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Hacker-Angriff auf Tarik Tesfu
Tarik Tesfu ist Youtuber und Netzaktivist. Er arbeitet unter anderem als Moderator bei „Jäger und Sammler“, einem Format des öffentlich-rechtlichen Online-Jugendprogramms „Funk“. Bei seiner Arbeit widmet er sich vor allem den Themen Gender und Rassismus. Themen, die ihn auch selbst betreffen. Tarik ist schwarz und schwul.
Dass oder zumindest wie er Diskriminierung anspricht, macht viele Deutsche offenbar sehr wütend. Tatsächlich wirkt es, als habe er mehr Feinde als Freunde im Netz. In den Kommentaren unter seinen Videos wird er beschimpft, die Forderung „Lösch dich endlich!“ wiederholt sich immer wieder.
Nachdem sich Tarik in einem Youtube-Video vor etwa sechs Wochen direkt an seine Hater gewendet hatte, haben die sich offenbar selbst darum gekümmert, dass Tariks Netzidentität verschwindet: Mit einem Hackerangriff wurden über Nacht sämtliche seiner E-Mail-Konten gekapert, seine Twitter- und Instagram-Accounts übernommen, seine Facebookseite und sein Youtube-Kanal gelöscht. Die Hacker veröffentlichten über seine Accounts unter anderem die Telefonnummer einer Bekannten von ihm und twitterten die Vorderseite seines Personalausweises. Einige Tage später stellten sie auch viele private Dokumente ins Netz: Rechnungen, Tickets, sogar seine Lohnsteuererklärung inklusive Sozialversicherungsnummer und seiner derzeitigen Adresse. Wie es Tarik mit dem Angriff auf ihn geht und warum er nicht klein beigeben wird, hat er uns am Telefon erzählt.
jetzt: Tarik, wie erklärst du dir den Hass auf dich?
Tarik Tesfu: Ich habe mit einem Video zum Thema Racial Profiling für Jäger und Sammler viele Leute verärgert, indem ich mich darin an weiße Rassisten gerichtet habe. Daraus wurde geschlossen, dass ich ganz allgemein weiße Menschen hassen würde. Dann ging’s los: „Wie kann sich denn der Spinner über uns Weiße aufregen und dann von uns finanziert werden?“ Über die „Zwangsgebühren“, wie es immer so schön heißt. Das Übelste daran ist ja, dass sich Menschen davon angesprochen gefühlt haben, die ich nicht gemeint habe. Seitdem wird von mir behauptet, ich sei der eigentliche Rassist.
Durch den Hacker-Angriff hast du zwischenzeitlich auch deinen Youtube-Kanal verloren. Darauf basiert ja quasi deine ganze Karriere.
Das war besonders krass. Die Hacker haben erst einzelne Videos, dann den ganzen Kanal gelöscht. Damit sind drei Jahre Arbeit verschwunden. Es gibt dieses Hater-Mantra: „Lösch dich, lösch dich, lösch dich“, was die unter jedes Video kotzen. Das ist in diesem Moment so real geworden. Da bin ich tatsächlich kurz zu dem Gedanken gekommen, ob es das überhaupt alles wert ist. Ob ich wirklich noch mal von null anfangen wollen würde. Zum Glück hat Youtube meinen Kanal aber wiederherstellen können und alles ist noch so, wie es vorher war. Nur das Passwort ist jetzt doppelt und dreifach sicher. Mit dem Youtube-Kanal und schließlich auch der Facebookseite kam dann meine Motivation zurück. Da dachte ich mir: „Jetzt erst recht!“
Viele Youtuber kommentieren den Hack auf dich in Videos. Es gibt sogar ganze Diskussionsrunden, ob das okay war oder nicht. Was sagst du dazu?
Diese Diskussionen konnte ich gar nicht so sehr mitverfolgen. Ich war schließlich offline, musste Schadensbegrenzung betreiben und natürlich arbeiten. Ein paar Videos habe ich mir aber schon angeguckt – und war überrascht, dass auch Leute, die meine Arbeit kritisieren, sich teils auf meine Seite geschlagen haben. Besonders nachdem das Bild von meinem Personalausweis auf Twitter geteilt wurde, war die Reaktion schon eher: „Tarik ist zwar ein Hurensohn, aber das geht zu weit.“ Nach der ersten Solidarisierungswelle hat sich das Ganze dann aber auch wieder gelegt. Inzwischen geht schon wieder die Story rum, ich hätte den Hack selbst inszeniert.
Was Quatsch ist?
Was totaler Quatsch ist. Mir wird immer wieder unterstellt, ich wolle mich in meiner Opferrolle suhlen. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Darüber hinaus wird übrigens auch Funk vorgeworfen, für den Hack verantwortlich zu sein. Da frag ich mich wirklich: Was geht bei einigen Leuten ab? Klar, man kann Funk gut oder schlecht finden. Aber die sind immer noch von den Öffentlich-Rechtlichen. Da sitzen doch keine Äffchen, die sich denken: „Wow, heute machen wir mal richtig Halli Galli und löschen Tariks Netzidentität.“
Wie gehst du mit solchen Vorwürfen um?
