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Corona und Weihnachten: drei Menschen erzählen, wie sie heuer feiern
Überall leuchtet Dekoration, es riecht nach Glühwein, Plätzchen und Lebkuchen, im Wohnzimmer strahlt der Weihnachtsbaum und alle verpacken fleißig Geschenke: Die Feiertage sind für viele die einzige Zeit im Jahr, in der sie ihre Familie in Ruhe sehen können, dementsprechend hoch ist ihr Stellenwert. Nachdem die Pandemie den meisten von uns vergangenes Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat – schließlich war noch niemand gegen das Coronavirus geimpft und auch die Testmöglichkeiten hielten sich in Grenzen – war die Hoffnung groß, dass dieses Jahr endlich wieder entspannte Weihnachten möglich sein würden.
Die Realität sieht anders aus: Gegen die Delta- und Omikron-Varianten des Virus kommen auch die Impfungen nicht immer an, Krankenhäuser und Klinikpersonal sind wieder überlastet und nach wie vor sind nur etwa 70 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft. Das wirkt sich auch auf die Feiertage aus: In einer aktuellen Umfrage gab etwa die Hälfte der Befragten an, dass ihre Weihnachtsfreude wegen der Pandemie getrübt sei, und genauso viele planen, dieses Jahr in kleinerem Rahmen zu feiern als sonst. Im Gespräch mit jetzt erzählen drei junge Menschen, was dieses Jahr für sie anders laufen wird.
Jonas, 23
Jonas, 23, feiert Weihnachten mit seiner Familie – aber ohne seine Oma, denn die will sich nicht impfen lassen:
„Ich werde meine Oma dieses Jahr an Weihnachten nicht sehen, weil sie nicht gegen Corona geimpft ist. Sie hat zwar Angst vor einer Infektion, aber anstatt sich impfen zu lassen, will sie sich lieber einsperren – sie ist generell skeptisch gegenüber Medikamenten und hat dementsprechend Angst vor möglichen Nebenwirkungen. Ich habe neulich lange mit ihr telefoniert und versucht, sie von einer Impfung zu überzeugen, aber sie bleibt hart. Wir haben daher mit ihr zusammen beschlossen, dass es besser ist, wenn wir sie erst wieder sehen, wenn sich das Infektionsgeschehen beruhigt hat. Schließlich möchte niemand dafür verantwortlich sein, wenn sie Corona bekommt.
Für mich ist das besonders schade, weil ich meine Oma sehr selten sehe, da meine Familie im Süden von Bayern wohnt und ich in Berlin lebe. Vielleicht werden wir wenigstens auf Abstand mit ihr spazieren gehen, aber Weihnachten, wie wir es normalerweise feiern, gibt es dieses Jahr nicht. Ich persönlich verstehe nicht, warum sie das Weihnachtsfest mit der Familie aufgibt, wenn es eine einfache Lösung gibt. Mehrere meiner Familienmitglieder sind sowohl doppelt geimpft als auch zusätzlich genesen, und auch ich bin schon geboostert. Hätte meine Oma sich impfen lassen, wäre also alles in Ordnung – aber wenn sie überhaupt keinen Schutz hat, ist uns das gemeinsame Feiern zu riskant.“
Eine Corona-Infektion kann nicht nur zu einer akuten Erkrankung führen, sondern auch langfristige Folgen haben. Zwar liegen noch keine verlässlichen Daten zum Anteil der Covid-Erkrankten mit Langzeitfolgen vor, in einer aktuellen Studie berichteten jedoch mehr als 40 Prozent der Proband:innen, dass sie auch sechs Monate nach überstandener Infektion noch unter Symptomen leiden. Diese sind vielfältig: Starke Erschöpfung, Kopfschmerzen, Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen, Atemnot und Schwindel sind nur einige der vielen unspezifischen Probleme, von denen ehemalige Covid-Patient:innen berichten. Eine ursächliche Therapie für Long-Covid gibt es noch nicht, die Behandlung fokussiert sich daher auf die Symptome.
