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„Die Kifferin“-Kolumne Teil 5: Der Umgang mit Geld
Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. In der letzten Folge schickten ihre Eltern sie zur Drogenberatung.
„Es ist ziemlich scheiße, wenn dein tägliches Leben von einer Substanz abhängt, die so viel Geld kostet wie Gras. Für ein Gramm zahle ich bei meinem Dealer zehn Euro, ich rauche ungefähr fünf Gramm in einer Woche, das macht 200 Euro im Monat. Für eine Studentin wie mich ist das relativ viel Geld, als ich noch Schülerin waren 200 Euro ein richtiges Vermögen.
Seit ich 13 war, trug ich Zeitungen aus, später arbeitete ich am Wochenende bei einem Bäcker. Da verdiente ich im Monat jeweils so um die 200 Euro. Bei 20 Gramm im Monat wurde das oft ziemlich knapp, ich rauchte dann viel bei Freunden mit. Es wurde aber immer heftiger mit dem Rauchen und wenn ich mal mehr für andere Dinge ausgab, zum Beispiel im Urlaub oder so, dann hatte ich am 20. des Monats oft kein Geld mehr. Und auch kein Gras.
Bald hatte ich keine Ahnung mehr, wie viel ich von meiner Mutter geklaut hatte
Meine Mutter bewahrte damals viel Bargeld bei uns zu Hause auf. Das war ihr Notgroschen, wie sie sagte, für schlechte Zeiten und so. Der Notgroschen meiner Mutter lag in einem weißen Briefumschlag in der Sockenschublade ihrer Kommode im Schlafzimmer. Als es mal wieder so fast Ende des Monats war und mir das Gras ausging, fragte ich im Freundeskreis herum. Niemand hatte was - und ich wollte meinen Dealer auch nicht um einem Vorschuss bitten. Ich sah keinen anderen Weg, als zur Kommode meiner Mutter zu gehen und einen Fuffi rauszunehmen. Damit kaufte ich mir mein Gras.
Sobald ich Anfang des neuen Monats mein Gehalt bekam, steckte ich den Betrag heimlich in den Umschlag zurück. Aber wenn man einmal anfängt, dann wird es schwierig, wieder aufzuhören. Da war zum Beispiel mal eine Party und ich hatte nicht mehr genug Geld, um für alles was zu Rauchen mitzubringen. Da bin ich wieder bei Mama ans Schränkchen, da lag ja genug. Ich wurde nie erwischt und deshalb immer unvorsichtiger. Ich musste eine richtige Liste über das Geld führen, das ich mir von meiner Mutter „borgte“.
Die Liste verlor ich irgendwann. Bis dahin war es so viel geworden, dass ich mir nicht mehr sicher war, wie viel ich wirklich aus dem Umschlag genommen hatte. Die Rechnung ging nicht mehr auf, ich nahm mehr, als ich zurückzahlte. Bald hatte ich keine Ahnung mehr, wie viel ich von meiner Mutter geklaut hatte. Es waren sicher einige 100 Euro. Irgendwann fiel ihr das natürlich auf. Sie erzählte beim Abendessen, dass ihr Geld fehle. Mein Vater stresste sie an und sagte, dass sie es bestimmt irgendwo verbummelt hatte. Ich habe bis heute nicht zugegeben, dass ich das war.
Ich kann jetzt, zum ersten Mal in meinem Leben, finanziell gesehen, sorgenfrei kiffen
Wenn man mich heute fragt, wie viel ich für Gras ausgebe, dann stresst mich das sehr. Ich will es eigentlich gar nicht wissen, da es für mich unwichtig ist. Ich rauche so viel, wie ich gerade glaube, rauchen zu müssen. Bei Gras spielt Geld für mich keine Rolle, ich überlege ja auch nicht, ob ich für diesen Monat nochmal was zu Essen kaufe oder nicht. Aber um mir das leisten zu können, muss ich arbeiten. Ich arbeite als Werkstudentin im Einzelhandel, da verdiene ich relativ gut. Trotzdem leidet natürlich mein Studium darunter, wenn ich jede Woche 20 Stunden im Laden stehe. Aber finanzielle Unabhängigkeit ist mir wichtiger: Ich kann jetzt, zum ersten Mal in meinem Leben, finanziell gesehen, sorgenfrei kiffen.
Ich schäme mich nicht dafür, dass ich so viel Geld für Gras ausgebe. Wenn ich 50 Euro beim Feiern rausknalle und zum Beispiel die Musik im Club kacke war, dann denke ich: Toll, davon hätte ich jetzt fünf Gramm Gras verrauchen können. An vielen Abenden gucke ich einfach nur Serien mit einer Freundin und kiffe – das sind für mich die besten Abende. Ich kann verstehen, dass viele Leute das für kein erfülltes Leben halten. Das sind aber meistens auch die Leute, die keine Erfahrungen mit Drogen gemacht haben. Ich will, dass mein Kopf abends zur Ruhe kommt und ich irgendwann einschlafen kann. Das klappt nur mit Gras und deshalb ist mir Gras auch wichtiger als ein Urlaub oder als mir jeden Monat neue Klamotten zu kaufen.
Für andere klingt das sicher so, als würde ich jeden Monat 200 Euro für nichts ausgeben. Aber für mich war das schon immer eine Investition in mein Wohlbefinden. Das ist ein Luxus, den ich mir leiste. Statt in die Berge zu fahren oder im Sommer ans Meer, habe ich halt einen chilligen Abend mit zwei Joints vor der Glotze."
Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.