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„Kiffen hilft mir gegen mein ADS“

Foto: FemmeCurieuse / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. 

In meinem Kopf ist immer Chaos. Die Gedanken schießen durcheinander, so wie es Autos auf einer vielbefahrenen Straße tun. Ich habe ständig 1000 Gedanken im Kopf, aber denke keinen davon zu Ende. Wenn ich gekifft habe, dann ist das so, als hätte jemand den Film in meinem Kopf per Zeitlupe verlangsamt. Kiffen hilft mir gegen mein ADS. Die Gedanken-Autos fahren langsamer. Dadurch habe ich mehr Zeit sie wirklich zu begreifen.

Gras ist meiner Meinung nach das Einzige, das mir gegen meine Konzentrationsstörung hilft. Das weiß ich, weil ich schon andere Dinge probiert habe. Als ich 13 Jahre alt war, nahm ich Medikinet, das Medikament meines Bruders, der bereits mit ADHS diagnostiziert war. Es hat den gleichen Wirkstoff wie Ritalin. Meine Mutter gab es einfach auch mir, weil sie fand, dass es bei meinem Bruder wirkte.

Mit mir ging meine Mutter irgendwie erst ziemlich spät zum Arzt. Erst als die Medikamente meines Bruders nicht halfen und meine Aufmerksamkeitsdefizite nicht besser wurden. Etwa in der sechsten Klasse wurde ich dann mit ADS diangnostiziert. Also nicht das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom wie bei meinem Bruder, sondern das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Der Unterschied ist, dass ich nicht aufmerksamkeitssuchend durch die Gegend springe und 24/7 bespaßt werden will. Bei mir war es eher so, dass ich keine Sache für die Schule erledigen konnte, wenn zum Beispiel vor dem Fenster ein Vogel vorbeiflog. Solche Kleinigkeiten lenken mich heute noch so sehr ab, dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann.

Der Arzt schickte mich zu einer Kinderpsychologin, die mit mir verschiedene Lernübungen machte. Sie sagte mir zum Beispiel zehn Wörter, die ich dann nach einer Minute aus dem Gedächtnis heraus aufschreiben musste. Ich wusste nach einer Minute gerade mal die Hälfte der zehn Begriffe. Der Arzt sagte, dass ich auch Medikinet oder Ritalin nehmen könnte. Das hatte ich ja schon erfolglos ausprobiert, deshalb wollte ich nicht wieder Tabletten schlucken. Ich ging also weiterhin zur Kinderpsychologin, die mit Lernübungen versuchte, meine Konzentrationsprobleme in den Griff zu bekommen.

„Zum Lernen habe ich nie gekifft“

Als ich dann mit 15 anfing zu kiffen, merkte ich, dass ich nicht nur den  Rausch daran geil fand. Mit einer geringen Dosis Gras konnte ich mich besser konzentrieren. Diese Erkenntnis haute mich erstmal um. Das war doch eine Droge. Wieso half mir denn eine Droge gegen meine Krankheit? Ich hatte bis dahin nie verstanden warum Menschen Gras als Medizin sehen, ich dachte das sei nur so typisches Stoner-Geschwätz und dann erfuhr ich es am eigenen Leib.

Zum Lernen habe ich nie gekifft. Das funktioniert nicht. Ich werde zwar fokussierter, aber auch körperlich träge. Ich kann mich also nicht motivieren. Kiffen hilft mir aber sehr, wenn ich das mache, was mir Spaß macht: zeichnen. Wenn es darum geht, mich auf künstlerische Arbeiten im Studium fokussieren, ist Gras daher meine Lösung. Wenn ich high bin, lenkt mich nichts mehr ab, da könnte draußen die Welt untergehen und ich würde weiter malen. 

Für mich – und das ist hier wichtig, ich spreche nur für mich – kann das nur Gras. Mit Gras werde ich nicht so schnell abgelenkt, bleibe fokussiert und schaffe es, Gedanken auch zu Ende zu denken. Die psychologische Betreuung half mir nicht. Amphetamin, wie es in Amerika ja oft in Form des Medikamentes Adderall verschrieben wird, macht mich nur noch wirrer im Kopf. Auch Medikinet oder Ritalin wirken bei mir nicht.

Der Vorteil von Gras gegenüber all diesen Dingen ist auch, dass ich es selbst dosieren kann. Wenn du Gras rauchst, spürst du sofort eine Wirkung. Wenn du nach zwei Zügen genug hast, kannst du den Joint wieder weglegen. So eine Tablette wirkt manchmal erst nach zwei Stunden. Wenn du da zu viel genommen hast, dann ist es schon zu spät.

Einmal ist mir das passiert, vor dem Deutsch-Abi. Ich schlief die Nacht davor sehr schlecht, deshalb trank ich viel Koffein vor der Prüfung. Um morgens fit zu werden, habe ich auch noch Medikinet aus der Medikamentenschublade von meinem Bruder geklaut und genommen. Ich muss ausgesehen haben wie ein Eichhörnchen, so hektisch war ich danach. Zittern, Schwindel und Übelkeit, das volle Programm. Mit einem Joint wäre ich bestimmt einfach nur ein bisschen relaxt gewesen. Vielleicht wäre ich dann aber auch über der Abiprüfung eingepennt.

Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber  ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.

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