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Unser Mann in Cannes(4): Die Preisverleihung und die große Party
Freitag, 26. Mai, Nachtrag:
Nachdem mein Film "Jaba", der als letzter in der Reihe der Cinéfondation lief, so gut angekommen ist und ich nach der Vorführung viele Nachfragen und Komplimente bekommen habe, verbringe ich den Freitagnachmittag ganz entspannt. Ich schlendere ein bisschen durch Cannes und sehe mir "Juventude em Marcha" („Collossal Youth“) von Pedro Costa an, der im Wettbewerb um die Goldene Palme läuft.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Pedro Costa (ganz rechts) mit seinen Schauspielern, Foto AP
Danach steigt die Anspannung allerdings schnell wieder, denn am Abend ist noch großer Empfang mit anschließender Preisverleihung, die auf 21.45 Uhr angesetzt ist. Mein Team - der Kameramann und die zwei Produzenten - und ich streunen etwas rastlos umher. Die Preisverleihung findet im edlen Hotel Martinez, direkt an der Croisette statt. Auf dem Empfang sind alle Filmemacher mit ihren Teams versammelt, nippen Champagner (vielleicht ist es auch nur Sekt) und warten. Zum Glück geht dann alles recht zügig voran. Ich versuche, mir keine Hoffnungen zu machen, schon allein, weil ich weiß, wie unberechenbar Jury-Entscheidungen sein können, das kann man vorher nie einschätzen. Angespannt bin ich natürlich trotzdem. Der erste Preis ist dann auch tatsächlich eine kleine Überraschung, aber keine schlechte. Er geht an den Argentinier Gustavo Riet und seinen Film „Ge & Zeta“. Der zweite Preis geht an meinen deutschen Kollegen Stefan Müller und seinen Animationsfilm „Mr. Schwartz, Mr. Hazen & Mr. Horlocker“. Den dritten Platz teilen sich ein Amerikaner und ein Ungar. Danach, beim großen Dinner, habe ich nicht das Gefühl, dass die, die leer ausgegangen sind (inklusive mir), wirklich enttäuscht sind, schließlich sind alle das erste Mal überhaupt in Cannes und das zählt schon sehr viel. Zum Abendessen darf jeder nur eine Begleitperson mitnehmen, die anderen fahren schon mal vor zur Party. Ich sitze mit holländischen Filmhochschülern und dem Leiter der Cinéfondation, Laurent Jacob, an einem Tisch.
Nach dem Essen gehen auch wir auf die Party, die im International Village, dem Festivalbereich, in dem die Nationen ihre Pavillons aufgebaut haben, stattfindet. Es ist eine Open-Air-Party mit Blick aufs Meer. Sie ist riesengroß, weil es nicht nur die Party der Cinéfondation, sondern auch des anderen Kurzfilmwettbewerbs ist. Ich suche eine halbe Stunde nach einer Cocktailbar, aber alles, was ich finde, ist Bier. Es wird elektronische Musik gespielt, von der ich aber nicht viel mitbekomme. Insgesamt ist die Party auch nicht so sensationell, eine ganz normale Party eben, die Stars sind an diesem Abend natürlich woanders, auf einer der wirklichen VIP-Partys. Auch Daniel Brühl, Tim Burton und die restlichen Jury-Mitglieder sehe ich nirgends.
Cannes ist wirklich ein bisschen wie ein Hofstaat, in dem die Stände gut voneinander getrennt werden. Aber diese hierarchischen Strukturen fallen gar nicht besonders auf, weil einfach alles so groß ist, dass, egal wo man ist, immer etwas los ist. Und die Organisatoren der Cinéfondation haben sich rührend um uns gekümmert, so dass man sich nie alleine oder fehl am Platz vorkam.
Die Party endet relativ früh, so um zwei oder drei, da sind die sehr streng hier. Von einigen Kollegen habe ich mich noch in der Nacht verabschiedet, weil sie gleich am nächsten Morgen zurück nach Hause fliegen
Samstag, 27. Mai:
Man merkt, dass sich das Festival dem Ende zuneigt, einige Pavillons werden schon abgebaut und auf dem Filmmarkt, wo Filme verkauft werden, ist auch nichts mehr los. Für mich ist heute auch letzter Tag. Ich gehe noch einmal im Meer baden, schlendere durch die Stadt und verabschiede mich von den Leuten der Cinéfondation. Morgen Abend ist dann die große Preisverleihung. Einen heißen Tipp habe ich nicht, aber Anfang der Woche war „Babel“, von Alejandro González Inárritu, mit Brad Pitt, Cate Blanchett und Gael Garcia Bernal groß im Gespräch. Und „Volver“ von Pedro Almodovar. Insgesamt kann man sagen, dass Cannes viele Festivals in einem ist, und dass selbst wenn man nicht bei den ganz Großen dabei ist, es sich mehr als lohnt, ein Teil davon zu sein.
Hier kannst du lesen, was Andreas Bolm bisher in Cannes erlebt hat. Jetzt ist er aus Cannes zurückgekehrt und damit endet das Cannes-Tagebuch.
Protokoll: lisa-goldmann