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„Frau Ballack steht frei!“

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Warum kostet es mich so eine Überwindung, die Freizeitfußballer auf dem Rasen zu fragen, ob ich eine Runde mitkicken darf? Es könnte daran liegen, dass ich eigentlich gar kein Fußball spielen kann. Ich könnte mich blamieren. Oder noch schlimmer, ernsthaft verletzen. Aber hey, es ist doch bloß ein „Spiel“.  

Es ist 19 Uhr, bestes Wetter, auf einer Wiese im Südteil des Englischen Gartens. Ich gehe zum Torwart, frage ihn, ob ich vielleicht mitspielen darf. „Ich habe hier auch nur gefragt“, antwortet er. Ein paar der Spieler kennen sich untereinander, sind Hobbykicker oder Kollegen in einer Firma, die sich einmal in der Woche auf der Wiese verabreden. Zwölf Männer, ich und ein Ball.  

Einer, schätzungsweise Mitte 20 und mit rot-blondem Haar, ruft: „Alles klar, wenn Mädchen Mal freiwillig Fußball spielen, sagen wir nicht nein!“ Mit meinen Schienbeinschonern bin ich sogar besser ausgestattet als die anderen. Für diesen besonderen Anlass habe ich mir extra ein Outfit von meinen Mitbewohnern zusammengeliehen: Fußballschuhe, Stutzen, Schienbeinschoner, in denen ich richtige Fußballerwaden habe, eine etwas zu große Hose und ein Trikot.

Ich laufe sehr professionell auf das Spielfeld. Einer erklärt mir schnell, wer alles in meiner Mannschaft spielt. Dabei betont er zweimal auf welches Tor ich spielen muss. Nicht, dass da noch Missverständnisse entstehen. Nach ein paar Sekunden bekomme ich schon den Ball zu mir gepasst. Sagen wir es so, man hätte sich schlimmer anstellen können. „Wie heißt du eigentlich?“, fragt mich ein Teamkamerad. „Damit du nicht immer nur das Mädchen bist.“  

Hin und wieder werde ich von einem 2,10 Meter großen Typen umgerannt. Aber ohne Aggression, eher mit spielerischer Leidenschaft. Das Spiel läuft relativ ausgeglichen. Einer beschwert sich, dass sie immer gegen die Sonne spielen müssen. „Ihr habt das Mädchen“, argumentiert sein Gegner und lacht. Danach klopft er mir kumpelhaft auf die Schulter. Als wäre ich einer von ihnen.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wieder ein Pass zu mir, dieses Mal stolpere ich schon Richtung Tor und: Schuss! Die Richtung stimmt, leider hatte der Ball zu wenig Kraft. Der Torwart hat genügend Zeit, sich theatralisch in die Ecke zu werfen. Sofort erhalte ich überdurchschnittlich viel Lob von meiner Mannschaft.  

Abstoß. „Frau Ballack steht frei!“ ruft einer dem Torwart zu. Da denke ich noch, dass auf meinem Rücken ‚Ballack’ steht. In Wahrheit steht da aber eine 13. Seine Trikotnummer, wie ich nun auch weiß. Meine nächste Chance, leider wieder kein Tor. Dafür macht mein Kollege die Kugel rein. „Das sah gut aus“, motiviere ich ihn mit meiner Expertenanalyse. „Typisch Frau, Hauptsache es sieht gut aus“, meint er und gibt mir ein Highfive.  

Ich erinnere mich an meine Bedenken vom Anfang und daran, wie lächerlich ich mir in meinen Klamotten vorkam. Und auch an die ironischen Kommentare von meinen Freunden vor dem Experiment.  Nach 45 Minuten Spiel muss ich aber nur erhebliche Mängel in puncto Kondition und Ausdauer eingestehen. Ich schwitze.

Nach weiteren zehn Minuten leider immer noch ohne Volltreffer bin ich völlig außer Atem und verabschiede mich von meinen neuen Kumpels. Komme ich wieder? Mal sehen, das hängt von meinem Muskelkater ab. „Du warst gut, besser als manch anderer hier“, meint der rot-blonde Junge und wird dafür von den anderen geschubst.  

Unter Sportsfreunden läuft das so. Weil es tatsächlich einfach nur um den Spaß geht. Und den hatte ich heute wirklich.

Text: mira-kleine - Foto: Ulrike Schuster

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