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Vorwärts, Fraureich!
Meine Beziehung zum Frauenfußball war bisher von geringer Intensität. Ich weiß selbst nicht, woran das lag. Ich liebe Fußball, ich liebe Frauen (nicht alle, aber die Grundidee dahinter), doch im Praxispaket konnte mich diese auf dem Papier verheißungsvolle Kombination nicht überzeugen. Nein, anders: Sie konnte gar nicht mein Interesse wecken. Spielten die Frauen im Fernsehen – es war mir irgendwie egal, irgendwo lief auf einem leicht zu erreichenden Nachbarkanal gewiss ein alter Columbo (Peter Falk forever!) oder diese Sendung, in der ein Zug durch Deutschland fährt. Spielten die Frauen in einem Stadion meiner Nähe – ich fuhr nicht hin, weil die Frauenspiele oft am frühen Sonntagvormittag sind und also ein Besuch auf mich so attraktiv erschien wie eine Stunde Zweikampftraining mit Gennaro Gattuso. Kurzum: Obwohl ich nie etwas gegen Frauenfußball hatte, im Gegenteil, hatte ich doch nie Zeit für ihn, irgendwie auch keinen Nerv. Bis jetzt. Bis gestern Abend. Bis zu meinem ersten Frauenfußballspiel. Bis Frankreich.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Mit Durchschlagskraft und Bananarama-Frisur: Wendie Renard, Frankreichs Nummer 2.
Mich begeisterten die Verliererinnen. Frankreichs Frauen. Frankreich. Fraureich. La Grande Nation. La, wohlgemerkt, nicht Le. In kaum einem anderen Land gibt es ja so viele starke, mutige, interessante Frauen. Jeanne d’Arc. Simone de Beauvoir. Marie Curie. Edith Piaf. Brigitte Bardot. Selbst die deutsche Jeanne d’Arc der Frauenrechte trägt in Alice quasi das Baguette im Namen, obwohl sie aus Wuppertal-Elberfeld kommt. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Beispielsweise um Christine Lagarde, der neuen Chefin des IWF, elegant, mächtig, selbstbewusst. Fest steht seit langem und zurzeit im Besonderen: Frankreichs Frauen sind toll. Vor allem im Vergleich zu Frankreichs Männern.
Männer, die den IWF jetzt nicht mehr führen. Männer, die weiter fleißig Atomkraftwerke bauen. Männer, die einem beim Anschauen von TV-Dokus über de Gaulle und Mitterrand melancholisch werden lassen. Und Männer, die bei der vergangenen „Männer-WM“ mit ihrer ehrwürdigen Tricolore schlechteste Folklore betrieben. Die in der Vorrunde rausflogen. Die sich prügelten, die nur dank Handspiel-Gemeinheiten zur Männer-WM kamen, die bei der Männer-WM davor mit dem Kopf durch die Wand gingen, die sich zurzeit Rassismus- und Vergewaltigungsvorwürfen gegenübersehen.
Dagegen Frankreichs Frauen? Vorrunde locker überstanden. Viertelfinale easy erreicht. Fair, anständig, dank guter Leistung. Keine Schlägerei, keine Skandale. Nach dem Deutschland-Spiel äußerten sie Respekt für den Gegner, Freude über die Stimmung. Allen voran ihr Trainer: Bruno Bini – grandioser Name, großes Charisma, gewiss auch er ein französischer Mann, aber einer, den seine „Mädels“ (Bini) so umerzogen haben, dass er nach der Niederlage so entspannt wirkte wie Michael Bublé beim Open-Air-Konzert in lauschiger Sommernacht.
Überhaupt: Was heißt hier Niederlage? Die Französinnen umgehen durch ihr kluges 2:4-Resultat die Japanerinnen, die – wie mir in Foren von Frauenfußballexperten mitgeteilt wurde – wuselig sind wie Waldameisen und knallhart wie Karate Kid. Vor allem aber vermeiden Les Bleues die Stadt Wolfsburg. Dort muss Deutschland hin, zum Viertelfinale. Okay, Frankreich muss nach Leverkusen. Aber das schöne Köln ist da ja nicht weit weg.
Außerdem dürfen Les Bleues gegen England ran, und wer will nicht in der K.o.-Runde einer WM gegen England spielen, wenn es ins Elfmeterschießen geht, was es in K.o.-Runden gegen England ja immer tut? Und überhaupt, bei dieser WM muss Frankreich niemanden fürchten. Frankreichs Torfrau hat Schultern, die so breit sind wie ihr Tor; Ex-Model-Teammaskottchen Adriana Karembu lenkt mit ihren eifelturmhohen Beinen alle Aufmerksamkeit auf sich, so dass Binis Mädels ungestört für das Elferballern gegen England üben können. Vor allem aber hat Frankreich diese Verteidigerin. Diese Nummer 2. Wendie Renard.
Man kann sie gar nicht übersehen. Sie hat Haare, eine Haarpracht, nein: einen Haarpalast, hinter der selbst die nicht eben konventionelle Frisur des Gladbacher Verteidigers Dante verblasst. Mit ihren schwarzen, langen, großartigen Haaren, wie sie in diesem Stil allenfalls Sängerinnen der Band Bananarama in den Achtzigern zu tragen wagten, irritierte Renard die deutsche Leopardpanzer-Abwehr bei Ecken zweimal so sehr, dass ihre Kolleginnen problemlos zu Toren einköpfen konnten. Genial. Gegen England, der Heimat von Bananarama, ist Renard bestimmt wieder dabei. Ich auch. Samstag, 18 Uhr.
Text: florian-haas - Foto: dapd