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Mein Danebenjob im Hostel

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In einem Hostel ist immer etwas los, da muss man eine große Toleranzschwelle haben und vieles mit Humor nehmen. Aber ich kann wirklich sagen: Mein Job ist Unterhaltung pur. Ob Freaks, Randalierer oder Betrunkene – da ist wirklich alles dabei. Manchmal staunt man auch über die Dummheit der Leute. Wenn sich zum Beispiel das Klischee über dumme Amerikaner bestätigt, die total erstaunt sind, wenn man ihnen mitteilt, dass Berlin die deutsche Bundeshauptstadt ist.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Klassiker sind jedoch englische Junggesellenabschiede, die mir persönlich immer sehr viel Spaß machen. Wenn die Gruppen freitags ankommen, verschwinden die meist direkt auf ihren Zimmern und kommen dann verkleidet wieder runter: als Superman, im Lack- und Leder-Outfit oder als Heidi. Dann schießen die sich bei uns an der Bar erst einmal richtig ab und ziehen dann weiter. Einmal ist Samstagmorgens eine Horde Engländer nach einer durchfeierten Nacht splitterfasernackt durch die Lobby gelaufen – während Familien mit kleinen Kindern dort ihren Kaffee getrunken haben. Die mussten wir dann natürlich freundlich darauf hinweisen, dass sie sich doch bitte etwas anziehen sollen. Fünf Minuten später kamen sie dann zurück und hatten etwas angezogen: Und zwar diese neongrünen Borat-Anzüge, bei denen gerade mal das Geschlechtsteil bedeckt ist! Wir haben wirklich Tränen gelacht.  

Einmal war über Silvester ein schwules Trio bei uns – ebenfalls aus England. Die waren total überdreht, selbst Kollegen von mir sind immer abgehauen, wenn sie die von weitem gesehen haben, weil die immer so viel gequatscht haben. Eines Nachts kam einer von ihnen zu uns und meinte, er bräuchte einen Doktor – „a sexual doctor“. Wir haben ihn dann ins Krankenhaus geschickt. Als er zurück kam, legte er uns den Befund vor und bat um dessen Übersetzung – vor versammelter Mannschaft und voller Lobby. Da haben dann alle erfahren, dass er ein Jucken im Genitalbereich und drei Wochen zuvor das letzte Mal Sex hatte. Das war ihm dann plötzlich doch unangenehm.  

Einer seiner beiden Kumpels war ein total femininer Typ, eigentlich eine Frau in einem Männerkörper. Der war permanent auf Drogen, hat nonstop gefeiert und ständig irgendwelche Typen abgeschleppt. Der hat in der Lobby auch gerne mal allen seinen Arsch gezeigt, so war der drauf. Eines Morgens kam er zu mir, hat mir aus seinem bewegten Leben und natürlich auch von seinem letzten Aufriss erzählt. Irgendwann meinte er plötztlich: „But I don’t remember, if we had sex. I mean: I don’t feel it in my ass.“ Sätze wie dieser sind manchmal die ersten, mit denen ich meine Schicht beginne.

Text: daniel-schieferdecker - Illustration: Katharina Bitzl

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