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Shisha-Bars erobern nach Nachtleben
Sophie und Fenja sind 250 Kilometer von Frankfurt nach Köln gefahren, um eine Shisha zu rauchen. Es ist einer dieser warmen Samstagabende, an denen niemand in den Bars sitzen will, sondern alle davor. Doch an den Tischen vor der Incavall Lounge sitzt nur, wer es nicht nach drinnen geschafft hat.
Und am Eingang wartet, wer die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat: Türkischstämmige Männer mit Sidecuts, sie tragen T-Shirts, die ihre Muskeln betonen, und Hemden, mit denen sie älter aussehen wollen. Obwohl sie das klassische Publikum für eine Shisha-Bar sind, stehen ihre Chancen schlecht. In der Incavall Lounge ist noch Platz, aber kein Platz für sie.
Als Sophie, 20, und Fenja, 19, sich anstellen wollen, winkt der Türsteher sie direkt durch. Seine Linie: mehr Frauen, weniger Machos. Drinnen, neben der Bar, rauchen Männer Shishas, die so aussehen wie die Männer vor der Tür. Nur dass sie schon seit dem Nachmittag hier sitzen, als der Türsteher noch nicht da war. Ihre Blicke folgen dem tiefen Rücken-Ausschnitt von Fenjas Kleid.
Partyraucher wie Sophie und Fenja hätten früher Zigarette geraucht – heute ist es Shisha
Der DJ hat Enrique Iglesias aufgelegt. Sophie und Fenja öffnen die Karte, darauf das glitzernde Logo der Incavall Lounge. Sie müssen schreien, um sich auf eine Tabaksorte zu einigen. „PISTACHIO BREEZE?!“, ruft Sophie. „ODER VOLTAGE?!“ Sie entscheiden sich für „Mango Tango“. Partyraucher wie Sophie und Fenja hätten früher Zigarette geraucht – heute ist es Shisha. Dazu einen Mai Tai und einen Planter’s Punch.
Im Takt der Musik kommen Kellner mit Shishas aus dem Hinterzimmer gerannt, um die rund 300 Gäste zu versorgen. Sie tragen schwarze Hemden, die weiß gekleideten Kellnerinnen sind für die Getränke zuständig. Sophie und Fenja versuchen sich zu unterhalten, doch sobald die Shisha zwischen ihnen steht, holen sie ihre iPhones aus den Handtaschen, machen Selfies mit der Shisha und vertiefen sich in Whatsapp-Nachrichten. Der DJ legt „Yeah!“ von Usher auf und die beiden wippen mit dem Fuß.
In den Achtzigerjahren stellten türkische und arabische Einwanderer sich die ersten Shishas in ihre Wohnzimmer. Später eröffneten sie Cafés, in denen man lange Zeit vor allem alte Männer mit langen Bärten sitzen sah. Die Bärte sind kürzer geworden, die Kunden jünger. Heute stehen die Shisha-Raucher vor Bars wie der Incavall Lounge Schlange und reservieren Tische drei Wochen im Voraus. Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte für Shishas, Tabak und Zubehör geworden. Noch vor der Türkei.
Im Café Safad heißt der Tabak nicht „Voltage“ oder „Pistachio Breeze“, sondern „Traube“ und „Minze“
Die Kinder der Einwanderer zeigten die Shisha ihren deutschen Freunden, die sowas nur aus dem Antalya-Urlaub mit ihren Eltern kannten. Anfang der Nullerjahre wurde die Shisha zum Jugendtrend, für Deutsche und für Migranten. Geschäftsleute begriffen schnell, dass sich damit Geld verdienen lässt. Aus Shisha-Cafés wurden Shisha-Bars, in denen es nicht nur Minztee, sondern auch Sex on the Beach gibt. Und aus Tradition wurde Hype.
In Köln, wo besonders viele türkischstämmige Menschen leben, gibt es rund 200 dieser Bars. Auch Rapper sind in das Geschäft eingestiegen, haben Shisha-Bars eröffnet und kreieren ihren eigenen Tabak. „Mein Riecher war gut - Shisha-Mogul“, textet der deutsch-kurdische Rapper KC Rebell. Doch während der Hype die einen reich macht, geht es traditionellen Shisha-Cafés immer schlechter.
