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In dieser Redaktion dürfen Frauen nicht schreiben

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Die Serie:

Das größte Kompliment, das eine Frau in dieser Redaktion bekommen kann, ist „Atta Girl“. Und es muss von einem Mann kommen. Am besten vom Chef. Wenn der „Atta Girl“ (also etwa: „braves Mädchen“) zu ihr sagt, dann hat sie einen guten Job gemacht.

Das ist die Ausgangslage für die Frauen in „Good Girls Revolt“. Die Serie spielt Ende der Sechziger Jahre in der New Yorker Redaktion des Magazins „News of the Week“, in der die Männer die Schreibarbeit machen und die Frauen den Rest, dabei aber bitte auch noch gut auszusehen und ständig zu lächeln haben. Jeder Reporter hat eine weibliche Rechercheurin an seiner Seite, die ihm sehr viel Arbeit abnimmt, aber niemals eine Autorenzeile im Magazin und nur ein Drittel des Reporter-Gehalts bekommt. „Frauen schreiben bei News of the Week nicht“ ist eine eiserne Regel, die niemand in Frage stellt. War halt schon immer so. 

Gleichzeitig gehen draußen allerdings Feministinnen auf die Straße und kämpfen für Gleichberechtigung. Die Frauenbewegung erreicht schließlich auch die „News of the Week“-Redaktion. Die ambitionierte Patti und die in einer unglücklichen Ehe gefangene Cindy erfahren von ihrer neuen Kollegin Nora, dass es seit dem Civil Rights Act von 1964 illegal ist, ihnen zu verbieten, die gleichen Jobs zu machen wie Männer. Nora stellt den Kontakt zu einer Anwältin her, die vorschlägt, bei der EEOC (der Bundesbehörde für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz) Beschwerde einzureichen – und wenn das nicht wirkt, zu klagen. Dafür müssen Patti und Cindy allerdings so gut wie alle ihre Kolleginnen von dem Vorhaben überzeugen, darunter auch die schwer zu knackende Jane, die eigentlich bloß darauf wartet, endlich von ihrem Freund geheiratet zu werden, und nicht so arg viel von „Karriere-Frauen“ hält.

Nebenher müssen sich alle Beteiligten mit harter Magazin-Konkurrenz wie dem „Rolling Stone“ und einer überwältigenden Nachrichtenlage von Bürgerrechtsbewegung über Vietnamkrieg bis hin zu einem Bombenanschlag rumschlagen – und mit diversen Liebschaften zwischen Reportern und Rechercheurinnen.

Obwohl das Magazin fiktiv ist, basiert die Geschichte auf wahren Begebenheiten: 1970 verklagten Mitarbeiterinnen von „Newsweek“ ihre Redaktion wegen Geschlechterdiskriminierung – und gewannen. Die Klage wurde damals von der Anwältin und Bürgerrechtsaktivistin Eleanor Holmes Norton geleitet, eines der Details, die für „Good Girls Revolt“ übernommen wurden. Die neue Kollegin Nora, von der oben die Rede war, ist in der Serie die Autorin und Regisseurin Nora Ephron – die tatsächlich mal bei „Newsweek“ gearbeitet hat, allerdings nicht als Rechercheurin, und den Anstoß für die Klage hat sie wohl auch nicht gegeben. Hier oder hier kann man nachlesen, welche Fakten aus der wahren „Newsweek“-Geschichte und generell aus den Sechzigern und Siebzigern übernommen wurden und wie die Autoren sie zum Teil an die Erzählung angepasst haben (Achtung, Spoiler!).

Wo findest du die Serie?

Auf Amazon Video.

Der Zeitaufwand:

10 Folgen à 60 Minuten. Ein Wochenende reicht also locker.

Wie kannst du das vor deinem Gewissen rechtfertigen:

„Good Girls Revolt“ ist total unanstrengender Geschichtsunterricht. Die Serie ist sehr unterhaltsam, weil gar nicht mal so komplex und mit einem Haufen Figuren bevölkert, mit denen man sich leicht identifizieren kann. Deren „Entwicklungen“ sind zum Teil zwar ziemlich schablonenhaft und vorhersehbar, und sie neigen außerdem dazu, dem Zuschauer die Handlung zu erklären, damit auch noch der Letzte checkt: „HIER WERDEN FRAUEN DISKRIMINIERT“. Dafür gibt es Punktabzug – aber Pluspunkte dann wieder dafür, dass die Serie es schafft, nicht „die Frau“ als armes, unterdrücktes Wesen und „den Mann“ als größten Feind der Gleichberechtigung zu porträtieren, sondern dass sie ganz klar „dem System“ die Schuld gibt.