Die Frage stelle ich mir selbst noch. Eigentlich müsste ich langsam mal ein Statement auf Youtube dazu abgeben. Aber einerseits möchte ich den Hackern diesen Stellenwert nicht geben, dass ich extra ein Video über sie mache. Und andererseits haben meine Videos ja einen gewissen Stil. Und gerade möchte ich mich in diesem Stil nicht zum Hack äußern, weil mir das Ganze dafür noch zu früh und auch ein bisschen zu heiß ist.
Hast du denn Angst?
So richtig Angst habe ich nicht vor diesen Menschen. Aber vor allem in den Tagen nach dem Hack kam ich schon ins Grübeln: Was kommt jetzt danach? Was passiert, wenn ich als nächstes ein Video hochlade, das diesen Leuten nicht gefällt? Davon kann ich schließlich ausgehen. Posten sie dann doch die Rückseite von meinem Personalausweis? Als sie dann tatsächlich alle möglichen Dokumente – auf denen unter anderem auch meine Adresse zu sehen war – veröffentlicht haben, war ich im ersten Moment panisch und schockiert. Da wurde mir dieser vollständige Kontrollverlust überhaupt erst bewusst. Inzwischen bin ich aber an dem Punkt, an dem ich mir denke: Hey, es gibt Schlimmeres als meine Lohnsteuererklärung im Netz. Im Grunde beweist sie ja nur, dass ich mir eben keine goldene Nase über die „Zwangsgebühren“ verdiene.
Was ärgert dich am meisten an der ganzen Geschichte?
Ganz ehrlich? Ich glaube, vielmehr als diese Hacker regt mich auf, dass Unternehmen wie diese Plattform für Dokumente, Twitter oder Instagram ihre User nicht ausreichend schützen. Es ist unfassbar schwierig, seine Accounts wiederzubekommen, wenn man Opfer eines solchen Angriffs geworden ist. Die Dokumente wurden zwar gelöscht, tauchten aber kurze Zeit später wieder auf. Meinen Twitter- und Instagram-Account habe ich auch noch nicht wieder. Nur Facebook und Youtube – zum Glück die beiden wichtigsten Plattformen für mich – konnte ich zurückgewinnen. Weil aber auch meine Mail-Konten gekapert worden sind, hätte ich das als Privatperson wahrscheinlich gar nicht erreicht. Das ging nur mit der Hilfe von Funk.
Die Hacker haben immer noch die Kontrolle über große Teile deiner Netzidentität. Inzwischen wirst du sogar direkt von unbekannten Absendern kontaktiert. Wie gehst du damit um?
Nachdem ich ein paar Nachrichten von unterschiedlichen Prepaid-Nummern auf mein Handy bekommen habe, bin ich mit all dem noch mal zur Polizei gegangen. Die Anzeige gegen Unbekannt hatte ich natürlich schon am Anfang erstattet. Aber nachdem mich nun auch bescheuerte Fotos erreichen, auf denen mit Lego-Figuren Szenen der Sklaverei in den USA nachgestellt werden, möchte ich die Verantwortung in gewisser Hinsicht abgeben. Das wird mir nicht nur zu heiß, sondern auch zu blöd.
Hast du eigentlich vorher nie übers Aufhören nachgedacht? Wenn dir jeden Tag hundertfach gesagt wird: „Lösch dich!“?
Diese ganzen ekligen Kommentare waren und sind natürlich auch schwer auszuhalten. Da grübelt man hin und wieder, ob man nicht aufhören sollte, ob man gewisse Dinge nicht mehr so sagen oder gewisse Themen nicht mehr behandeln sollte. Denn offensichtlich kann das ja dazu führen, dass einige Leute dann solche Dinge mit einem machen. Aber inzwischen stehe ich da drüber. Keiner von diesen Menschen weiß, wer ich bin. Die bauen sich ein Bild von einem Menschen auf, der gar nicht existiert. Alles, was die über mich schreiben, beziehe ich deshalb nicht mehr auf mich. Einfach, weil es nicht um mich geht. Aber meine Videos zu löschen, meine Mailaccounts zu durchstöbern, das geht jetzt gegen mich als privaten Menschen und hat eine ganz andere Dynamik. Das ist krass. Das ist übel.
Wie geht es für dich weiter?
Ich werde weiterhin versuchen, meine Accounts zurückzubekommen. Aber in erster Linie konzentriere ich mich jetzt darauf, meine Arbeit zu machen. Denn bei meiner Netzaktivität geht es mir ja darum, mich gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie einzusetzen. Und ob das nun anderen passt oder nicht, ist mir inzwischen egal. Wenn es ihnen nicht gefällt, sollen sie halt nicht hinschauen. Ich jedenfalls werde weiter all das sagen, was ich vor dem Hack auch gesagt hätte.