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„Gras holt Gefühle hoch, die sonst nie an die Oberfläche kämen“

Foto: Anthony Tran / Unsplash / Bearbeitung: jetzt

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Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. 

„Manchmal frage ich mich, wer ich wäre, wenn ich nie in meinem Leben gekifft hätte. Wie würde ich denken? Wie liefe mein Studium? Wie sähen meine Freundschaften aus? Ich grüble einfach darüber, wie viel Einfluss Gras auf mein Leben hatte. Hat es mich dümmer gemacht? Habe ich deswegen ein so schlechtes Abi? Oder habe ich mein Abi im Gegenteil nur durch Gras geschafft? 

Ich habe Angst, die Realität irgendwann nicht mehr richtig wahrzunehmen, alles irgendwie falsch zu interpretieren. Vor allem was meinen Berufswunsch als Künstlerin angeht, mache ich mir Sorgen. Darüber, dass ich mir meine Werke nur schön kiffe. Dass meine Kunst niemand außer mir versteht. Vielleicht werde ich deshalb nie Künstlerin sein? Sondern nur ein kleines, bekifftes Mädchen, das irgendeinen Scheiß auf Papier kritzelt.

Wenn ich mir solche Gedanken mache, dann merke ich, dass mein Konsum mir auf die Psyche schlägt. Als ich noch daheim gewohnt habe, saß ich außerdem oft high in meinem Zimmer und war komplett paranoid. Ich fühlte mich ständig verfolgt. Das wurde jetzt nicht unbedingt durch die Substanz an sich ausgelöst, sondern einfach dadurch, dass ich fürchtete, meine Eltern könnten mich erwischen. Ich hatte Angstzustände, wann immer die reale Gefahr bestand, dass ich für das Kiffen bestraft werden könnte. Grundsätzlich halte ich mich aber für weitgehend stabil – und profitiere auch vom Kiffen: Es macht mich konzentrierter, ruhiger, glücklicher.

„Er konnte sich nüchtern nicht mehr an Dinge erinnern, die er high gesagt hatte“

Das Kiffen kann in einigen Fällen aber wirklich richtig schlecht für die Psyche sein: Eine der am meisten diskutierten Nebenwirkungen von Gras ist die Psychose. Wer eine Psychose hat, nimmt die Realität verändert wahr, hat zum Beispiel Wahnvorstellungen oder halluziniert. Man bildet sich Sachen ein, die nicht da sind. Ich weiß inzwischen, dass Gras das auslösen kann. Aber das war nicht immer so.

Früher habe ich das Thema Gras und Psychose krass verharmlost. Ich dachte immer, dass Psychosen etwas seien, das sich die Politik ausdenkt, um den Konsum von Cannabis schlecht zu machen. Dass es das wirklich gibt, glaube ich erst, seit ich gesehen habe, was einem Kumpel von mir passiert ist. Der kiffte ähnlich wie ich, jeden Tag und das sehr viel. Es ging ihm lange gut damit. Aber vor etwa zwei Jahren fing er an, sich zu verändern, wenn er high war. Er bezog alles auf sich. Wenn jemand lachte, dann dachte er, dass derjenige ihn auslachen würde. Er fühlte sich ständig bewertet und verfolgt. Er konnte sich nüchtern nicht mehr an Dinge erinnern, die er high gesagt hatte. 

Das ging etwa ein halbes Jahr lang so. Irgendwann war es so schlimm, dass er nicht mehr unterscheiden konnte, was er wirklich erlebt hatte und was nicht. Er hat es mir mal so erklärt: Es ist, wie wenn man etwas geträumt hat und nach dem Aufwachen nicht mehr weiß, ob es Traum oder Realität war. So war sein Leben. Es wurde immer schlimmer, deshalb hat er mit dem Kiffen aufgehört. Ich weiß nicht, ob das bei meinem Kumpel eine ‚echte‘ Psychose war, es wurde nie diagnostiziert. Ich weiß aber zumindest: Ich will sowas nicht erleben.

„Gras verstärkt Ängste“

Gras holt Gefühle hoch, die sonst nie an die Oberfläche kämen. Das kann unfassbaren Spaß, Entspannung und Freude bringen, aber eben auch Angst oder Trauer. Meiner Erfahrung nach – und nur meiner Erfahrung nach, das ist jetzt in keiner Weise eine medizinische Aussage – ist Gras trotzdem nie der Auslöser für psychische Probleme. Es ist aber sehr wohl ein Katalysator.

Mir geht es aber wohl deshalb noch heute gut mit meinem Konsum: Ich habe keine tiefgehenden psychischen Probleme, deshalb hat Gras da auch nichts Großartiges schlimmer machen können. Das bisschen Angst war ja kein Problem, das sich wirklich festgesetzt hat. Wenn man aber eh schon richtig krasse Probleme hat oder psychische Krankheiten in der Familie vorgekommen sind, dann sollte man nicht kiffen. Das sagt zumindest auch mein Kumpel – und der muss es ja irgendwie wissen.“

Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber  ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.

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