Es wird deutlich, wie tief verwurzelt die Rollenbilder sind und wie klar das Einvernehmen darüber, welche Verhaltensweisen für Frauen „richtig“ und welche „falsch“ sind. Wie fest viele Frauen davon überzeugt sind, dass heiraten und Kinder kriegen, sich jeden Morgen hübsch machen und den ganzen Tag lächeln, über sexistische Witze lachen und den Herren Kaffee holen, ihre Pflicht ist. Und wie sehr sie gegen ihre eigenen Wünsche ankämpfen – nicht, weil sie wissen, dass sie sie sowieso nicht werden umsetzen können, sondern weil da diese tiefe Gewissheit ist, dass es an sich schon unmoralisch ist, sie zu haben.

Das „System“, in dem die Frauen gefangen sind, umfasst auch die seltsame sexuelle Dynamik zwischen ihnen und den männlichen Kollegen. Nicht nur Arbeiten auf Augenhöhe ist für alle in der Redaktion ein völlig fremdes Konzept, sondern auch das Trennen von Arbeit und Zwischenmenschlichem. Flirten gehört so sehr zum Job-Alltag dazu, dass es fast unschicklich wäre, es nicht zu machen. Zumindest würde es die Stimmung vergiften. Und das stellt die Revolutionärinnen vor ein zusätzliches Dilemma: Sie müssen ihren Kollegen, mit denen sie so eng verbandelt sind, in den Rücken fallen.

Die Männer in der Redaktion hingegen sind nicht einfach die Bösen, sondern erfüllen genauso die ihnen zugewiesenen Rollen wie die Frauen und kämpfen mit eigenen Unsicherheiten und Ängsten. Niemand in der Redaktion der „News of the Week“ hat das Gefühl, dass jemand dort unfair handelt oder behandelt wird. Ein einfacher Verweis auf die moralischen Ungerechtigkeit würde auch niemanden davon überzeugen – erst, als sie erfahren, dass geltendes Recht verletzt wird, werden die Frauen aktiv. Und denen, die es nicht werden, kann man es als Zuschauer auch nicht verübeln, weil klar wird, wie viel für sie auf dem Spiel steht: Wenn sie ihre Job verlieren, haben sie gar nichts mehr, das ihnen alleine gehört.

So fühlst du dich nach der Serie:

Dieser Text ist von einer Autorin verfasst worden, und die würde sagen: irgendwie wütend (auf das System). Aber irgendwie auch stolz (auf starke Frauen, die diesen Kampf ja auch für unsere Generation geführt haben). Glücklich, nicht in den Sechzigern und Siebzigern zu leben (weil heute vieles einfacher ist). Aber auch etwas traurig darüber (Nostalgie-Effekt). Wie Männer sich danach fühlen? Keine Ahnung – also sagt Bescheid, wenn ihr's angeschaut habt!

Und jetzt?

Könntest du das Buch lesen, auf dem die Serie basiert: „The Good Girls Revolt“ von Lynn Povich.

Wenn du lieber weiter Serien schauen magst, läge „Mad Men“ nahe, denn das spielt ebenfalls in den Sechzigern und ebenfalls in New York, in einer ähnlichen Branche, nämlich der Werbung, es wird noch mehr getrunken und geraucht, und die Frauen haben's auch nicht leicht. Und für mehr Frauen mit Wumms und Mumm gäbe es zum Beispiel: „Girls“ (emanzipierte, aber sehr anstrengende junge Frauen in New York), „Broad City“ (emanzipierte, aber sehr durchgeknallte junge Frauen in New York), „Masters of Sex“ (Sexualforschung in den Fünfzigern, überwiegend weibliches Autoren-Team und Sexszenen nicht nur um der Sexszenen Willen), „Jessica Jones“ (weibliche Superheldin) oder „Veep“ (fiese Vizepräsidentin).  

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