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Brexit: Die Game-Startups ziehen weg
„Wir möchten nicht wegziehen, denn wir lieben Cornwall“, sagt Katie Goode und legt die Stirn unter ihrem Pony aus pinken Haaren in Falten. Goode, 30, ist Creative Director des kleinen Entwicklerstudios „Triangular Pixels“, das vor allem Spiele für Virtual Reality (VR) produziert. Eigentlich war sie dabei eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Ihr zweites VR-Spiel wurde dieses Jahr für die British Academy Film Awards (BAFTA Awards) in der Kategorie Games Innovation Award nominiert und Goode stand bereits auf der Liste von Großbritanniens Top-30-Entwicklern unter 30.
Aber seit eine knappe Mehrheit in Großbritannien vor fast einem Jahr für einen Austritt des Landes aus der EU gestimmt hat, ist für das Mikro-Unternehmen vieles schwieriger geworden. „Wir haben die Auswirkungen des Votums eigentlich direkt zu spüren bekommen“, sagt Goode. Der Kurs des Pfund war einen Tag nach dem Referendum eingebrochen, um zehn Prozent im Vergleich zu US-Dollar, der niedrigste Kurs seit über 30 Jahren.
Der Gewinn, den Triangular Pixels mit ihren Spielen über die Vertriebsplattform Steam macht, wird in Dollar ausbezahlt. Davon profitiert das Unernehmen gerade. Andererseits überlegt sich Goode heute zweimal, ob sie Entwickler aus dem EU-Ausland engagiert. Das sei mit dem jetzigen Pfund-Kurs einfach zu teuer, sagt sie. Der freie Austausch von Arbeitskräften zwischen Großbritannien und der EU ist also schon heute eingeschränkt, obwohl beide Länder noch den gleichen Binnenmarkt teilen. „Vor allem den kleinen Unternehmen macht der Brexit zu schaffen“, meint Goode. Denn die Investoren zögern wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage auch, ihr Geld in britischen Start-Ups anzulegen.
Laut einer Umfrage des britischen Verbandes der Spiele-Industrie Ukie, können sich bereits vierzig Prozent der Unternehmen vorstellen, nach dem Brexit das Land zu verlassen. Welche Auswirkungen das auf die britische Wirtschaft hätte, ist noch nicht vorhersehbar. Bisher ist Großbritannien der wichtigste Standort der Spiele-Branche in Europa. Rund 2000 Firmen gibt es im Land, die Spiele entwickeln oder publizieren. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 521.
Am wichtigsten sei es, dass weiterhin die besten Spieleentwickler in Großbritannien arbeiten könnten, sagt Richard Wilson. Er ist CEO von TIGA, einem Verband, der die Interessen der britischen Spieleindustrie vertritt. „Um Video-Games herzustellen, braucht es kreative und gut ausgebildete Menschen.“ Die Eigenschaften, die man in der Branche mitbringen müsse, seien schon sehr speziell, sagt Wilson. Deshalb suchen die Unternehmen auf der ganzen Welt nach passendem Personal. Laut der Ukie-Studie beschäftigen 57 Prozent der Spiele-Unternehmen Mitarbeiter aus dem EU-Ausland, 38 Prozent haben Angestellte aus anderen Ländern der Welt.
Rami Ismail ist viel unterwegs. Wer ihn anrufen will, findet auf seiner Website die Bitte, vorher nachzuschauen, in welcher Zeitzone Ismail sich gerade befindet. Ein Link verrät, dass Ismail gerade in Großbritannien ist. Der 28-jährige Spieleentwickler, mit einem eigenen Studio in den Niederlanden, arbeitet an vielen verschiedenen Orten rund um den Globus, hält Vorträge auf Konferenzen und unterstützt Entwickler, die ihr eigenes Start-Up gründen wollen. „Die Branche ist global und abhängig von einer stabilen digitalen Infrastruktur. Die Menschen müssen zwischen Jobmöglichkeiten und Events hin- und herreisen können“, sagt Ismail.
Der Entwickler beschreibt die Stimmung in der britischen Branche als „vorsichtig sorgenvoll.“ Vor allem die Unsicherheit mache allen zu schaffen. Wer ein Unternehmen in der Kreativbranche führt, müsse ohnehin jeden Tag mit vielen Unwägbarkeiten umgehen. „Wenn es jeden Monat von dramatischen politischen und ökonomischen Veränderungen abhängt, ob du deinen Mitarbeitern am Ende des Monats den Lohn bezahlen kannst, wird es nicht einfacher“, sagt Ismail.
Katie Goode stört nicht nur die wirtschaftliche Stimmung im Land: „Ich bin mit der immer rechteren und nationalistischen Agenda der Regierung nicht einverstanden.“ Dass sie nicht die einzige in der Branche ist, die so denkt, zeigt sich daran, dass schon einige junge Spielentwickler Großbritannien verlassen haben.
James Lane, gebürtiger Brite, ist einer von ihnen. Er ist nach Spanien ausgewandert und arbeitet jetzt in Barcelona in einem Studio von King, einer Spiele-Firma, die vor allem mobile Games produziert. Lane hat viel zu tun, denn eine Deadline naht. Aber das Thema beschäftige ihn, deshalb opfert er seine Kaffeepause.
Vor anderhalb Jahren ist Lane nach Spanien ausgewandert. Schon damals habe er die gesellschaftlichen Veränderungen in Großbritannien gespürt, die 2016 zum Brexit geführt haben, sagt der 44-Jährige. “Die Menschen merken, dass die Verteilung von Wohlstand immer ungerechter wird. Viele sind wütend und haben Sündenböcke gesucht“, glaubt Lane. Der Brexit-Kampagne sei es gelungen, das Establisment für die Probleme der Armen Verantwortlich zu machen, sodass viele Menschen aus Protest für den Brexit stimmten. „Aber sie haben gegen die falschen Leute gestimmt“, meint Lane. Er glaubt, dass der Brexit die armen Menschen im Land noch mehr abhängen wird.
Deshalb hat er erst einmal nicht vor, zurückzugehen. Selbst wenn Theresa May die Parlamentswahlen verloren hätte, hätte sich daran nichts geändert. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und damit die Möglichkeit sich im Land wieder wohl zu fühlen, würden viel länger dauern, sagt er.
Auch Goode und ihr Ehemann überlegen, aus Cornwall wegzugehen. Zwar haben sie Triangular Pixels dort gegründet, aber: „Wenn Schottland in der EU bleibt, würden wir dorthin gehen“, sagt die 30-Jährige. Sonst werde es wahrscheinlich Irland. Allerdings sei es schwierig, den richtigen Zeitpunkt einzuschätzen: „Sollen wir jetzt umziehen, weg von Familie und Freunden oder sollen wir abwarten, wie sich die Lage entwickelt? Dann reicht aber unser Kapital vielleicht nicht mehr für einen Umzug.“
Dieser Artikel gehört zu einer Reihe von Artikeln, die sich mit Grenzen in und um Games auseinandersetzen. Alle Artikel findest du hier: www.grenzgamer.com