigentlich, denn jeder, der sich bei Facebook registriert hat, hat auf ein Häkchen geklickt, auf dem stand: Ich habe die Datenschutzrichtlinie, Nutzungsbedingungen und die Cookie-Richtlinie von Facebook zu Kenntnis genommen. Das stimmt natürlich nicht. Die allermeisten Menschen lügen an dieser Stelle und klicken das einfach an. Sie haben keinen Schimmer, was drin steht. Trotzdem sind die Richtlinien von Facebook bruchstückhaft  immer wieder Thema in den verschiedensten Medien. Es gibt auch viele Missverständnisse, dass man zum Beispiel auf seiner Timeline mit einem kurzen Satz den Änderungen an den AGB widersprechen könnte. Das stimmt natürlich alles nicht. Das ist mit mystisch gemeint. Viele Menschen reden darüber, viele wissen, dass es das gibt, man hat es aber nie gelesen und man glaubt dennoch einen Überblick zu haben.

 

Haben Sie einen Facebook-Account? Und die AGB gelesen?

Ich habe natürlich die AGB gelesen, allerdings lange nachdem ich ein Konto erstellt habe. Also ja, ich bin bei Facebook, ich habe ein Konto, ich nutze meinen Account aber nur sehr sporadisch. Notgedrungen habe ich mir, als wir uns mit dem Thema beschäftigten, die AGB komplett durchgelesen. Das ist schon sehr ausschweifend, hoch komplex und nicht zu verstehen. Ich kann es eigentlich niemandem empfehlen, sie zu lesen.

Aber Sie wissen jetzt immer noch nicht so richtig, was mit Ihren Daten eigentlich passiert, obwohl sie die AGB gelesen haben?

Das ist der große Nachteil an diesen Nutzungsbedingungen. Facebook nimmt sich sehr viele Rechte heraus. Es steht an keiner Stelle, für was konkret sie meine Daten verwenden – es ist immer nur von ominösen Dritten die Rede, an die meine Daten weitergegeben werden. Natürlich wird erwähnt, dass sie für Werbezwecke genutzt werden, aber was  genau das bedeutet – das steht an keiner Stelle und ist auch nicht zu ergründen. Also selbst wenn man die Nutzungsbedingungen gelesen hat, ist man im Grunde genommen genauso dumm wie vorher.

 

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