Um das Café Safad in Bonn zu besuchen, kommt niemand aus Frankfurt angefahren. Hassan Swed, 33, betreibt hier eines der wenigen traditionellen Shisha-Cafés. Hassan hat keinen Türsteher, keinen DJ. Bei ihm gibt es keine Karte mit Glitzer-Logo, nur ein laminiertes Blatt Papier. Sein Tabak heißt nicht „Voltage“ oder „Pistachio Breeze“, sondern „Traube“ und „Minze“. Er bietet keine Cocktails an. Nur Limonade aus der Dose.
Hassan befüllt einen Tonkopf mit Apfeltabak. Wenn man ihn auf Bars wie die Incavall Lounge anspricht, sagt er: „Da geht es doch nur noch darum, Frauen aufzureißen.“ Die meisten Shisha-Bars nutzen heute ein spezielles Metallsieb, um die Kohle auf den Tabak zu legen. Hassan hält davon nichts. „Ich mache nicht auf Style und die heutigen Shisha-Preise verstehe ich nicht.“ Er stellt die Shisha neben einen Tisch, an dem vier Deutsch-Araber Rommé spielen. „Der Geschmack und der Rauch“, sagt er, „das ist doch immer dasselbe“.
Von Hassans Gästen käme keiner am Türsteher der Incavall Lounge vorbei
Sein Café ist eher eine Wohnung mit drei Zimmern als ein Lokal. Es gibt einen Flur und eine einzige Toilette. An den Wänden hängen verstaubte Landschaftsgemälde und Pferdestatuen aus Palästina, der Heimat seiner Eltern. Im Hinterhof baut Hassans Vater Salat an und züchtet Tauben. Direkt daneben sitzen drei Männer an einem klapprigen Plastik-Tisch. Einer trägt Kapuzenpulli, der zweite Jogginghose, der dritte eine islamische Gebetskappe. Bei der Incavall Lounge käme keiner von ihnen am Türsteher vorbei.
Jeden Tag sind sie im Café Safad, um nach der Arbeit zu entspannen und mit Freunden über den Tag zu reden – wie in einer Kneipe, nur ohne Alkohol. „Die Deutschen trinken ihr Feierabendbier“, sagt Hassan. „Wir rauchen Shisha.“ Der junge Mann mit dem Kapuzenpulli ist Mert, 23. „Ich verbringe hier mehr Zeit als zu Hause.“ Verabreden muss er sich nicht: Irgendwer ist immer im Café Safad. „Ich komme mit Leuten in Kontakt, die ich sonst nie treffen würde, vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Unternehmer.“
Um zwei Uhr morgens ist Mert einer der letzten Gäste. Hassan verabschiedet ihn mit Handschlag. „Yallah, mach’s gut!“ – „Ciao, habibi!“ Das Café Safad gibt es nur deshalb noch, weil ihm Kunden wie Mert treu bleiben. „Gott sei Dank rettet mich die Stammkundschaft“, sagt Hassan und schließt seinen Laden zu.
In der Incavall Lounge tauschen die Kellner noch bis fünf Uhr verglühte Kohle-Stücke gegen neue aus. Die Shisha-Modelle kosten mehr als 200 Euro, dafür könnte sich Hassan Swed vier Stück kaufen. Auf den Shishas ist das Logo der Incavall Lounge eingraviert. Manche Gäste bezahlen sechs Euro Aufschlag, um sich Ananas und Erdbeeren an die Shisha stecken zu lassen, so wie bei einem Cocktail.
Das Geschäft läuft gut. So gut, dass die Inhaber bald einen zweiten Laden eröffnen wollen. Noch größer soll er sein, mit noch lauteren Boxen und noch mehr Personal. Dort können die Gäste dann nicht nur rauchen, sondern auch tanzen. Es wird Deutschlands erste Shisha-Disco.