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„Selten funktioniert alles so, wie man sich das als Game Designer vorher ausmalt“

Foto: photocase.de/marqs

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Escape Rooms und Exit Games boomen. Luca Indolfo, 26, konzipiert als Game Designer in Berlin solche Spiele und verrät, wie die Räume und Rätsel entstehen.

jetzt: Wie erklärst du dir, dass so viele Menschen sich in ihrer Freizeit gerne gegen Geld einsperren lassen?

Luca Indolfo: Das ist nicht zuletzt unserem Handywahn geschuldet. Auch, wenn es sich einige nicht eingestehen wollen: Ich glaube, dass wir alle mal ganz gerne was ohne Handy erleben. Viele mögen es, Spielenachmittage oder Knobeleien in Escape Rooms als Gruppe mit Freunden oder der Familie zu verbringen. 2014 war diese Spielform komplett neuartig in Deutschland, das hat einen Hype ausgelöst. Tatsächlich gibt es heute einige Hardcore-Fans, die schon in allen möglichen Städten gespielt haben und einfach nicht genug bekommen können.

Wie viele schaffen es, das Exit Game innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits zu lösen und welches Rätsel checken die meisten am wenigsten?

Es kommt zwar auch auf den Schwierigkeitsgrad an, aber im Schnitt schaffen es zwei Drittel der Spielgruppen, alle Rätsel innerhalb der 66 Minuten zu lösen. Irgendwie tun sich die Leute mit Zahlenrätseln schwer. Die meisten denken bei Zahlen sofort „Oh Gott, Mathe kann ich nicht“, obwohl die Rätsel gar nichts mit Mathe zu tun haben. Man rechnet ja nicht. Aber das ist so in den Köpfen drin. Meist dauert es dann länger, bis jemand auf den Trichter kommt, aber eigentlich ist immer einer im Team dabei, der es schafft.

Bist du selbst schon bei so einem Spiel gescheitert?

Tatsächlich habe ich noch nie ein Spiel nicht geschafft. Aber eine Sache liegt mir definitiv nicht: alles, was mit Geschicklichkeit zu tun hat, besonders wenn dann noch Zeitdruck hinzukommt. Sobald ich sehe, wie die Sekunden runterlaufen, werde ich etwas hastig. Zum Glück gab es da immer jemanden Hilfsbereites im Team, dem das besser liegt und der da einfach ruhiger ist.

Wie wird man überhaupt Game Designer für Escape Rooms?

Viele studieren Game Design oder ein nahes Fach wie Interaktionsdesign, Kommunikationsdesign oder digitale Medienkultur. Es gibt aber auch Quereinsteiger wie mich in der Branche. Ich habe Geografie studiert. Man muss dann halt privat die Leidenschaft für Spiele mitbringen und sich zusätzlich Theorie aneignen. Der Beruf ist vielseitig, ich recherchiere im Internet und in Literatur oder hole mir Inspiration in Museen, Filmen und Comics. Sich Rätsel für Escape Rooms auszudenken, ist aber nicht so romantisch wie viele denken. Hinter den Rätseln und Räumen von Exit Games steckt harte Team-Arbeit. Man analysiert viel und beschäftigt sich mit der Logik, die hinter Rätseln stecken. Auch Mathe und Statistik gehören dazu. Und die Zeitpläne sind straff.

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Bild: Hannah Thelosen

Wie entstehen so ein Raum und die Rätsel?

Der Prozess ist stark vom Raum abhängig und besteht aus mehreren Phasen. Grob kann man sagen: sechs bis acht Wochen Konzeption, zwei bis drei Wochen Prototyping und Evaluation und dann noch zwei bis drei Wochen Schlussphase samt Überarbeiten, bevor das Ganze in die Produktion geht. Das Spiel sollte die Mehrheit ansprechen, also nicht zu extrem sein, sich aber von unseren bisherigen und der Konkurrenz abheben. Gefängnisspiele gibt es zum Beispiel schon zu viele. Aus den ersten Ideen entwickeln wir Grundsteine, einen Regelsatz, den wir im Game Design Document für das gesamte Team festhalten.

Wer ist alles Teil des Teams?

