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Psychologin gibt Ratschläge bei Partner:innen mit Depression
Triggerwarnung: In diesem Text geht es auch um Suizid.
Ist der Partner oder die Partnerin depressiv, fällt die Liebe nicht immer leicht. Oft ist die Beziehung überschattet von Wut, Trauer, Verzweiflung, aber auch Schuldgefühlen. Was kann eine Beziehung aushalten? Wie kann man dem oder der Erkrankten helfen? Und wo sollten Angehörige eigene Grenzen ziehen? Das erklärt Gabriele Pitschel-Walz, leitende Psychologin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München im Telefoninterview.
jetzt: Frau Pitschel-Walz, woran merke ich, dass mein Partner an einer Depression leidet?
Gabriele Pitschel-Walz: Jeder Mensch hat mal Stimmungsschwankungen. Aber wenn jemand zwei Wochen lang ständig gedrückter Stimmung ist, sich zurückzieht, ihm der Antrieb fehlt und er vielleicht gar nicht mehr aus dem Bett rauskommt, gehen wir von einer Depression aus. Er verliert für Dinge, die sonst Spaß machen, das Interesse.
Wie sollte man reagieren, wenn sich der oder die andere immer mehr zurückzieht?
Wenn das einmal vorkommt, lässt man ihn ausruhen. Aber geht das mindestens zwei Wochen so, sollte man wirklich zur Sprache bringen, dass man sich Sorgen macht. Wichtig ist auch zu fragen, was der andere möchte: Soll ich mich da raushalten oder ist es dir recht, wenn ich mich kümmere? Oft wird ja nicht darüber geredet, was die Bedürfnisse sind. Dabei ist das oft erleichternd für Betroffene.
Viele haben Angst, im Gespräch über die Erkrankung etwas Falsches oder Unangebrachtes zu sagen. Was hilft und was ist kontraproduktiv?
Kontraproduktiv ist, wenn man Druck aufbaut: „Jetzt steh endlich auf, das Wetter ist schön, sei nicht so faul“. Das sind direkte Angriffe, die sollte man unterlassen. Trotzdem ist wichtig, dass man dranbleibt und dem Partner immer wieder Angebote macht, die ihn motivieren: „Ich gehe jetzt spazieren, magst du mitkommen?“ Wenn aber derjenige sagt: „Ne, im Moment geht’s nicht“, sollte man nicht darauf beharren.
Wie kann man im Alltag noch unterstützen?
Oft fällt es Betroffenen schwer, Dinge zu tun, die sonst ganz leicht von der Hand gehen. Das geht über die Körperhygiene bis hin zu Haushaltstätigkeiten. Da hilft es manchmal, wenn man kleine, konkrete Tätigkeiten übergibt. Wenn man zusammen kocht, kann man fragen: „Schneidest du die Tomaten, ich mache den Rest?“ Dann ist derjenige beteiligt, aber wird nicht überfordert. Die andere Gefahr ist nämlich, dass man alles von den Aufgaben übernimmt und der Betroffene sich total unbrauchbar oder unnütz fühlt, was wiederum die Depression verstärken kann.
„Es gibt immer mehrere Ursachen für eine Depression – Auch eine Beziehung kann ein Risikofaktor sein“
Angehörige suchen die Schuld für die Depression oft bei sich selbst. Zurecht?
Es gibt immer mehrere Ursachen für eine Depression. Die Genetik, welche Erfahrungen man in der eigenen Lebensgeschichte gesammelt hat, andere Erkrankungen oder akuter Stress. Dieser Stress kann auch Beziehungsstress sein. Etwa wenn man sich immer wieder zofft und bestimmte Beziehungsmuster da sind, die nicht guttun. Dann ist die Beziehung ein Risikofaktor.
Und wenn die Beziehung eigentlich gut läuft?
Dann fragt man oft den Partner, was los ist. Das erlebt der Betroffene dann wieder als Druck, denn er weiß ja meist selbst nicht, was mit ihm vorgeht. Gerade Männer reagieren darauf eher genervt und sagen „Lass mich in Ruhe” oder „Frag doch nicht dauernd”. Als Partner ist das gar nicht leicht auszuhalten. Und wenn man zurückgewiesen wird, kommen wieder die Gedanken, dass das vielleicht doch an mir liegt.
Eine Freundin erzählte mir, dass ihr Partner im Streit sein Fehlverhalten oft damit erklärt, dass er depressiv sei. Er habe daher keine Lust mehr, mit ihr zu diskutieren. Wie viel Rücksicht muss man in dieser Situation auf die Erkrankung seines Partners nehmen?
