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Party während Corona: Vier Studierende erzählen vom Feiern trotz Pandemie
„Eine Gefahr wegen Corona spüre ich eher in der vollen U-Bahn als bei einem Rave“
In Berlin kann man vor allem eines: feiern. Manche wollen ihr Partyleben auch in Zeiten von Corona nicht pausieren und tanzen weiterhin in Außenbereichen von Clubs oder sogar bei illegalen Raves in Kellern, Bunkern, im Wald. Hygienekonzepte gab und gibt es oft nur bei offiziellen Veranstaltungen. Seit vergangener Woche ist Berlin als Corona-Risikogebiet eingestuft, von Reisen in die Stadt wird abgeraten. Für die hohen Infektionszahlen in der Stadt wird auch die Partyszene verantwortlich gemacht, besonders illegale und private Feiern werden kritisiert. Mittlerweile hat die Berliner Landesregierung daher neue Regeln erlassen: Zwischen 23 und sechs Uhr gilt eine Sperrstunde, höchstens fünf Personen aus unterschiedlichen Haushalten dürfen in diesem Zeitraum gemeinsam unterwegs sein.
Aber wer sind eigentlich all die Menschen, wegen derer diese Maßnahme angeblich nötig war? Warum gingen sie weiterhin feiern? Und halten sie die neuen Regeln nun wirklich vom Feiern ab? Wir haben mit vier Studierenden aus Berlin darüber gesprochen, warum sie trotz Corona nicht auf Party verzichten woll(t)en und wann für sie Schluss ist.
„ Ich bereue es nicht, feiern gewesen zu sein“
André, 21, wohnt seit einem Jahr in Berlin. Er bereut es nicht, bis vor Kurzem noch feiern gewesen zu sein.
„Ich war während der Coronazeit auf verschiedenen Raves, zuletzt Mitte September. Das war neben den Bahngleisen außerhalb der Stadt und da waren locker 500 bis 600 Leute. Es waren Lichter und Tücher aufgehängt und es gab eine Bar, wo man so viel gezahlt hat, wie man Lust hatte. Bei anderen illegalen Raves, zu denen ich in den vergangenen Monaten gegangen bin, kamen manchmal schon um halb elf die Bullen und man musste wie bei so einem Katz-und-Maus-Spiel wegrennen. Wenn sie einen erwischt haben, ist mir zumindest auch nicht mehr passiert, als dass sie mich des Platzes verwiesen haben und die Party dann eben schnell vorbei war. Aber bei diesem Rave kam die Polizei erst um zwei oder drei Uhr nachts.
Eine Gefahr wegen Corona spüre ich eher in der vollen U-Bahn als bei einem Rave wie diesem. Einige Personen hatten Masken an und ich erinnere mich, dass der DJ ab und zu Pause gemacht hat und sowas sagte wie: ‚Alle mal die Arme ausstrecken und dreht euch. Wenn das nicht funktioniert, sagt der anderen Person, sie soll sich verpissen, damit ihr ein bisschen mehr Platz habt.‘ Das fühlt sich dann sicherer an als in der Bahn. Aber ich bin auch kein Virologe, der das beurteilen kann.
Sehr unwohl habe ich mich aber bei einem Konzert in einem Keller gefühlt, bei dem ich im Frühjahr war. Es gab dort keine Fenster, Masken trug niemand – da habe ich schon irgendwann realisiert: Okay, ich habe in den letzten Sekunden 40 schwitzende Typen beim Tanzen berührt. Aber das Feiern ist einfach so wichtig, um mal von der stressigen Woche runterzukommen. Ich bereue es nicht, dort feiern gewesen zu sein. Allerdings bereue ich viele dumme Dinge nicht, die ich getan habe – nur, weil am Ende doch alles gutgegangen ist. Vielleicht muss man erstmal auf die Fresse fliegen.“
„Ich werde erst wieder zu Partys gehen, sobald es wieder legal ist“
Die Urberlinerin Amira, 22, war im Sommer noch regelmäßig feiern, möchte sich nun aber verantwortungsvoller verhalten.
„Im Sommer war ich regelmäßig feiern, meine letzte Party war im September. Bei der Veranstaltung musste man seinen Namen und die Telefonnummer in eine Liste eintragen, die Begrenzung der Personenzahl lag bei 150. Ich hatte schon das Gefühl, dass etwas mehr Leute da waren und nicht alle haben sich an die Regeln gehalten – aber ich war glücklich, dass ich überhaupt feiern gehen und geile Mucke genießen konnte. Ich habe mich auch nicht schlecht gefühlt, weil es zu dem Zeitpunkt im Sommer erlaubt war, dass sich 150 Personen treffen.
Vielleicht habe ich in dem Moment mein Bedürfnis zu feiern, darüber gestellt, dass es Corona gab, aber ich hatte auch Lust, es kurz auszublenden. Ich liebe Tanzen, Hip Hop, es bedeutet für mich eine Auszeit vom Unialltag. Ich gehe jetzt aber nicht mehr feiern, weil die Zahl der Corona-Fälle steigt. Ich will meine Familie und meine Mitmenschen schützen und ich werde erst wieder zu Partys gehen, sobald es wieder legal ist.
