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Binge-Watching: "Keeping up with the Kardashians"
Die Serie:
Der Mensch braucht ein Dach über dem Kopf, eine warme Mahlzeit am Tag, und ein paar Zeitgenossen, die ihn schätzen und mögen. Alles, was Mensch darüber hinaus fordert, ist ein Luxusproblem – behaupten zumindest die Asketen. In Wahrheit gibt es zwischen menschlichen Grundbedürfnissen und #firstworldproblems noch diese Grauzone. Der Kardashian-Clan, um den es hier gehen soll, lebt im Luxus – und kämpft mit Problemchen aus dieser Grauzone. Zum Beispiel werden auch ihnen Handtaschen, mitsamt allen Papieren, am Flughafen gestohlen. Nur, dass das dann eben welche von Louis Vuitton gewesen sind.
Das US-Reality-Format “Keeping up with the Kardashians” begleitet Kris und ihre Töchter, die in Los Angeles und der Welt wohnhaft sind. Sie heißen Kim, Khloé und Kourtney, die Halbschwestern sind Kendall und Kylie. Männer tauchen zwar auch auf, aber nur die sechs Frauen kommen ausführlich zu Wort. Keine von ihnen hat Geldsorgen, aber jede hat andere Macken – für Schwung, beziehungsweise Zoff, in den schwesterlichen Beziehungen ist also gesorgt. Warum die Kardashians eine eigene Show bekommen haben, ist schwer zu sagen – jedenfalls nicht wegen irgendwelcher außergewöhnlichen Jobs, die sie gehabt hätten. Ihr Job ist diese Show. Sie sind berühmt fürs Berühmtsein.
Die bekannteste, Kim, wurde durch ein privates Sexvideo berüchtigt, ist mit Kanye West verheiratet (der Rapper bezeichnet die Serie übrigens als “Kunst”) und zeigte auf einem Magazin-Cover ihren blankgezogenen Po. Dieses Foto parodierte Jan Böhmermann Anfang 2015 im Zeitmagazin. Nicht nur deshalb kann es keinen Schaden anrichten, in die Show zumindest einmal reinzusehen.
Viele sehen in “Keeping up with the Kardashians” nämlich den Untergang der Kultur. Die Kritiken sind und waren durchgehend schlecht: Diese Egozentrik! Diese Selbstvermarktung – aber von was eigentlich? Talent sehen wir hier keines! Trash! Das mag alles zutreffen, interessanterweise befindet sich “Keeping up with the Kardashians” aber inzwischen in der 12. Staffel und hat in den USA hohe Einschaltquoten.
So richtig als Broterwerb anerkennen, was die Kardashians da treiben, will keiner – dennoch sehen genug Menschen zu, um ihnen eben diesen Broterwerb zu sichern. Sie wollen einfach mal die Reichen und Schönen beim Reich-und-schön-sein beobachten. Welche wohltuende Wirkung man daraus ziehen kann, dazu gleich mehr.
Wo findest du die Serie?
Die Kardashians gibt es nicht ganz billig. Die Show läuft immer mal wieder auf MTV oder Viva; bei Amazon Video kann man einzelne Folgen kaufen, oder man ersteht die DVDs.
Der Zeitaufwand:
176 Folgen von jeweils 22 und 42 Minuten machen gut 6000 Minuten, das sind 100 Stunden. In etwa vier Tagen ist es also möglich, mit den Fährnissen des Kardashian-Clans up zu keepen.
Wo du Zeit sparen kannst:
Such es dir aus. Im Grunde überall. “Keeping up with the Kardashians” ist Reality-TV, und weil das Leben nun mal keine Dramaturgie hat, sondern auch bei den Kardashians mal besser, mal schlechter läuft, kann man bei jeder Folge einsteigen.
Warum sollte ich mir das antun?
Die Verbindung von großem Reichtum und kleinen Problemen hat Komik. Deshalb – aber nur deshalb – sind die Einlassungen der Kardashians oft witzig. Die Show zeigt dir, dass Geld das Leben nicht aufregender oder sorgenfreier macht. Also kannst du dich erst mal entspannen. Die Grauzone an Problemen, die zwischen menschlichen Grundbedürfnissen und #firstworldproblems liegen, ist nämlich groß. Sehr groß. Enorm.
Geld verhindert deshalb nicht, dass deine Schwester eine Bitch sein kann (sie lacht wenn du weinst, weil du dabei so hässlich aussiehst). Geld verhindert nicht, dass das waxing deiner Bikinizone wehtut (zumindest noch nicht). Und Geld verhindert nicht, dass du ein Trampel bist und deinen 75.000-Dollar-Ohrring in den Ozean fallen lässt.
Nur eine Folge von “Keeping up with the Kardashians” wirkt gegen die kleinen Unzufriedenheits-Anfälle, die man hin und wieder so hat. Denn das Leben ist selbst mit viel Geld manchmal einfach nur eine Zumutung. Die Trauer über den Ohrring können wir deshalb nachvollziehen. Wir finden es auch doof, Sachen zu verlieren. Tut uns also leid für dich, Kim.
Falls wir deinen 75.000-Dollar Ohrring zufällig finden sollten, geben wir ihn aber nicht zurück, sondern verhökern ihn auf Ebay, ja? Kauf dir doch einfach einen neuen!
So fühlst du dich am Tag danach:
Falls du Geschwister hast, freust du dich darüber, dass ihr viel besser rumblödeln könnt als die Kardashians. Außerdem ziehst du dir etwas Buntes an, denn bei den Reichen und Schönen ist ja immer alles weiß und beige. Wonach dir nicht ist: Die Kardashians auch noch auf Instagram, Snapchat oder Twitter zu checken. Dort geben sie ebenfalls ständig Lebenszeichen. Was die Frage aufwirft: Werden Instagram, Snapchat und Twitter das klassische Reality-TV erledigen? “Keeping up with the Kardashians” wurde ja 2006 erfunden.
Und jetzt?
Falls du es mit reichen US-Familien hast, siehst du dir “The Brady Bunch” an. Die sind sowas wie die Kardashians, nur in den 1970ern. Falls du es mit verkrachten Familien und Rock’n’Roll-Attitüde hast, wäre “The Osbournes” zu empfehlen, das Reality-TV-Format über Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne und seine Sippe.