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Schwerpunkt Ausverkauf: Werden Nieren bald an einer Börse gehandelt?

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Knapp 3.000 US-Dollar erhält ein Spender in Moldawien für seine Niere. Die Organe werden für rund 150.000 US-Dollar an reiche Menschen in den Industriestaaten verkauft. Neben Moldawien gelten vor allem Indien und China als menschliches Ersatzteillager für die Erste Welt. In Deutschland warten etwa 12.000 Patienten auf ein Spenderorgan, davon allein 10.000 auf eine Niere. Demgegenüber stehen die gerade einmal 4.000 pro Jahr tatsächlich stattfindenden Transplantationen. Im Klartext bedeutet das: Jeden Tag läuft die Frist für drei Patienten ab – sie sterben, während sie auf der Warteliste für eine neue Niere, eine neue Leber oder ein neues Herz stehen. Dabei gäbe es reichlich potenzielle Spender. So könnten viele Menschen durch eine relativ ungefährliche Lebendnierenspende durch einen Dritten gerettet werden und auch die Zahl der toten potenziellen Spender ist heute längst nicht ausgeschöpft. Allein fehlt bei den Lebenden erstens die Bereitschaft, freiwillig eine Niere zu spenden, und zweitens sind die rechtlichen Möglichkeiten für eine Fremdspende äußerst begrenzt. Bei vierzig Prozent der toten potenziellen Spender verhindern die Angehörigen eine Organtransplantation. Kein Wunder, dass nach neuen Wegen gesucht wird, um die Spendefreudigkeit zu erhöhen. Die Lösungskonzepte reichen von Appellen an die Nächstenliebe bis hin zur Systemreform von der „erweiterten Zustimmung“ zur Widerspruchslösung (hier muss jeder, der eine Organspende für sich ablehnt, zu Lebzeiten seinen Widerspruch dokumentieren). Auch Qualitätsverbesserungen im Hinblick auf das Gespräch mit den Hinterbliebenen sowie hinsichtlich der Organisation der Transplantationskette im Krankenhaus werden von den Kritikern gefordert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Männer in Manila: Sie haben eine ihrer beiden Nieren verkauft. Dem Fotografen zeigen sie die Narbe, die von dem Eingriff zurück blieb. (Foto: ap) Der Ökonom Peter Oberender kann diesen Empfehlungen nur zustimmen, allerdings glaubt er nicht, dass dies ausreicht. Um die tatsächliche Nachfrage zu decken, müsse es vielmehr einen regulierten Markt für Organe geben. Dem real existierenden Organ-Schwarzmarkt könne man sowieso nicht Einhalt gebieten. In Indien beispielsweise würden auf einem „grauen Markt“ Nieren für 1.500 Euro gehandelt. Das Schlimme daran: 80 Prozent der Spender stürben aufgrund mangelhafter Nachsorge. Um dies zu ändern, müsse ein geregelter Markt geschaffen werden, bei dem „ähnlich der Börse“ festgelegt werde, wer zum Handel zugelassen sei und wer Organe entnehmen dürfe. Oberender glaubt, dass durch einen kontrollierten Organhandel eine beidseitige Besserstellung erreicht werden könnte: Einerseits könnte die Versorgung der Organbedürftigen gesichert und andererseits das hohe Risiko der Organspender gesenkt werden. Laut Oberender müssten die Organspender dazu neben einer ausreichenden Nachversorgung durch entsprechende Versicherungen selbst abgesichert werden, nämlich „für den Fall, dass bei dem Spender eine Situation eintritt, dass er selbst ein Ersatzorgan braucht.“ Ähnlich wie Oberender plädiert auch der populäre Essener Chirurg Christoph Broelsch für einen regulierten Organhandel. Um den Anreiz zur Organspende zu erhöhen, müsse der Spender finanziell entlohnt werden. Dabei dürfe auch nicht vergessen werden, dass Organtransplantationen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beitrügen: „Die Zahlen dafür sind geläufig: 125.000 Euro innerhalb von fünf Jahren pro operiertem Nierenpatienten. Was spricht gegen eine Spendenwürdigung der Sozialgemeinschaft durch einen geregelten Anerkennungsbetrag – Spendenfreibetrag –, wie er für jede andere Spende zur Gemeinnützigkeit anerkannt wird? Was hat das mit Verkauf zu tun?