Ich nutze die Zeit jetzt, mich mit meinen engsten Freunden zu treffen, soweit es erlaubt ist. Oder ich werde mit meiner besten Freundin die Musik aufdrehen und wir tanzen zuhause. Ich wünsche mir, dass sich alle an die Regeln halten, damit es irgendwann wieder möglich ist, feiern zu gehen.“
„Wenn man in Berlin ist, und nicht von hier kommt, neigt man vielleicht dazu zu sagen: scheiß drauf“
Bene, 21, wohnt seit einem Jahr in Berlin, war unter anderem bei einem illegalen Bunker-Rave. Bei den meisten Partys macht er sich keine Gedanken.
„Bei illegalen Raves hält sich niemand an Regeln. Vor ein paar Monaten war ich in einem Bunker und die Decken waren so niedrig, dass sich große Menschen ducken mussten. Meine Brille ist beschlagen, alle haben geschwitzt. Wenn mir jemand in so einem Moment sein Getränk hinhält, trinke ich auch davon. Natürlich können solche Veranstaltungen dann zum Superspreader-Event werden. Aber wenn man in Berlin ist, und nicht von hier kommt, neigt man vielleicht dazu zu sagen: Scheiß drauf, ich bin eh nicht zuhause und kann meine älteren Familienmitglieder sowieso nicht gefährden.
Ich finde, das Feiern gehört dazu, wenn man Mitte zwanzig ist. Der Rave im Bunker war außerdem in den ersten Monaten von Corona. Da war ich noch sehr skeptisch, ob man all die Regeln so hinnehmen kann. Aber dann war ich im Sommer auf einem Boot, auf dem wir zu zwölft auf vielleicht fünf Quadratmetern gefeiert haben. Kurz später besuchte ich meine Oma und später hat sich herausgestellt, dass zwei, die auf dem Boot waren, Corona hatten. Dann denkt man schon einen Tick anders. Wenn ich jetzt meine Oma besuche, vermeide ich in den Tagen davor Menschenmengen.
Feiern gehe ich aber weiterhin, halt etwas vorsichtiger. Vor zwei Wochen war ich im Außenbereich eines Clubs, bei dem es legal war. Man musste sich anmelden und Abstand halten. Es war zum Teil schon nervig. Ich bin es gewöhnt, mir auf dem Dancefloor irgendwann eine Kippe anzumachen und das habe ich dann auch getan. Da kamen direkt Leute auf mich zu und haben gesagt: „Maske hoch und Kippe aus, sonst musst du gehen!“ Mir ist bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit recht groß ist, dass dort jemand Corona hat, wenn 1000 Leute da sind. Selbst, wenn es Open Air ist, ist da trotzdem der Luftdunst, dieses Aerosol. Das sieht man auch richtig, wenn da ein Laser durchschießt. Aber ich denke mir, ich war in dem Bunker, auf dem Boot und in dem Club – und soweit ich weiß, habe ich kein Corona bekommen.
Ich habe diese legalen Möglichkeiten gerne genutzt und hatte in der Zeit auch kein Bedürfnis, auf illegale Raves zu gehen. Aber zu einigen Zeitpunkten während Corona sind illegale Veranstaltungen eben die einzige Option, wenn man feiern gehen will und wollte. Auch angemeldete Feiern sind immer noch krass risikobehaftet, das will ich gar nicht abstreiten, aber man hat dort zumindest ein offizielles Konzept und zahlt Eintritt. Das ist wie so ein Ablassbriefhandel. Dadurch fühlst du dich ein bisschen sicher. Aber auf die Bunkerparty würde ich nicht noch einmal gehen.“
„Am Wochenende davor waren die Tische voll, niemand hatte eine Maske auf“
Tim, 29, wohnt seit vier Jahren in Berlin. Er findet schade, dass er als schwuler Mann durch die Beschränkungen eine Art Safe Space verliert.
„Ich war zuletzt am Freitag feiern, mit Freunden in einer Bar, in der sich vor allem schwule Männer treffen. Das war quasi der letzte Tag, bevor die Schließzeiten für Bars wieder strenger wurden. Ich gehe fast jede Woche feiern und dachte, es wird sicher viel los sein. Am Wochenende davor waren die Tische voll, niemand hatte eine Maske auf. Aber dieses Mal war wenig los. Wir waren so bis um drei Uhr nachts da und saßen nur an unserem Tisch. Irgendwann hab ich gesagt: ‚Okay, dann fahren wir heim.‘
Ich empfinde die Kontaktregelungen als besonders einschränkend: Ich identifiziere mich selbst als schwuler cis Mann und finde, man kann in LGBTQ-Bars und Clubs gerade als schwuler Mann seinen Safe Space finden. Man weiß, dass man ‚unter sich‘ ist. Wo findet man sich sonst? Ohne Apps ist das ohnehin schon schwierig. Gerade jetzt durch Corona ist es noch schwieriger.“