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„Die Kifferin“-Kolumne Teil 4: Bei der Drogenberatung
Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. In der letzten Folge schickten ihre Eltern sie zur Drogenberatung.
„An meinem ersten Tag bei der Drogenberatung musste ich Bilderrätsel lösen. Auf den Kärtchen waren verschiedene Bilder von Cannabis und verschiedenen Kräutern wie Oregano oder anderes Zeugs, das für Laien so aussieht wie Gras. Ich musste die Pärchen finden – und dachte mir nur so: Wo zur Hölle bin ich hier gelandet?
Jeden Freitag musste ich für eineinhalb Stunden in die Drogenberatung. Die ersten zwei Mal war meine Mutter noch dabei, das fühlte sich echt schäbig an. Meine Mutter hat geweint während der Beratung. Ich versteh sie auch. Man saß dort mit Heroin- und Crystal-Junkies auf dem Gang und wartete auf seinen Termin. Da sah man schon ziemlich abgefuckte Gestalten, die heruntergekommen und halb tot aussahen von ihrem Konsum. Und meine Mutter musste dort mit ihrer 16-jährigen Tochter rumsitzen. Später durfte ich aber immer alleine hin, das ging besser.
Zu Beginn bestanden die Sitzungen aus komischen Spielen, in denen ich absolut keinen Sinn sah. Die Therapeutin zeigte mir beispielsweise Fotos von Prominenten und verschiedenen Drogen, die ich in Verbindung bringen sollte. Bei Bob Marley musste ich zum Beispiel sagen, dass der gekifft hat. Solche Sachen, ich kam mir vor wie im Kindergarten. Ich hab später mal nachgefragt: Solche Spielchen sind anscheinend klassische Methoden in der Suchtberatung. Sie sollten zeigen, wie gut ich mich mit Drogen auskenne, um so irgendwie meinen Drogenkonsum und meine Abhängigkeit einzuordnen. Wenn es bei dem Spiel um Kiffer ging, kannte ich sie meistens.
Nach diesem Anfangsgeplänkel wurde es allerdings besser. Ich kam mir vor, als würde ich bei einer Psychologin sitzen. Ich musste zum Beispiel ein Joint-Tagebuch führen, in dem ich bei jedem Joint aufschreiben sollte, warum ich ihn rauchen würde. Ich schrieb nicht oft rein. Wenn, dann sah das zum Beispiel so aus:
11. Juli 2013
Erster Joint des Tages mit Marie und Lars im Park. Schule war mega nervig, ich bin gestresst. Deshalb kiffe ich jetzt einen.
23. Juli 2013
Heute hatte ich Stress mit Victoria. Sie hat mich dumm angemacht, weil ich wieder keine Hausaufgaben hatte. Warum muss die so nervig sein. Baue jetzt einen Joint, weil sie mich so wahnsinnig ankotzt.
Besonders ertragreich war das also nicht. Die Therapeutin sagte mir, wie problematisch mein Konsum sei, besonders weil ich so jung war. Und dann fragte sie das, worauf ich so lange gewartet hatte: Warum kiffst du? Daraus entstanden viele ehrliche Gespräche. Ich erzählte ihr von meinen Problemen in der Schule, von meinen Konzentrationsschwierigkeiten und dass ich mich und mein Aussehen damals einfach nicht mochte. Sie nahm mich ernst und deshalb nahm ich sie ernst.
„Ab da war ich halt die Rebellin in der Klasse. Und das ist mit 16 schon nice“
Vor meinen Freunden in der Schule hielt ich die Drogenberatung die ersten zwei Wochen noch geheim. Ich wollte nicht das Drogenopfer sein. Dann kam es aber irgendwie doch raus. Die meisten waren schockiert, aber irgendwie bewunderten sie mich auch. Das klingt jetzt total dumm, aber ab da war ich halt die Rebellin in der Klasse. Und das ist mit 16 schon nice, vor allem als Mädchen. Später stand in meiner Abizeitung bei der Frage ,Wer kommt zuerst in den Knast‘ mein Name. Wenn du da als Mädchen stehst, dann kommst du dir schon cool vor. Besonders in meinem Fall: Ich ging auf eine katholische Privatschule. Da war ich das böse Mädchen und deshalb interessant. Insofern pushte die Drogenberatung eher mein Verhältnis zum Gras.
Ich weiß, dass meine Eltern das mit der Drogenberatung gut meinten. Meiner Meinung nach haben sie das aber zu einfach gedacht: ‚Wir haben alles getan, was wir konnten, in der Beratung wird ihr schon geholfen.‘ Danach hatten sie ein gutes Gewissen und vertrauten mir auch wieder mehr. Sie hörten auf, jedes Mal an mir zu riechen, wenn ich nach Hause kam. Die Drogenberatung gab ihnen Sicherheit. Dabei kiffte ich weiter.
Wenn sie nachfragten, log ich und sagte ich würde nicht mehr rauchen. Denn wenn man abhängig ist, dann tut man alles, um weiter konsumieren zu können. Da ist das Anlügen der Eltern wirklich eine der leichtesten Übungen. Nachdem ich drei Monate zur Beratung gegangen war, war das Thema zu Hause aber ohnehin erledigt. Meine Eltern fragten nicht mehr nach, wie es mir ging oder ob ich noch rauchte und dachten wohl einfach, es wäre vorbei. Sie irrten sich. Ich gab mir zwar mehr Mühe es zu verstecken, aber ich kam trotzdem jeden Abend bekifft nach Hause.
Das Ganze war für mich aus einfachem Grund kein effektives Suchtprogramm: Du musst den Willen, aufzuhören, selbst entwickeln. Nur dann hilft dir eine Drogenberatung weiter. Ich wollte aber nicht.“
Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.