Miriam, 25
Miriam ist 25 und hat sich vergangenen Frühling mit Corona infiziert, seitdem leidet sie unter Long-Covid. Sie ist Krankenschwester und arbeitet normalerweise an Weihnachten. Das geht dieses Jahr aber nicht:
„Dieses Jahr habe ich gezwungenermaßen frei, weil ich letzten Frühling an Long-Covid erkrankt bin. Ich habe zwar eine Reha und eine versuchte Wiedereingliederung hinter mir, aber das wurde von ärztlicher Seite abgebrochen. Ich bin also krankgeschrieben, und das wird erstmal so bleiben. Meine Familie hat daher direkt vorgeschlagen, dass wir Weihnachten zusammen feiern und mein Freund und ich Gastgeber sind. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich das nicht schaffe.
Da mir viele negative Gedanken durch den Kopf gehen, bin ich überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung. Außerdem habe ich keine finanziellen Möglichkeiten für Geschenke, weil ich von Krankengeld lebe. Das Schlimmste an einem gemeinsamen Weihnachtsfest wären für mich aber die ständigen Nachfragen, wie es mir geht und wie ich mit der Therapie vorankomme. Deswegen bleibe ich alleine mit meinem Freund zuhause – ein Adventskalender ist das einzig Weihnachtliche, was es dieses Jahr bei mir gibt. Meine Familie versucht zwar, Verständnis aufzubringen, aber das fällt ihnen schwer. Sie hätten sich natürlich gefreut, die Feiertage mal wieder mit mir zusammen zu verbringen. Aber für Weihnachten mit der ganzen Familie fehlt mir die Kraft.“
Wegen der steigenden Infektionszahlen hat sich auch die Situation auf den Intensivstationen wieder verschlechtert. Viele Krankenhäuser können den normalen Betrieb nicht mehr aufrechterhalten, das Personal ist überlastet und in vielen Kliniken herrscht ein Besuchsverbot. Für Patient:innen und Angehörige stellt das vor allem zur Weihnachtszeit eine besondere Belastung dar.
Hoang Minh, 28
Hoang Minh ist Gesundheits- und Krankenpfleger im BG Klinikum Hamburg. Der 28-Jährige erzählt, wie sich die Atmosphäre dort durch die Pandemie verändert hat:
„Ich arbeite jedes Jahr an Weihnachten, denn Patienten sind schließlich nicht nur werktags, sondern auch an Feiertagen auf Pflegekräfte angewiesen. Ihnen geht es sowieso schon schlecht, weil sie das wichtigste Familienfest des Jahres im Krankenhaus verbringen müssen, und durch die Pandemie hat sich das nochmal verschlimmert. Da die Patienten isoliert sind und wenig oder gar keinen Besuch bekommen dürfen, leiden sie an zusätzlichem emotionalen Stress. Auch ihren Angehörigen setzt das zu, und sie reagieren oft mit Unverständnis, wenn wir ihnen die Corona-Maßnahmen erläutern. Seit der Pandemie verbringen wir teilweise mehr Zeit am Telefon als beim Patienten, und auch wenn wir den Unmut der Angehörigen verstehen, erschwert uns das die Arbeit.
Uns ist bewusst, dass wir oft der einzige soziale Kontakt sind, den die Patienten haben. Wir versuchen zwar, ihnen zu helfen, sie zu trösten und immer mit einem offenen Ohr für sie da zu sein – in Schutzkleidung und mit Mund-Nasen-Bedeckung ist das aber nicht leicht. Durch das fehlende Lächeln wird eine Barriere aufgebaut und auch der körperliche Kontakt hat seit der Pandemie nachgelassen, das stört das Miteinander. Trotzdem herrscht an den Feiertagen im Krankenhaus immer eine besondere Stimmung. Jeder bringt etwas zu essen mit und es wird ein bisschen gefeiert – mit Abstand und Masken natürlich. Mein Team und ich haben schon so viele Extremsituationen zusammen erlebt, das hat uns zusammengeschweißt. Meine Kollegen werden an Weihnachten also zur Ersatzfamilie – nicht nur für mich, sondern auch für die Patienten.“