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Adieu Bunnyhill: Der Hase ist gegrillt
Viel ist passiert, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass wahnsinnig viel Arbeit noch zu unglaublich wahnsinnig viel mehr Arbeit gesteigert werden kann. Aber es ist möglich. Deshalb auch so eine lange Schreibpause und morgen ist BUNNYHILL nun schon vorbei. Endgültig, aus und Ende. In der letzten Woche haben sich die Ereignisse überschlagen, ich kann gar nicht aufzählen, was alles passiert ist. In der "Praxis Fassbinder" wurde FLUR vorgestellt, die neue Zeitschrift der Leute, die in München in der Damenstiftstraße die Favorit Bar betreiben. Zwei Tage davor ist Rainer Werner Fassbinder, der Patron unseres Festivals, tatsächlich auferstanden. Er stand plötzlich an der Rezeption der Deutschen Eiche in der Reichenbachstraße und hat ein Casting veranstaltet. Wer gut Gedichte vortragen konnte (vor laufender Kamera), der hat einen Hotelzimmerschlüssel bekommen und durfte sich Theaterstücke in den Zimmern anschauen. Es war heiß in den Zimmern und man war hautnah an den Schauspielern dran. Das Tolle waren aber nicht nur die vier Fassbinder-Stücke, die in den Zimmern nachgespielt wurden, sondern vor allem die Mischung der Leute. Plötzlich ging alles durcheinander: Ältere und jüngere Saunabesucher (in der Eiche ist die größte Schwulensauna Europas) standen neben Studentinnen, Schauspieler spielten mit Kneipenbesuchern, alle waren plötzlich eng beieinander und das sorgte für eine lustige Stimmung. Ich habe selten so einen chaotischen und zugleich entspannten Theaterabend erlebt. Plötzlich bekommt Theater wieder eine andere Relevanz, weil es sich sowohl über den Ort, als auch über die Menschen mit der Stadt verbindet, in der es entsteht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
So war es auch bei der Show der Berliner Gruppe KULTURMASSNAHMEN. Sie haben ihre Bürgermeldungen, die sie 10 Tage in München gesammelt haben, verkündet. Mit viel Witz und lustiger Musik. Aber eines war dabei doch erschreckend: die Hauptprobleme der Münchner bestehn darin, dass ihnen ihre Stadt zu schmutzig ist, oder darin, dass sie keine Probleme haben. Das kann doch nicht sein! Aber das erklärt natürlich einiges: nämlich, warum es in München so ist, wie es ist. Sauber, ordentlich, geregelt und schön. Deshalb finden auch viele Münchner, mit denen ich die letzte Woche geredet habe, unseren Hafen MÜNJING so schrecklich.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Hafen steht nämlich mittlerweile und wird morgen auch schon wieder abgebaut. Fast alle Gespräche mit den Passanten am Hafen fangen damit an, dass ich gefragt werde, ob die Conatiner zur WM denn auch wieder weg seien. Alle haben Angst, dass ihr schönes München verschandelt wird. Und es fällt den Menschen sehr schwer, sich auf so ein Phantasiespiel einzulassen. Was wäre wenn? Was wäre, wenn München eine Hafen hätte? Was erträumen Sie sich denn? Nichts, hat eine Frau gesagt. Kann man doch sowieso alles nicht bezahlen. Das ist doch nicht real, also ist es Quatsch. Acht riesige Seecontainer auf dem Stachus, einem der belebtesten Plätze Münchens. Dazu drei Bautafeln, die die Vorhaben ankündigen: Hafen, Skytrain und MÜNJING Gästehaus, ein reisiger, 380 Meter hoher Wolkenkratzer. In den Containern hat sich die letzte Woche ein wuseliger Basar angelagert. Münchner Initiativen, die mit Flüchtlingen arbeiten, Tauschbörsen, Eigenarbeistinitiativen und und und haben zwei Tage lang ihre Arbeit präsentiert. Wir machen München solidarischer, bunter, einfach besser, das war das Motto.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Mittwoch kam dann Café Freiheit. Menschen konnten eine Rede halten zum Thema Freiheit und es gab Bier und Suppe und dann gabs noch die wunderbare Lesung mit jetzt.de: Michal Hvorecky aus Bratislava hat aus seinem Buch vorgelesen und sehr interessante Sachen aus der Boomtown Bratislava erzählt. Und gestern hat MünchenPolis am Hafen diskutiert, ob München nun eine metropole ist oder nicht und am Abend war das Immigrationskontor der Transnationalen Republik an den Landungsbrücken von MÜNJING geöffnet. Wir haben bis zwei Uhr nachts auf dem Stachus gefeiert und der Platz, der normalerweise nur von Shoppern und MCDonalds- Besuchern bevölkert wird, war plötzlich eine echte Hafenmeile mit interessanten und zweilichtigen Gestalten. Es wurden echte Hasen gegrillt. Es geht doch mehr in München, als man immer glaubt. Aber das geht wahrscheinlich auch alles nur, weil wir diese Institution Kammerspiele im Rücken haben. Als reine Privatinitiative wäre das alles wahrscheinlich nicht machbar: Keine Genehmigungen etc. Heute Abend ist letzter Abend im Hafen, morgen ist letzter Abend in der "Praxis Fassbinder". Am Hafen gibt es heute noch eine kleine Überraschung, bin gespannt ob sie uns gelingt – wir werden dann wissen, wem die Stadt gehört. Wir sagen ADIEU BUNNYHILL. Mehr sag ich jetzt auch nicht mehr. Hat Spaß gemacht. Und danke an alle, die mitgeholfen haben, dass München für sechs Wochen ein bischen anders war als sonst. Ahoi! Fotos: Kammerspiele München