Rocket Freudental und eine Radikalisierungsgeisterbahn
Rocket Freudental und eine Radikalisierungsgeisterbahn
Seit drei Wochen läuft in München an den Kammerspielen das Theaterfestival "BUNNYHILL2 - Wem gehört die Stadt?"
In den insegsamt sechs Wochen des Projekts soll ausprobiert werden, was in München möglich ist. Eine Wohnung wird besetzt, ein Hafen gebaut und es wird um einen öffentlichen Platz gekämpft. Im Zentrum des Projekts steht einerseits die sogenannte „Praxis Fassbinder“, eine leerstehende 200 qm-Wohnung in der Sendlinger Straße 50: Hier hat der Münchner Regisseur und Autor Rainer Werner ein paar Jahre seiner Kindheit verbracht hat und hier sind Ausstellungen, Theater, Performances und Bar geboten. Ein weiterer wichtiger Baustein von BUNNYHILL2 ist das Theaterprojekt „A – Angst essen Zentrum auf“, das mit den Bewohnern des Hauses in der Sendlinger Straße 50 entwickelt wurde.
Für die Dauer des Projekts schreibt Björn Bicker, einer der BUNNYHILL-Macher, regelmäßig auf jetzt.de den Bunnyhill-Blog
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bjoern-bicker
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Was hat Rudi Dutschke mit einer einstürzenden Mauer zu tun? Braucht München einen Hafen? Und seit wann ist der Meister Eder schwul und hat seinen Laden auf der Maximilianstraße? Das war doch ein anderer, oder?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Bunnyhill-Besucher in den Kammerspielen
Alles Fragen auf die es hoffentlich bald eine Antwort geben wird. Nach dem nächsten BUNNYHILL-Wochenende sind wir schlauer. Gerade wird wieder in allen verfügbaren Räumen geprobt. Am Freitag geht’s in der "Praxis Fassbinder" weiter. Wir haben zwei Leute zusammengebracht, die vorher noch nie etwas zusammen gemacht habe. Den aus Schweden stammenden Künstler Bo Christian Larsson, der bei der BUNNYHILL-Eröffnung einen Schuhplattelnden Hiphoper dabei hatte, und die Schweizer Regisseurin Barbara Weber. "Daydreamdemolition & Whity – Radikalisierungsgeisterbahn" heißt das Ganze.
Barbara Weber hat ein Theaterformat mit dem Titel "Unplugged“ entwickelt: "RAF Unplugged" oder "Jacko Unplugged" heißen ihre Abende zum Beispiel, in denen sie sich jeweils einen modernen Mythos vorknöpft und zerlegt. Dafür ist sie schon ganz oft ausgezeichnet worden. Auch Rainer Werner Fassbinder ist ja so eine Mythos. Eigentlich geht es immer auch darum, eine Sprache zu finden, für das was unser Leben beeinflusst, sei es historisch oder aktuell. Wie kann man denn heute noch radikal sein? Bei der Wahl der Klamottenmarke vielleicht? Viele haben doch Sehnsucht, etwas zu tun, raus zu kommen aus dem Wattebausch, rauszukommen aus dem „Bringt doch sowieso alles nix“–Dreck. Aber wie?
In der "Praxis Fassbinder" geht’s am Wochenende genau um diese Fragen. Und damit geht’s natürlich auch wieder um das zentrale BUNNYHILL-Thema. Wie können wir unsere Stadt denn selber gestalten? Müssen wir nicht viel radikaler werden in unseren Ansprüchen und Forderungen ? Wem gehört die Stadt? Vielleicht den Radikalen? Eigentlich nicht. Eigentlich gehört sie den anderen. Denen, die alles so schön verwalten rund um die Uhr. Die immer alles so machen, wie sie´s immer machen. Das merken auch die Leute von der Bürgerinitiative Gärtnerplatz so lassen . Warum denn was ändern? Lief doch alles so schön gemütlich bisher. In der "Praxis Fassbinder" tauchen jedenfalls am Wochenende eine Menge radikaler Geister auf. Ich bin sehr gespannt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Bülent Kullukcu von Generation Aldi
Am Samstag packt der Meister Eder im "Neuen Haus" der Kammerspiele seine Weisswurscht aus. Bülent Kullukcu und Anthony Lew Shun von Generation Aldi haben, wie schon beim letzten BUNNYHIL, ein eigenes Theaterstück entwickelt: Der Fremde – Ein Würger aus München. Es geht um einen Münchner Promi-Mord und um den Ausländer, der ihn begangen hat. Generation Aldi macht daraus eine Stunde Theater: von sehr ernsthaft bis total klamaukig. Aber eigentlich geht es um den Fremden: Einer kommt aus einem fernen Land und landet irgendwann am Münchner Hauptbahnhof und wird von einem Typen in einer Nobelkarosse aufgegabelt, weil der Sex von ihm will. Und dann nimmt das Ganze seinen Lauf.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Rocket/Freudental
Das wird ein besonderer München-Abend. Leute wie Bülent und Anthony, die selbst immer die Erfahrung des Fremdseins machen, obwohl sie es gar nicht sind, schauen auf München und das Bayrische, aber nicht aus einer blöden Distanz, sondern als Teil davon und auch wieder nicht. Kompliziert und verschachtelt sind die Identitäten der Leute in der zweiten und dritten Einwanderergeneration, aber um so spannnender ist ihr Blick auf uns, auf das Eigene und auf das Fremde. Voller Witz und trotzdem mit einer großen Ernsthaftigkeit
Nach der Vorstellung am Samstag ist im Neuen Haus wieder Konzert und Club. Diesmal kommen Rocket/Freudental aus Stuttgart. Bis dahin wissen wir hoffentlich, was Rudi Dutschke mit der einstürzenden Mauer zu tun hat und seit wann Meister Eder schwul ist.
Fotos: Kammerspiele, Trikont