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Berlinkolumne. Von Pankow nach Eritrea

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Die Hand voll Auslandsvertretungen, die aus der Konkursmasse der DDR übrig geblieben sind, liegt gar nicht weit weg von mir. Vielleicht 15, 20 Fußminuten, und ich stehe im früheren Botschaftsviertel Ost-Berlins. Ein bisschen sieht es hier so aus, als hätte ein Riese mit Klötzen gespielt, ein Minidorf aus dem Systembaukasten hingestellt, mitten in eine eigentümlich vernieselte graugrüne Wald- und Wiesenecke der Stadt. 20, 25 Häuser stehen da, und sie sind alle gleich, zumindest in ihren groben Zügen. Eckig, vor allem. Funktional, sagte man in den 70er-Jahren, als sie gebaut wurden. Pankow, eigentlich so eine Art etwas tüdelige Grande Dame, wirkt hier plötzlich eigentümlich gesichts-, geschlechts und zeitlos. Dass hier immer noch Macht ausgeübt wird, sieht man kaum. Es ist niemand unterwegs, wirklich niemand. Die Fahnen der Länder, die von hier aus ihren Geschäften nachkommen, kennen wohl die wenigsten. Republik Moldau, Staat Eritrea, solche Länder sitzen hier. Später lese ich, dass auch Kuba hier seine Auslandsvertretung hat. Eigentümlich. Ich muss daran vorbei gegangen sein, habe sie aber nicht gesehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich kenne mich leider mit Architektur nicht aus. Aber ich weiß, was ich nicht mag. Es gibt ein paar Stellen in Berlin, die diese Erkenntnis stetig bestätigen. Zum Beispiel am Alexanderplatz, wo sich gleich zwei Gebäude einen Wettkampf um die Krone der Hässlichkeit liefern. Da ist einmal der Kaufhof mit seiner öden, latent international wirkenden Allerweltsnoblesse. Kann man in die Tonne treten. Zwei Minuten weg liegt das neue Einkaufszeitrum Alexa herum und sieht aus wie ein gestrandeter, rostroter Riesenwalfisch, der an einer Überdosis Waschmaschinen und Levis-Jeans erstickt ist. Wie bitte, kann man so etwas bauen? Vor allem an dieser Stelle? Im Angesicht dieses Monstrums wirken die gegenüber liegenden Bauwerke wie völlig verschüchterte Kleintierchen, und das ist schade. Denn sowohl das Haus des Lehrers mit seinem Wandmosaik als auch die Kongresshalle daneben sind ausgesprochen formschön. Übrigens: Fast zeitgleich mit der großflächigen Bebauung an der Karl-Marx-Allee entstand auch im Westen Aufregendes: Das während des Zweiten Weltkriegs zerstörte Hansaviertel am Rande des Tiergartens wurde im Rahmen einer Baumesse als Mustersiedlung wieder aufgebaut - von Architekten wie Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer, Sepp Ruf und Walter Gropius. Das Schöne: Im Prinzip ist das ein Museum, aber eines, das lebt und in dem gelebt wird. Das darf man ganz offenbar sehen. Gerade die Einfamilienhäuser haben ordentlich Patina angesetzt. Verblüffend ist auch hier, dass sich niemand so recht dafür zu interessieren scheint. Zwar steht's in den meisten Reiseführern, zwar hat irgendein Unterstützerverein Schautafeln an der S-Bahn-Station Hansaplatz aufgestellt, aus denen hervorgeht, dass man damals mit der Seilbahn über die Baustelle fahren konnte - aber die beiden Male, die ich bisher da war, sah man kaum Touristen. Die englische Lifestyle-Postille Wallpaper widmete dem Viertel übrigens auch schon mal ein paar Seiten - und zeigte dabei auch das Innere der Wohnungen, was teilweise schon eine ganz schöne Zeitreise war. Bei meinem letzten Besuch versuchte ich es mit verstohlenen und eher halbherzigen Fensterblicken. Irgendwie gewann dann doch der gute Anstand über meine Neugierde. Es gibt einen Berliner Immobilienhändler, der sich auf die Bauten im Hansaviertel spezialisiert hat. Ganz billig ist es nicht, hier zu wohnen, eine Dreizimmerwohnung schlägt dann doch mit 250.000 Euro zu Buche. Aber hey, dafür kommt man vielleicht ins Wallpaper. Aber irgendwie würde ich lieber in Pankow residieren. Ganz offenbar wollen die Länder da eher weg als hin, wollen sich lieber da zeigen, wo man sie auch sieht. Am Tiergarten zum Beispiel, gar nicht weit weg vom Hansaviertel. Da haben sich Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden zum Beispiel ein Gemeinschaftshaus hingestellt, das mit dem eher pragmatischen Ansatzvergleichbarer Institutionen kaum etwas zu tun hat und stattdessen zumindest seine Außenwirkung über Ausstellungen und Konzertsäle erzielt. Ich mag es da ganz gerne, an einer Ecke liegen Steine herum, die wirklich ein bisschen so aussehen wie die in Island. Trotzdem: Pankow fasziniert mich eher. Es wäre ganz nett, da irgendwo auf der Veranda zu sitzen, mit Moldau und Eritrea als Nachbarn, vielen Bäumen im Garten und relativ wenig Menschen auf der Straße. Wenn man ein bisschen im Internet herumsucht, findet man Leute, die genau das tun. In der "blauen Botschaft" haben sich drei Familien niedergelassen. Vorher wohnte hier einmal Laos, die sind jetzt in Grunewald. Dass die neuen Bewohner in die Renovierung eine Menge Geld steckten, ist klar. Dass da auch eine Menge Arbeit im Spiel war, kann man unter botschaft-pankow.blogspot.com nachlesen. Oder beim Spazierengehen anschauen.

Text: jochen-overbeck - Illustration: Katharina Bitzl

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