Meistens sechs Personen. Neben Game Designern gehören auch Elektriker, Schreiner und andere Handwerker zum Team. In sogenannten Mood Boards und Art Bibles werden Farb- und Soundkonzept festgehalten, sowie die technischen Guidelines, ein Grundriss, Thema, Setting, Zielgruppe und Spielbeschreibung samt Geschichte. In der Bauphase verändert sich vieles nochmal, das ist ein sehr lebendiger, spannender Prozess. Manche Gegenstände lassen wir nachbauen, andere finden wir auf Ebay oder Märkten. Kollegen haben schon mal einen antiken Apothekerschrank als echtes Schnäppchen auf dem Flohmarkt aufgetrieben.

Wie geht es nach der Bauphase weiter?

Bei Prototyping und Evaluation probieren Testpersonen die Rätsel aus, oft die Spielleiter oder auch einfach Freunde – da findet sich immer jemand. Während sie spielen, sollen sie beschreiben, was ihnen auffällt oder was sie währenddessen denken. Selten funktioniert alles so, wie man sich das als Game Designer vorher ausmalt. Viele wissen heute zum Beispiel nicht mehr, dass man bei Safes ursprünglich zuerst nach links und dann nach rechts drehen musste, um sie zu öffnen. Manche Dinge können wir eben nicht voraussetzen. Wenn die Testspieler Schwierigkeiten haben, müssen wir etwas anpassen.

In Polen sind Anfang Januar fünf Mädchen bei einem Brand in einem Escape Room gestorben. Welche Rolle spielt Sicherheit bei deiner Arbeit?

Fluchtwege, Brandschutz, Sicherheit und Abstände sind extrem wichtig. Deshalb schauen wir uns die Räume zu Beginn der Konzeption auch so genau an. Ein Sicherheitsbeauftragter ist Teil des Teams, mit dem wir immer Rücksprache halten. Alle Türen, auch Geheimtüren, müssen im Notfall geöffnet werden können. Es gibt immer einen Notfallknopf. Wenn man ihn drückt, kann man sofort raus. Das ist auch wichtig für den Fall, dass jemand Angstzustände bekommt, wenn das Eingeschlossensein zu viel wird. Der Fall in Polen war ein Riesenversagen. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Abnahme von Elektrik, Brandschutz und so weiter in anderen Ländern nicht so geregelt ist wie bei uns.

Inzwischen lassen Firmen ihre Mitarbeiter Exit Games zum Teambuilding, aber auch im Bewerbungsprozess als Assessment Center spielen.

Das stimmt, es gibt sogenannte Recruiting Touren von Firmen in Deutschland, auch an Unis. Dafür haben wir extra mobile Spiele geschaffen. Wir können auch bestimmte Codings oder Inhalte einbauen, sodass die Unternehmen direkt sagen können: Wenn der Bewerber das nicht versteht, kommt er für uns gar nicht in Frage. Für Firmen ist es interessant zu sehen, wie verhält sich jemand, wie agiert sie oder er unter Zeitdruck in der Gruppe? Bei einem Spiel stand mal tatsächlich der Personaler mit Klemmbrett im Raum und hat die Gruppe genau beobachtet, der Ton war rauer. 

Was denkst du: Wohin entwickeln sich Escape Rooms in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Der Markt ist wahnsinnig schnelllebig, aber ich glaube, das Erlebnis wird noch viel extremer und intensiver. Mit Virtual Reality können wir uns in neue Settings begeben, die so bislang in Räumen gar nicht möglich waren. Zum Beispiel gibt es bei uns schon ein Science-Fiction-Setting, das auf einem Raumschiff im Weltall spielt. 

Auf welchen aller Räume, die du konzipiert hast, bist du am meisten stolz?

Es gibt einen, der einen besonderen Platz in meinem Herzen hat – einer der ersten überhaupt, die ich gemacht habe, und der größte. „Madhouse“ hat fünf Räume und ist etwa 80 Quadratmeter groß und das Setting bietet so viele Möglichkeiten. Die Geschichte ist an den Horrorfilm „Saw“ angelehnt. Eine Gruppe wacht in einer Nervenheilanstalt auf und kann sich nicht mehr erinnern, wie sie da hingekommen ist. Ein Irrer hat sie eingesperrt und sie müssen Rätsel lösen, um sich zu befreien. Wenn ich daran denke, werde ich ein bisschen nostalgisch.

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