Das ist eine häufige Frage im Gespräch mit Angehörigen: Kann der nicht oder will er nicht? Wie viel ist Bequemlichkeit und was ist tatsächlich die Depression? Deswegen sollte das mit professioneller Hilfe abgeklärt werden. Man kann dann als Angehöriger eher unterstützend tätig werden und ist nicht der Hauptverantwortliche. Viele denken ja, mit Liebe und Zuneigung allein kann ich helfen, diese Depression zu überwinden.
Und das funktioniert nie?
Liebe ist wichtig, aber kann keine Depression heilen. Depression ist eine Erkrankung.
Was hilft stattdessen?
Zunächst einmal Aufklärung und Beratung über Depressionen und was man selbst tun kann. Das können die Hausärzte übernehmen, Psychotherapeuten, Psychiater oder auch die Selbsthilfeorganisationen. Bei schwereren Depressionen sollte man auf alle Fälle eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung einsetzen.
„Man muss nicht in dem Moment, in dem alles hochkocht, alles ausdiskutieren“
Darf ich für Betroffene einen Arzt- oder Therapietermin ausmachen, wenn er oder sie selbst keine Initiative ergreift?
Man kann natürlich etwas ausmachen, aber dann ist die Frage, ob derjenige das auch in Anspruch nimmt. Und es erhöht vielleicht den Druck. Man sollte also zunächst vor allem darauf hinweisen. Vielleicht auch mal entsprechende Literatur auf den Tisch legen.
Und wenn alles nichts bringt? Sollte oder kann man im Notfall zwangseinweisen?
Nein, das geht nicht. Dazu sind Angehörige nicht befugt. Aber wenn die Depression stark ist und Suizidalität im Raum steht, kann man den Notarzt oder auch einen Krisendienst anrufen. Da kommt dann ein Fachkrankenpfleger, der darauf spezialisiert ist und mit dem Betroffenen redet. Wenn es erforderlich ist, kann man noch einen Psychiater einbeziehen, der in Rufbereitschaft ist. Der kann entscheiden: Ist es schon so bedrohlich, dass eine Klinikeinweisung notwendig ist? Viele Betroffene gehen dann freiwillig in eine Klinik. Bei einer Zwangseinweisung wegen akuter Selbstgefährdung muss ein Richter in die Klinik kommen und die Situation beurteilen.
Wenn man nochmal auf die Streitsituation zurückkommt, in der keine akute professionelle Hilfe zur Stelle ist: Wie beende ich den Streit?
Man muss nicht in dem Moment, in dem alles hochkocht, alles ausdiskutieren. Für einen Partnerkonflikt ist es immer gut, wenn der eine sagt: Jetzt machen wir mal eine Redepause. Wir gehen auseinander und jeder tut was für sich. Dann können wir zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht nochmal über dieses Thema sprechen.
Mit Freund:innen unterwegs sein und Spaß haben, wenn der Partner zuhause sitzt – das fühlt sich oft falsch an, gleichzeitig braucht man diese Zeit, um auch mal abzuschalten. Wie viel darf und muss man in einer Beziehung auf sich selbst achten?
Dieses schlechte Gewissen kommt automatisch. Aber wenn ein Partner depressiv ist, ist er meist nicht in der Lage, Liebe zu geben. Das ist auch für den gesunden Partner eine schwierige Situation. Es hilft, sich klarzumachen: Ich muss etwas für mich tun, um wieder Energie aufzutanken, um nicht selbst ein Burnout oder eine Depression zu entwickeln.
Halten Sie es für vertretbar, mit einem depressiven Partner Schluss zu machen?
Das ist eine schwierige Sache. Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen. Ich habe aber auch schon erlebt, dass beim Partner einfach die Energie nicht ausreicht. Oder jemand ist sehr empathisch, leidet dadurch sehr stark mit und will sich zum Eigenschutz trennen. Dann kann man sagen: Wir ziehen uns gegenseitig runter und es vielleicht besser, wenn wir uns trennen.
Auch wenn der oder die Betroffene sehr instabil ist?
Man würde dann vielleicht nicht gerade in der Krankheitsphase die Trennung vollziehen, sondern zusehen, dass der Betroffene zumindest in Behandlung ist. Dass man ihn nicht alleine lässt in einer schwierigen Situation.
Das heißt also, gemeinsam bis zum Schluss?
Ja. Wenn man das schafft.
Anmerkung der Redaktion: Wenn du dich selbst von Depressionen oder Suizidgedanken betroffen fühlst, kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge oder U25. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 gibt es Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.