Im Oktober 2004 gründeten die Münchner Kammerspiele den temporären Staat Bunnyhill und beleuchteten zwei Monate lang das Verhältnis von Peripherie und Zentrum und vor allem den Münchner Problemstadtteil Hasenbergl. Am Wochenende hat „BUNNYHILL2“ begonnen. Diesmal geht es um das Zentrum und die Frage: Wem gehört die Stadt?
In den sechs Wochen des Projekts soll ausprobiert werden, was in München möglich ist. Eine Wohnung wird besetzt, ein Hafen gebaut und es wird um einen öffentlichen Platz gekämpft. Im Zentrum des Projekts steht die „Praxis Fassbinder“ in der Sendlinger Straße, benannt nach Rainer Werner Fassbinder, der als Kind des Münchner Zentrums sowohl Ideen- als auch Ortegeber für „BUNNYHILL2“ ist, und das Theaterprojekt „A – Angst essen Zentrum auf“ mit Bewohnern des Hauses in der Sendlinger Straße.
Für die Dauer des Projekts bloggt Björn Bicker, einer der BUNNYHILL-Macher, regelmäßig auf jetzt.de.
bjoern-bicker
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Bunnyhill-Macher Michael Graessner, Peter Katsenmüller, Björn Bicker
So, nun ist BUNNYHILL 2 am Leben. Letzten Freitag haben wir die Praxis Fassbinder eröffnet. Es war schön zu sehen, wie eine unglaubliche Verkettung von glücklichen Zufällen dazu geführt hat, dass unsere Sprechstundenhilfen pünktlich um 18.00 die Praxistüren aufsperren konnten:
Vor über einem Jahr haben wir den Besitzer des Hauses in der Sendlinger Straße 50 getroffen, weil in seinem Anwesen der kleine Rainer Werner Fassbinder von 1945 bis 1951 gelebt hat. Wir haben ihm etwas verschüchtert von unserem Projekt BUNNYHILL, von Fassbinder und unserer Frage "Wem gehört die Stadt?" erzählt, und dass wir mit den Bewohnern einen Theaterabend machen wollen. Er hat uns erstmal etwas ungläubig angeschaut – vielleicht schauen Immobilienmakler immer so, keine Ahnung – aber nach einer Weile hat er gelächelt, dann sogar gegrinst und nach dem dritten Treffen hat er uns die Wohnung überlassen. „Könnt ihr haben“, hat er gesagt. Die Wohnung stand leer - wie so viel Büroraum in München.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Die Praxis Fassbinder
Jetzt ist die Wohnung also die "Praxis Fassbinder" – für die nächsten fünf Wochen. Michael Graessner, unser BUNNYHILL Bühnenbildner, hat die Wohnung ordentlich aufgemöbelt: Salon, Darkroom, ein Filmset, ein Galerieraum und und und.... 200 Quadratmeter Wahnsinn.
Am Freitag Abend um 18 Uhr war Eröffnung und schon ein paar stunden später waren die 200 qm voll. Mit so vielen Leuten haben wir nicht gerechnet. Irgendwie scheint BUNNYHILL noch in den Köpfen der Leute zu sein. Ich jedenfalls habe zum ersten Mal in meinem Leben den Türsteher gegeben. So richtig mit Leute wegschicken. Das ist ein krasses Gefühl. Aber leider ging's nicht anders, wir hatten schon um 22 Uhr kein Bier mehr und außerdem mussten wir am nächsten Tag noch die Premiere unseres Stückes „A-Angst essen Zentrum auf“ hinkriegen.
Zur Praxis-Eröffnung hat BUNNYHILL viele Geschenke bekommen: Ein Lied von Peter Scheller und seinen Palais-Mai-Architekten, die im Mai am Stachus für eine Woche einen Hafen aufbauen, einen Schuhplattler auf Hiphop von Bo Christian Larsson und eine sehr schöne Preview unserer Old Stars, den Senioren, die nächstes Wochenende die Praxis besetzen werden, und – einen türkischen Leberkäs von Bülent von Generation Aldi! „Der ist sogar haltbar bis nach dem Projekt“, hat Bülent versprochen und laut gelacht, wie immer.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
A - Angst essen Zentrum auf
Am nächsten Tag dann, am Samstag, war die Premiere unseres Stücks im Neuen Haus der Münchner Kammerspiele. Über ein Jahr haben wir die Bewohner des Hauses in der Sendlinger Straße nun kennengelernt und mit ihnen ein Stück entwickelt. Ihre Biografien, der Weg, den sie zurücklegen mussten, um ins Münchner Zentrum zu gelangen, der Alltag, den sie nun dort im herzen Münchens verbringen, aus all dem haben wir eine Art Collage gemacht: ein Zentrums-Mosaik. Am Ende stehen gerade mal 1 Stunde 50 Minuten Theater, aber wir waren sehr sehr glücklich, dass es den Leuten aus dem Haus so einen Spaß gemacht hat. Die Reaktion des Publikums war sehr gemischt. Einige fanden es gut und anrührend, anderen war es zu harmlos. Wir sind mit der Aufführung so verwachsen, dass es so kurz danach ziemlich schwer fällt, Kritik überhaupt anzunehmen. So ein Projekt mit Leuten, die sonst kein Theater machen, also mit Laien, ist schon noch mal was ganz anderes als ein normaler Theaterabend mit professionellen Schauspielern. Bin sehr gespannt, wie die restlichen sieben Vorstellungen sein werden. Bestimmt jedesmal anders. Also, die Eröffnung ist geschafft. Jetzt geht’s erst richtig los.
Fotos: Gaby Schweer, Arno Declair