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Essena O'Neill
Das ist...
Essena O’Neill, 19-jährige Instagram-Schönheit. Ihre Posts bekommen Likes im fünfstelligen Bereich, sie hat aktuell fast 700.000 Follower. Bislang versorgte sie die dort mit Fotos ihres perfekten Teenager-Körpers, der sich durch ein perfektes Teeniemädchen-Leben bewegt: glückliches In-die-Kamera-Lächeln, verträumte Blicke im Gegenlicht, Selfies im Kleid vorm Spiegel, Bikini-Fotos am Meer. Hauptsache, man sieht viel blondes Haar, viel weiße Zähne, viel flachen Bauch. Und Produkte, die sie trägt oder zeigt, weil Firmen ihr dafür Geld geben - mit einem Post verdiene sie leicht 2000 Australische Dollar (etwa 1300 Euro), schreibt sie. Aber damit ist jetzt Schluss: Essena kehrt Social Media den Rücken. Macht keine Fotos mehr, will dafür keine Likes und kein Geld mehr. Denn:
Die kann...
ihr Instagram-Ich nicht mehr ausstehen. Und sie will der Welt jetzt zeigen, wie wenig Echtes auf Profilen wie ihrem zu sehen ist. Sie schreibt: „Ich will einfach, dass jüngere Mädchen wissen, dass das weder das wahre Leben, noch cool oder inspirierend ist. Es ist gekünstelte, gestellte Perfektion, die Aufmerksamkeit erzeugen soll.“ Um ihre Botschaft zu unterstreichen, hat sie sich ein cleveres Mittel überlegt. Sie schreibt die Bildunterschriften zu ihren Posts neu. Wo früher stand, was für eine gute Zeit sie am Strand hatte, gibt sie jetzt Auskunft über das Making-of der Bilder. Die Fakten, die niemand sieht, die die Perfektion aber sofort zunichte machen, weil sie zeigen, dass dieses schöne Leben in Wirklichkeit harte, nervige Arbeit und Entbehrung bedeutet. Sie zeigen, dass es zum Teil mehr als 100 Versuche braucht, bis das Foto entstanden ist, dass ihre Follower sehen. Dass sie den halben Tag nichts isst, damit ihr Bauch sich nicht mal ein bisschen nach außen wölbt. Dass sie ihre Schwester anschreien musste, damit sie immer noch ein Foto mehr macht.
In einem Youtube-Video begründet sie ihren Abschied noch ausführlicher – in neuem, betont ungeschminktem Auftreten und mit vor Bewegtheit und Aufregung zitternder Stimme, später sogar unter Tränen. Sie mache all das für das Mädchen, das sie mit 12 Jahren gewesen ist: Das Mädchen, das die Social-Media-Inszenierungen für die Realität hielt und nichts mehr wollte, als auch so ein Leben zu haben. Das also anfing, sich so ein Leben nachzubauen und abzufotografieren. Das Problem: Ein „Genug“ gab es nicht, sie sei abhängig von Likes gewesen. Hatte sie 1000, wollte sie 10.000. Hatte sie 300.000 Follower, wollte sie 600.000. Und als all diese Menschen ihr folgten, war sie mit nichts anderem mehr beschäftigt, als dieser Aufmerksamkeit gerecht zu werden. „Jeden Tag nur beweisen zu müssen, dass du toll bist – ist das Leben? ... Es hätte so viele Sachen gegeben, die ich stattdessen hätte machen können. Jetzt habe ich keine Ahnung, wer ich bin und was ich eigentlich kann. Ich weiß nichts über echtes Leben, weil ich keines hatte, sondern weil mich nur die Zahlen interessierten.“
Die geht...
mit ihrer Aktion jetzt viral. Das ist natürlich ein bisschen absurd: Die Geschichte des Mädchens, das sich Social Media verweigert, wird genau dort geteilt wie blöd. Ihr Video wurde von seiner Veröffentlichung am Montag bis Dienstag Mittag mehr als 760.000 Mal angeklickt. Auf Youtube kursieren zahllose Antworten auf ihre Abkehr, Medien aus der ganzen Welt berichten über sie, wollen Interviews (bis jetzt hat sie noch keines gegeben). Und natürlich muss man sich ein bisschen wundern, wenn sie in einem Dankesvideo vor Glück weint und ihren Laptop in die Kamera hält, um zu zeigen, wie ihr Mail-Postfach überquillt vor begeisterten Reaktionen. Denn letzten Endes sind das ja wieder bloß Zahlen, über die sie sich definiert, wenn auch mit anderen Inhalten. Denn sie hat schon eine neue Webseite online: Letsbegamechangers.com. Der Text über den Zweck ihres Projekts sagt zwar ein weiteres Mal sehr ausführlich, was sie nicht mehr will – ihre Zeit mit Social Media vergeuden – , aber noch nicht, wie sie die gewonnene Zeit dann genau nutzen will. Das meiste klingt sehr vage und an vielen Stellen naiv. Es geht um Gesundheit und Liebe, um eine gerechtere Welt und Veganismus, um Umweltschutz und Selbstfindung und -bewusstein.
Wir lernen daraus...
... dass eine der bewegendsten und drängendsten Fragen heute so geht: Wie viel echtes Leben steckt in unserer Social-Media-Darstellung und wie viel Social-Media-Darstellung steckt in unserem Leben? Natürlich haben sich schon viele Social-Media-Verweigerer und -Verteufler darüber Gedanken gemacht, natürlich gab es schon zahllose Aufrufe, dem Smartphone nicht zu viel vom eigenen Leben abzugeben. Nur kamen die bislang nicht von Menschen, die diese Welt und ihre Mechanismen so gut kennen wie Essena.