Im Oktober 2004 gründeten die Münchner Kammerspiele den temporären Staat Bunnyhill und beleuchteten zwei Monate lang das Verhältnis von Peripherie und Zentrum und vor allem den Münchner Problemstadtteil Hasenbergl. Am Wochenende hat „BUNNYHILL2“ begonnen. Diesmal geht es um das Zentrum und die Frage: Wem gehört die Stadt?
In den sechs Wochen des Projekts soll ausprobiert werden, was in München möglich ist. Eine Wohnung wird besetzt, ein Hafen gebaut und es wird um einen öffentlichen Platz gekämpft. Im Zentrum des Projekts steht die „Praxis Fassbinder“ in der Sendlinger Straße, benannt nach Rainer Werner Fassbinder, der als Kind des Münchner Zentrums sowohl Ideen- als auch Ortegeber für „BUNNYHILL2“ ist, und das Theaterprojekt „A – Angst essen Zentrum auf“ mit Bewohnern des Hauses in der Sendlinger Straße.
Für die Dauer des Projekts bloggt Björn Bicker, einer der BUNNYHILL-Macher, regelmäßig auf jetzt.de.
bjoern-bicker
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Jetzt war ein bisschen Durchschnaufen angesagt, aber nur kurz, denn heute geht’s nun wirklich los mit BUNNYHILL2. Die ersten Projekte präsentieren die Ergebnisse ihrer Arbeit. Und entschieden wird bekanntlich aufm Platz. Wir beißen uns jetzt so langsam in die Innenstadt vor.
Am Mittwoch Abend ist schon das erste Treffen „How to make a Bürgerinitiative - Quereinstieg mittenrein" in der Praxis Fassbinder. Alle, die den Münchner Gärtnerplatz mögen: der Sommer hat angefangen, der Rasen, auf dem man an warmen Abenden mit Freunden saß ist weg und der Platz eine eklige Baustelle, die über den Bauzaun schreit: „Hier setzt sich keiner mehr auf die Wiese. Endlich ist wieder eine Ordnung in München!“ Schade eigentlich. Die Ordnung hier in München kann einem gehörig auf die Nerven gehen. Max Zeidler und Ruth Feindel jedenfalls laden alle ein, an der Bürgernitiative zur Rettung des Gärtnerplatzes teilzunehmen. Sie bringen uns bei, wie man seine Rechte durchsetzen kann gegen alle Bürokratenstadtverschönerungsbezirksausschusshürden. Heute geht’s los, aber man auch sonst kann jederzeit einsteigen. Ein super wichtiges Projekt für BUNNYHILL. Leute entdecken ihre Ideen und Kunst wird zur Politik und Politik zur Kunst. Ich finde, wir sollten uns um den einzigen etwas urban und frei genutzten Platz der Stadt kümmern!
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Anwohner des Gärtnerplatzes engagieren sich
Von BUNNYHILL1 haben alle gedacht, dass es ein reines Jugendprojekt war – weil wir mit den Jugendlichen aus dem Hasenbergl ein Theaterstück inszeniert haben. Um so besser ist es eigentlich, dass wir diesmal mit einem waschechten Seniorenwochenende starten. Also: Von den Alten lernen.
Unsere Probenräume werden seit ein paar Wochen von alten Menschen bevölkert. Am Donnerstag startet die Zentrumstour für Ältere am Alten- und Service-Zentrum am Sebastiansplatz. Es geht los auf der Kegelbahn, führt durch die Stadt und endet in der Praxis Fassbinder. Zwischendurch könnt Ihr ein paar Senioren auf den Kühen am Rindermarkt reiten sehen! In echt! Und Donnerstag Abend gibt es "Drei Minuten Nationalsozialismus" im Neuen Haus der Münchner Kammerspiele. Tobias Yves Zintel von Tourette TV und der Blumenbar Autor FX Karl bringen eine Revue an den Start, die München wieder zur Hauptstadt der Bewegung macht. Wenn man fragt, wem die Stadt gehört, dann muss man auch fragen, wem die Erinnerung und Deutungshoheit über die Vergangenheit gehört. Und irgendwie kommt es mir so vor, dass sich wieder viele mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigen: vielleicht, weil zu viele zu froh sind, dass niemand mehr drüber reden will. Ich finde man trifft an jeder Ecke auf Phänomene, die einen an diese autoritäre Scheisse erinnern. In Behörden, auf der Straße (wer in München schon mal von Leuten mit Schaum vorm Mund in der Fußgängerzone vom Fahrrad gestossen worden ist, der weiss, was ich meine), überall.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Praxis Fassbinder
Außerdem wird die Praxis Fassbinder am Freitag und Samstag von den "Old Stars" besetzt. Zehn sehr coole Senioren aus München gründen eine Kurzzeit-WG und bringen uns auf Vordermann. Man kann hinkommen und sich was beibringen lassen, außerdem gibt es den besten Old Star Barkeeper überhaupt, ich glaube die beiden Abende mit den Oldies werden die Wucht. Eine sehr gute Gelegenheit, die Praxis zu besichtigen.... aber vor allem ist es groß, dass man Leute kennenlernen kann, mit denen man normalerweise niemals in Kontakt kommen würde. Das ist BUNNYHILL–Pathos pur. Aber schön.
Am Samstag dann, endlich, zum ersten mal wieder "Favorit Spezial" mit der Favorit Bar: das erste von vier Konzerten im Neuen Haus mit anschließendem BUNNYHILL Club. Den Auftakt macht der Münchner Musiker Robert Merdzo. Bin gespannt, ob wir's auch diesmal wieder schaffen, das Theater zu rocken. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass Lenni und Harri von der Favorit Bar dieses Jahr wieder mit im Boot sind. Die arbeiten schon an ihrem Programm für die Praxis Fassbinder „Wie laut wird alles“ – aber davon ein andermal.....
Und nicht vergessen: am Freitag ist auch wieder unser Stück "A – Angst essen Zemtrum auf" im Neuen Haus – das Stück mit den Bewohnern aus der Sendlinger Straße.