“ Organhandel, eine Perversion in sich Der derzeitige stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Ethikrates und Transplantationsmediziner Prof. Eckart Nagel bezeichnet solche Überlegungen dagegen als „völlig absurd“. Laut Nagel muss die Problematik der Organspende „von kommerziellen Gesichtspunkten völlig getrennt werden“. Organhandel sei in sich eine Perversion. Sie widerspreche „grundsätzlich unseren Vertragsbedingungen, unseren ethischen Grundlagen für das gemeinsame Zusammenleben“. Die Idee, alles über die Ökonomie zu regeln, zeuge laut Nagel von einer „Verödung des Geistes“. Ganz ähnlich wie in Nagels Argumentation ist auch aus christlicher Sicht derOrganhandel strengstens verboten. So ist zum Beispiel in der gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD aus dem Jahr 1990 zu lesen: „Nach christlichem Verständnis ist das Leben und damit der Leib ein Geschenk des Schöpfers, über das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger Gewissensprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf.“ Und das schließe eine am Gewinn orientierte Gewebe- oder Organspende aus. Allerdings kann man aus philosophischer Sicht genauso in die diametral entgegengesetzte Richtung argumentieren. Konstitutiv für jedes liberale Staatsverständnis ist die Vorstellung, dass jedem Menschen unveräußerliche Menschenrechte zukommen. Insbesondere das Recht auf Eigentum am eigenen Körper, die sogenannte Self-Ownership-These, spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie aber kann man konsistent von einem Eigentum am eigenen Körper sprechen, wenn man gleichzeitig den Verkauf des eigenen Körpers verbietet?Die religiöse Vorstellung, dass man sich letztlich gar nicht selbst gehört, sondern eigentlich Gott, kann in unserem nachmetaphysischen Demokratieverständnis nicht als Gegenargument überzeugen. Jedoch stellt sich ebenfalls aus philosophischer Sicht die Frage, ob man tatsächlich freiwillig seinen Körper verkaufen kann. Die Philosophin Nikola Biller-Andorno hat daran starke Zweifel: „Mir scheint, dass ein ,fairer Markt‘ nicht möglich ist: Denn sobald sich auch die Ärmsten im Bedarfsfall eine Niere leisten könnten, sind sie entweder sozial so gut abgesichert oder finanziell so gut situiert, dass sie keine mehr verkaufen würden. Organhandel hat also ein deutliches Wohlstandsgefälle zur Voraussetzung.“ Ihre These lautet verkürzt: Die Transplantation innerer Organe ist pure Ausbeutung der schlechter Gestellten durch die Reichen und das ist unfair. Andererseits muss man auch in Betracht ziehen, dass Gesundheit einen Preis hat. Ärzte behandeln nicht allein aus Nächstenliebe, Krankenkassen müssen profitabel wirtschaften, um langfristig bestehen zu können, und auch die Sozialversicherungsbeiträge werden sicher nicht – zumindest nicht von allen – als ein interessenloses Geschenk wahrgenommen. Warum sollte dann nicht auch der eklatante Mangel an Spenderorganen durch finanzielle Anreize vermindert werden? Die Fakten können zumindest nicht ignoriert werden: Allein in Deutschland sterben, wie erwähnt, jeden Tag drei Menschen aufgrund fehlender Organspenden. Dem stehen Millionen potenzieller Spender gegenüber, die gegen eine angemessene finanzielle Entschädigung ihre Organe verkaufen würden. Und zuletzt steht da noch die große Dunkelziffer einer unbekannten Anzahl illegaler Organtransplantationen. Immer wieder sind Andeutungen über einen blühenden Organschwarzmarkt in Moldawien, in Indien und jüngst auch in China zu vernehmen. Das bedeutet: In der Realität profitieren die Reichen längst durch ihr Geld von den Armen und nehmen sie in gewisser Weise „organisch“ aus. Das Paradoxe daran ist, dass Schätzungen bezüglich der illegalen Transfers so problematisch sind, weil laut WHO scheinbar alle Beteiligten vom Handel profitieren. Tatsächlich profitieren aber wohl ungleich mehr die Reichen von dem illegalen Geschäft, weil nur sie die Möglichkeit zur medizinischen Nachbehandlung wahrnehmen können.

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