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„Die Kifferin“-Kolumne Teil 12: Kiffen als Jugendkultur
Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis.
Mit 13 Jahren war es mir völlig suspekt, dass Kiffen eine Jugendkultur sein soll. Es gab Kiffer-Songs, Kiffer-Klamotten, Kiffer-Filme und dazu natürlich auch die Shops, in denen man alles rund um Cannabis kaufen konnte. Alles bis auf das Einzige, was bei dem Thema nun mal unverzichtbar ist: Gras. Warum kann man Long-Papes an der Tanke kaufen? Jeder weiß doch, dass man die eh nur zum Kiffen nimmt? Und das ist doch illegal? Damals konnte ich mir das nicht erklären.
Dann fing ich mit 15 an zu kiffen und mir wurde klar, warum um das Kiffen so ein Kult gemacht wird. Ganz einfach, weil man damit Geld verdienen kann. Dahinter steckt eine Industrie und die weiß, wie es läuft. In meinem Fall lief es so, dass mich das Kiffen unglaublich schnell in seinen Bann zog. Das liegt hauptsächlich daran, dass man davon high wird, aber auch daran, dass sich das alltägliche Leben verändert, wenn man in jungen Jahren so viel raucht wie ich damals.
Auf dem Schulhof gab es bei uns die Fußballer, die Skater, die Pferde-Girls, die Mädchen, die hübscher waren als alle anderen, die Hip-Hopper, die Punker und es gab die Kiffer. Gruppen, die sich aus einem gemeinsamen Interesse heraus bilden, und unser Interesse war Cannabis. Durch das Kiffen fühlte ich mich das erste Mal irgendwo zugehörig. Kaum hatte mich jemand mal mit einem Joint in der Hand gesehen, stand ich auf einmal für etwas. Ich gehörte dazu, das war meine Trademark. Und um die noch klarer zu machen, zeigte ich mich damit. Deshalb ziehen Leute wie ich ein T-Shirt mit einem Hanfblatt an, wenn sie Teenager sind. Ich trug Socken und Bandanas mit Hanfblatt-Optik, auch auf meinem Rucksack war lauter Gras draufgedruckt. Natürlich laufen nicht alle Kifferinnen und Kiffer so rum, aber ich fand das damals cool.
Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich auf dem Schulhof überlegen
Kiffen war wie ein neues Hobby für mich. Wie ein Fußball-Team, von dem man auf einmal Fan ist. Ich haute unglaublich viel Kohle raus für Zubehör und Merchandise, weil mir das Kiffen auch irgendwie ein Zuhause gab und ich das der Außenwelt zeigen wollte. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich auf dem Schulhof überlegen und cooler als die anderen in meinem Alter. Ich war das „bad girl“ und das machte mich interessant. Teenager funktionieren eben ein bisschen anders als ältere Menschen: Du tust etwas Illegales und das verschafft dir Anerkennung.
Meine Fußball-Analogie hinkt wegen dieses Kriminalitätsfaktors allerdings ein wenig. Denn wenn du Fußball-Fan bist, erzählst du das sofort allen anderen. Beim Kiffen checkst du erst mal ab, wie die andere Person so drauf ist, bevor du das erzählst. Und wenn du dann siehst, „ah, der kifft auch“, dann ist da so eine Verbindung da, die sofort auf Vertrauen beruht. Beide Beteiligten machen ja etwas Verbotenes, also müssen sie sich irgendwie einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, wenn sie sich davon erzählen.
Bei mir war das in meiner Anfangszeit als Kifferin anders, da ich ja immer wie ein wandelndes Hanfblatt durch die Gegend gestolpert bin. Mir sah man sofort an, was ich mir damals alles so reinzog. Irgendwann merkte ich dann, dass es ziemlich dumm ist, wenn man einem so etwas Intimes wie Drogenkonsum sofort ansieht. Deshalb landeten die Hanf-Bandanas und T-Shirts irgendwann im Müll.
Trotzdem hat Kiffen mir in einer Phase Orientierung gegeben, in der ich ziemlich orientierungslos war. Es hat mir zumindest vorübergehend geholfen, meine Selbstzweifel und mein ADS in den Griff zu bekommen und deshalb habe ich mich dem Gras damals so hingegeben. Ich habe durch das Kiffen Leute kennengelernt, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Trotz all dem weiß ich heute: Wenn es aber darum geht, im Leben Orientierung zu finden, dann sind Drogen wohl so ziemlich das Letzte, auf das man zurückgreifen sollte. Das sollte ich dann später am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.