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"Eine Unterschrift? Das ist ein Segen!"

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So unterschreibt Lang Lang. Kommentar eines Autogrammsammlers: "Man muss wissen, dass er´s ist!" Gleich beginnt die Autogrammstunde mit dem Wunderpianisten aus Nordchina und der Moderator zündet Stufe eins seiner verbalen Rakete. „Das erleben nur ganz ganz Wenige, was wir heute haben dürfen!“ In den Gängen der Tonträgerabteilung eines Elektronikmarktes haben sich Menschen verfangen wie Flugsand. 200 sind es vielleicht, sie blicken auf eine Showbühne und einen Moderator mit Vfl Bochum-Anstecker am Revers. Lang Lang, 23, Willkommensapplaus, einige waren bei seinem Konzert am Vorabend im Gasteig und rufen bravo. Er spielt, seit er zweieinhalb ist und spricht über seine Kunst. „Für jedes Lebensjahr eine Stunde üben am Tag.“ Staunen, raunen, lachen. Vielleicht stimmt es ja? Der Mann ist aus China, Wunderland. Lang Lang schaut in sein Auditorium, als suche er Bekannte, derweil der Moderator an jeden Satz goldenes Lametta hängt und von einem „historischen Moment“ spricht. Vielleicht ist das das eigentliche Moderatorenbrot: Jede einzelne Sekunde einer Präsentation muss der Gewöhnlichkeit entrissen werden. Lang Lang lächelt. „Of course“, natürlich, leitet er seine Antworten ein. Ob er den Empfang super findet? Ob er es genießt, gefeiert zu werden? Ob er am Steinway spielen würde? Er sinkt an den Flügel und aus den Boxen dringt Schumann. Die Lüftung brummt. Einer Frau weit hinten ist die Sicht zur Bühne verdeckt, sie filmt den Fernseher, auf dem das Bühnenspiel zu sehen ist. Vielleicht dient eine Autogrammstunde nicht wirklich der Annäherung an den Star sondern der lustvollen Betonung der Distanz. Persönliche Unterschrift hin oder her, eine fröhliche Vergemeinschaftung findet hier nicht statt. „Herr Kuhlisch, bitte 266!“ tönt es aus den Deckenboxen, Lang Lang hört „Zugabe“-Rufe und fragt „What should I play?” Erst bleibt es still, dann aber reißt das Band der Schüchternheit. „Liszt!“ – „Mozart!“ – „Chopin!“ Lang Lang scheint die Zurufe zu sammeln wie Krokantbonbons und blickt traumverloren ins Publikum. Plötzlich sagt er: „I will play Mozart“. Er ist ein Theatraliker am Klavier und wirkt, als blicke er jemanden an, als tanze er mit einer Frau. Er weitet seine Augen, dann lächelt er, dann fällt seine Stirn in Falten und der Kopf sackt nach unten. Seine Hände spielen, sein Gesicht spielt. Ein Moment Innigkeit im Elektronikfachmarkt. Ein Mensch beim Für-sich-sein. Lang Lang tritt an ein Stehpult auf der Bühne, die Menschen drängen stumm zu seinen Füßen und könnten ihr Kinn auf den Tisch legen. Plötzlich schreit ein Mann der Security: „Treten Sie sofort einen Schritt zurück oder wir brechen ab.“ Der Moderator sagt zum Publikum: „Bitte, bleiben sie zivilisiert!“ Lang Lang fällt sein Lächeln aus den Mundwinkeln, auf dem Werbeaufsteller vom KlassikRadio steht „Bleiben Sie entspannt.“ Die Leute haben ein bisschen gedrängelt und formen nun brav eine Schlange und Lang Lang schreibt wieder und der Moderator superlativiert darüber. „Das ist schon so eine Art Segen, den man da bekommt.“ Eine Frau eröffnet Lang Lang, dass ihr Vater in Italien zur selben Zeit im selben Hotel nächtigte wie er. Viele bleiben noch, den Segen schon in der Tasche. Als wollten sie Lang Lang nicht allein lassen mit dem Moderator, der dem Pianisten soeben ein Bild seines Sohnes zeigt. Lang Lang zeigt als Antwort ein Lächeln, das sich vielleicht mit „Of Course“ übersetzen lässt. Und dann gehen die Menschen doch, noch einen Blick auf das Fernsehbild, das Lang Lang in gemäße Entfernung rückt. Ein Wunderkind, es schreibt, zwei Menschen filmen es, die letzten Unterschriften. Er wirkt einsam. Vielleicht kann man nur so ein Star sein.

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