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Im Gin Tonic-Land der Eitelkeiten: Backstage mit "Sport"
Das sind sie: Die Jungs von "Sport". (Foto: Sport) Das klingt nun zwar herrlich klischeebeladen, aber zum Interieur eines Backstage-Raumes gehört nun mal Gin Tonic. Denn nach dem Rausch auf der Bühne gibt es für den nächsten neben der Bühne nichts besseres als dieses leckere Gesöff. Das gilt für alle von uns. Und weil wir diese Mixtur lieben wie keine zweite, treibt das schon mal saftige Blüten: In Heidelberg beispielsweise betreibt ein Freund eine kleine Likör-Brennerei samt Spirituosen-Fachhandel. Und so sitzt die Vorfreude schon immer tief, wenn wir zu unseren Auftritten im Karlstor-Bahnhof aufbrechen, um auch gleich noch eine Kiste hausgebranntes für unsere Tour einzutüten. Vielleicht rührt dieses Laster auch aus vergangenen Tagen. Aus Tagen, in denen die Gruppe Sport noch in den Kinderschuhen steckte. Damals zogen wir noch von Jugendzentrum zu Spelunke durch die Lande und fanden uns am Ende des Tages meist auf einer Matratze im kalten Backstage-Raum wieder; wenn es ganz hart kam, leckte nebenan noch die Heizung und raubte einem den Schlaf. Schön, hart und dreckig eben. Dass die Kissen heute weicher sind, liegt natürlich in erster Linie am Ruf, der uns mittlerweile begleitet. Und an Michelle-Records, dem wundervollsten Schallplatten-Laden der ganzen Hansestadt Hamburg. In unregelmäßigen Abständen gehen dort immer hübsche Schaufenster-Konzerte über die Bühne, die für einen Plattenladen wohl einzigartig sein mögen – und dazu führten, dass unweit der Binnenalster schon famose Bands wie Fink, Tito & Tarantula oder Calexico die Auslage zierten. Die Sache mit unserem Label Fidel Bastro hatte sich nach all den Jahren schon etwas erschöpft, und so war für uns und unsere Label-Mates das Fidel-Bastro-Festival dort ein Geschenk des Himmels; konnten wir uns doch so von unserer dekorativsten Seite zeigen. Der Abend formte sich prächtig: Das Menschen-Knäuel vor dem Schaufenster amüsierte sich ausgelassen und drückte sich die Nase platt. Mittendrin auch irgendwo Christoph, Grundfeste von Michelle-Records. Nach dem Auftritt kletterte er denn auch reichlich beseelt in die Auslage, meinte, er bräuchte unbedingt eine Kostprobe von uns für seine Frau, die doch bei Strange-Ways-Records arbeite. Wir seien da wie geschaffen für! Seit letzten Sommer nun liegt unsere neue Platte „Aufstieg und Fall der Gruppe Sport“ im Schaufenster; veröffentlicht auf Strange-Ways-Records. Eine andere Geschichte führte mich unmittelbar ins Herz der süd-englischen Festival-Kultur. Genauer: zum All-Tomorrow's-Party-Festival, unweit von Minehead. Inmitten des idyllischen Butlin's-Ferien-Parks formiert sich dort seit der Millenniums-Wende eine handverlesene Portion Künstler, die sich vornehmlich aus dem Post- und Avantgarde-Rock sowie dem Underground Hip-Hop speist. Das Besondere daran: Das ATP-Festival ist eines von Künstlern für Künstler. Kuratiert wurde es erstmalig von Belle & Sebastian. 2003 schließlich führten Matt Groenig und Autechre Festival-Regie. Ich heuerte zu der Zeit als Roadie für das amerikanische Folk-Kollektiv Little Wings an, die damals zusammen mit A Silver Mount Zion eine kleine Europa-Tournee vor der Brust hatte. Wir Künstler wohnten allesamt in einer kleinen, schmucken Bungalow-Kolonie, die sich unmittelbar an das Festival-Gelände anschloss. Alle anderen Festival-Besucher wurden auf der anderen Seite in ihren Bungalows beherbergt, denn nur so gelangt man auf das Festival-Gelände. Das Festival war grandios gespickt: Aphex Twin, Built to Spill oder Cat Power schindeten ihr Equipment auf der Bühne. Mein Schwarm jedoch: Mike Watt und George Hurley, beides stilbildende Ikonen der amerikanischen Punk-Bewegung, und die Rumpf-Besetzung von Minuteman. Für den Abend vor ihrem Auftritt waren wir nun alle geladen. Es sollte dreckig gefeiert werden; und ich freute mich schon auf Gin and Tonic. Als es langsam in Mikes brechend vollem Bungalow gemütlich zu werden schien, stand George Hurley, der Schlagzeuger, im Türrahmen. In knielangen, aschfahlen Unterhosen. Mit nacktem Oberkörper. „The Party is over!“ meinte er nur trocken. „Mike, you have to go bed now!“. Das war es dann auch. Das Konzert am nächsten Tag war dann doch noch richtig gut. Und dreckig.