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Eine Seite für Flaschen
Sommer in der Stadt, das heißt Abende im Park. Im Gras sitzen oder auf einer mitgebrachten Decke, kalte Getränke vom Kiosk, irgend jemand hat tragbare Boxen dabei, ein anderer vielleicht ein paar Kerzen. Die Stunden vergehen, man braucht selbst um Mitternacht noch keinen Pulli.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Zwischen diesen gut gelaunten Grüppchen auf den Wiesen gibt es aber ein paar Menschen, die nicht zum Vergnügen da sind. Sondern um sich ihr spärliches Gehalt oder ihr Arbeitslosengeld aufzubessern. Mit Plastiktüten oder Ikea-Taschen gehen sie herum und sammeln die Pfandflaschen der Parkbesucher ein. Manche haben etwas abseits Einkaufswägen mit zum Teil absurd hohen Aufbauten abgestellt, in denen sie ihre Beute sammeln, um sie später in bares Geld einzutauschen.
Diese Menschen bekommen jetzt Unterstützung von einem Berliner Studenten. Jonas Kakoschke will sozusagen ihren Geschäftsbereich ausweiten, von den Parks und Straßen auf die WGs und Büros der Stadt – eine Art Abholservice für Pfandflaschen also. Wenn sich zu Hause die leeren Pullen türmen, kann auf pfandgeben.de gehen und sie spenden. Man gibt seinen Stadtteil an und die Anzahl der Flaschen, die man abzugeben hat. Dann zeigt die Seite einem Telefonnummern von Pfandsammlern in der Umgebung an. Die holen sich die Flaschen ab und dürfen das Pfand behalten.
Die Idee beruht auf einer Beobachtung, die Jonas bei sich selbst gemacht hat: „Lange Zeit war es meine einzig gute Tat, dass ich unterwegs meine Pfandflaschen gut sichtbar auf die Straße gestellt habe, sodass einer der vielen Flaschensammler sie einsammeln kann.“
Das lässt sich ausweiten, dachte er sich, und zog durch Berlin, um Flaschensammler anzusprechen. Er fragte sie nach ihren Telefonnummern und stellte sie nach Bezirken geordnet auf die Webseite, die gleichzeitig das Semesterprojekt für sein Kommunikationsdesign-Studium ist.
Manche Sammler reagierten zuerst skeptisch, waren überrascht, plötzlich auf ihr Tun angesprochen zu werden. „Da war schon manchmal ein gewisses Schamgefühl zu spüren“, erzählt Jonas. „Manche wollten zuerst gar nicht darüber sprechen oder haben gesagt, dass sie das normalerweise nicht machen, sondern nur heute mal ein paar Flaschen einsammeln.“
Die meisten machten letzten Endes aber doch mit. So können Bewohner aus Prenzlauer Berg jetzt zum Beispiel Krümel und Joe anrufen, Kreuzberger können sich an Mia, Ismet, Chris, Sulis oder Matthias wenden. Der findet, Jonas Idee sei „eine super Sache“. Hauptsächlich geht er mit seinem Einkaufswagen zwischen Herrmannplatz und Kottbusser Tor auf Pfandflaschentour, oder sammelt bei großen Ereignissen wie dem Karneval der Kulturen. „Da könnte ich einen ganzen LKW vollmachen.“ Ihn freut aber nicht nur der Gewinn, den er durch Pfandgeben.de jetzt zusätzlich macht. Die Seite ist erst seit drei Tagen online, und er weiß ohnehin noch gar nicht, wie lukrativ dieses neue Geschäft überhaupt wird. „Das Gute daran ist, dass man mit den Leuten ins Gespräch kommt und damit einige Vorurteile abgebaut werden“, sagt Matthias.
Bei Jonas ist das schon geschehen. "Ich hatte auch manchmal Hemmungen, auf die Leute zuzugehen. Aber meistens haben wir uns dann ganz gut unterhalten. Ich glaube, das Projekt kann Kommunikation zwischen Leuten hervorrufen, die sich sonst eher meiden würden."
Momentan beschränkt sich das Angebot noch auf Berlin. Auf facebook haben sich aber schon Leute gemeldet, die in anderen Städten Pfandsammler nach ihren Telefonnummern fragen und sie an Jonas weitergeben wollen. Und die Sammler werden auch selbst aktiv: „Ich habe heute Anfragen aus München, Dresden und Hamburg bekommen“, sagt Jonas.
Und warum auch nicht? Das Problem mit den Flaschentürmen in der WG-Küche gibt es schließlich nicht nur in Berlin.
Text: christian-helten - Foto: Weigand / photocase.com