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Das Jahrzehnt geht zu Ende – was hast du erreicht?

Illustration: jetzt

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Die Zahl zehn ist toll. Zehn Finger, zehn Zehen, zehn Gebote, Dezimalsystem – toll, toll, toll. Dementsprechend sind wir auch immer total aus dem Häuschen, wenn irgendein Zehner-Ereignis ansteht, wie ja demnächst das Ende des Jahrzehnts. Und wegen dieses Zehner-Ordnungszwangs entwickeln viele auch ein gewisses buchhalterisches Bedürfnis, irgendwie Bilanz zu ziehen, abzuschließen und dem Jahrzehnt rückblickend Bedeutung zu geben.

Dementsprechend startete ein Twitter-User (@stfutony, mittlerweile aus unbekannten Gründen gelöscht) den Trend, seine persönlichen Highlights der 10er-Jahre aufzulisten. Er hatte dazu auf Englisch geschrieben: „Es ist nur noch ein Monat bis zum Ende des Jahrzehnts. Was hast du erreicht?“

Genau auf diese Frage scheinen viele User gewartet zu haben und posteten  ihre accomplishments in Listen, die sich oft lesen wie Sponsored Posts eines Verlags für Motivationsratgeber. Da hagelt es adoptierte Hunde, erkletterte Berge, abgeschlossene Doktortitel, überstandene Krisen, Selbstverwirklichungen sowieso und massenhaft „baby girl“s, „baby boy“s und „love of my life“s:

Und ja, zuerst war da der Impuls, das alles zu verlachen als eine kitschige Manifestation eines Online-Egozentrismus, der jedem Einzelnen das Gefühl gibt, besonders zu sein. Held*in der eigenen Timeline-Saga. Eine klebrige Logik der Likes, die pseudobescheidene Selbstdarstellung  belohnt und uns dabei vergessen lässt, um was es hier eigentlich geht: Den verzweifelten Versuch, seinem Leben einen Sinn zu geben, statt es anzuerkennen als eine bedeutungslose Aneinanderreihung verblassender Erinnerungen.

Ist dann aber doch ein bisschen düster für die Vorweihnachtszeit. 

Und schließlich sind da auch viele tatsächlich sehr berührende Schicksale unter den Posts:

Nach langwierigem, zaghaften Durchdringen einer zähen Schutzschicht aus Zynismus, kam deshalb schließlich die Erkenntnis, dass es eigentlich ganz gesund sein kann, sich mit seinen Erfolgen auseinanderzusetzen. Auch und gerade wenn sie weit hinter dem zurückgeblieben sind, was man sich als kleines Kind so für das eigene Leben ausgemalt hat. Sicher, es kostet einige Überwindung, sich selbst ernsthaft zu fragen, auf was man stolz ist. Aber vielleicht ist diese Selbstüberwindung, diese schonungslose Bilanz des Erreichten genau das, was man braucht, um die 10er-Jahre loslassen zu können und mit offenen Armen in die 20er zu laufen.

Deshalb hier die bescheidene Liste der Accomplishments von jetzt in den 10er-Jahren:

-made some incredibly good journalism

-ended a complicated relationship with the printed version of myself

-found fulfillment online

-survived the big Kackwasserflut im Herrenklo of ‘17

-finally took the smelly Pfand-bottles in the Redaktion to the Pfandautomat

-learned to love myself again after a painful attack by the Titanic Satiremagazin

-became a more complete news page

kmh

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