Erst kam die Polizei. Drei Wagen, vier, fünf, sechs Wagen. Dann noch mehr Polizei. Sieben, acht. Dann kamen die Demonstranten. Ungefähr 50, eingekesselt von 100 Polizisten in Straßenkampf-Montur. Dahinter noch mehr Wagen. Vom Fenster aus hörte man die Chöre nur als gebrüllten Soundbrei, aber es kam drin vor „Solidarität“ und „Tierbefreiung an jedem Ort.“
Ich habe einmal ein Tier befreit, eine Landschildkröte, aber das war aus Versehen, eigentlich hätte sie als Haustier in unserem Garten leben sollen. Da war ich ungefähr zehn. Wahrscheinlich hat es der Schildkröte nicht wirklich geholfen, denn spätestens im Winter hätte ich sie reinholen müssen. Seitdem beschränkt sich meine Solidarität mit Tieren auf ein sehr theoretisches Niveau.
Am letzten Wochenende habe ich Paul Watson getroffen, den Gründer von Sea Shepherd, einer Organisation, die gegen den Walfang und die Robbenjagd kämpft, und das sehr praktisch: Er fährt zum Beispiel mit einem Schiff den Walfängern hinterher und rammt sie. Und er hat schon im Hafen liegende Walfangschiffe versenkt (natürlich immer so, dass keine Menschen zu Schaden kamen). Paul Watson hält Gewalt gegen Sachen für vollkommen legitim, wenn er dadurch Meerestiere schützen kann. Er ist ein Held für Menschen, die „Tierbefreiung an jedem Ort“ fordern, und er ist tatsächlich ziemlich beeindruckend. Aber ist das, was er macht, okay?
Ich habe ein Gedankenexperiment versucht: Wenn ich an einem heißen Sommertag durch die Stadt gehe und sehe einen Hund eingesperrt auf der Rückbank eines Autos, wo er erstickt – schlage ich dann das Fenster ein? Es wäre Gewalt gegen Sachen, aber ich rette das Leben eines Hundes. Das Leben eines Wals müsste eigentlich noch mehr wert sein. Aber wie berechnet man den Wert? Wie wäre es mit einem Pferd? Einer Maus? Einem Gorilla? Einem Meerschweinchen?
Im Prinzip bin ich ganz offensichtlich für Tierbefreiung, denn ich würde das Autofenster einschlagen (oder einen Polizisten holen, der es für mich tut). Aber irgendwie nicht an jedem Ort. Ich finde nur die Grenze nicht, ab der ich dagegen bin. Die muss es doch geben – oder stelle ich mir das nur so vor?