- • Startseite
- • Aufsteigerinnen
-
•
IT-Expertin über Diskriminierung im Job
„Vor Kurzem hielt ich ein Seminar vor einer reinen Männerrunde. Altersdurchschnitt der Teilnehmer: gefühlt um die 50 Jahre. Als ich zur Tür reinkam, reagierten die Herren überrascht. Diese Reaktion ist mir nicht fremd. Ich sah in ihren Augen, wie sie sich wunderten: ‚Die soll uns in Digitalisierungsprozessen beraten? Jung, weiblich – und auch noch mit Kopftuch?‘ Das Seminar war dennoch sehr erfolgreich, die Runde hatte sich schnell an mich gewöhnt. Aber bis ich bei der Deutschen Bahn erst als IT-Entwicklerin und später als Beraterin angefangen habe, war es für mich nicht leicht, in der Berufswelt mit Kopftuch ernst genommen zu werden.
Ich trage mein Kopftuch, seit ich zwölf Jahre alt bin. Auch wenn ich bis heute deshalb manchmal auf Ablehnung stoße, habe ich es nie bereut. Es ist ein Teil von mir, so wie meine Finger oder andere Körperteile. Situationen, in denen ich aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes bewertet oder gar abgestempelt wurde, habe ich sehr viele erlebt. Schon während meines Studiums in Berlin war nicht der Lernstoff die Herausforderung, sondern Kommilitonen zu finden, die mit mir arbeiten wollten. Einige lehnten das wegen meines Kopftuchs schlicht ab. Leider, schätze ich, hat sich an dieser Situation in Deutschland nicht viel geändert – egal, ob für Menschen wie mich mit Kopftuch oder solche, die auf andere Weise nicht der Norm entsprechen.
„Ich habe ich mich dazu entschlossen, meinen Lebenslauf nur noch ohne ein Foto einzureichen“
Ich weiß, was für eine große Rolle das eigene Aussehen bei Bewerbungen und generell bei der Selbstvermarktung spielt. Immer wieder habe ich gemerkt, wie ich auf subtile Zurückhaltung oder gar offene Ablehnung gestoßen bin. Irgendwann habe ich mich dann dazu entschlossen, meinen Lebenslauf nur noch ohne ein Foto einzureichen. Das half mir aber auch nicht. In vielen Bewerbungsgesprächen war mein Gegenüber voreingenommen, ohne mich zu kennen. Von vornherein wurde mir nichts zugetraut, weil ich durch meinen Namen als Frau und als Ausländerin identifiziert worden war.
Beispiel: Als ich mich einmal auf eine IT-Stelle beworben hatte, ließen mich die Personaler in einem abgelegenen Zimmer ewig warten. Irgendwann kam dann jemand herein, um mir sehr desinteressiert mitzuteilen, dass niemand da sei, um ein Bewerbungsgespräch mit mir zu führen. Das sei aber nicht schlimm, sagte er weiter, weil ich ja ohnehin nicht qualifiziert genug sei. Dabei hatten wir vorher kein Wort miteinander gewechselt. Er hat mich dann noch gefragt, ob ich stattdessen jemanden kennen würde, der für den Job infrage käme. Das fand ich so dreist, dass ich nur lachen konnte und nicht mehr geantwortet habe.
Später halfen mir dann aber mein Kopftuch und all die Steine, die mir deshalb in den Weg gelegt worden waren, dabei, meinen jetzigen Job zu finden. Ich hatte einen Studentenjob im Callcenter der DB Dialog und habe eines Morgens eine interne Stellenausschreibung für IT-Entwicklung gelesen. Auch in diesem Bewerbungsgespräch hat mir die Personalerin mitgeteilt, dass es für mich schwierig werden könne, den Job zu bekommen. Das Problem sei die fehlende Vorerfahrung.
Warum ich denn vorher noch nie richtig gearbeitet hätte, hat sie mich gefragt. Und dann ist es einfach so aus mir herausgeplatzt, ich habe ihr alles erzählt: Wie ich mich immer wieder beworben hätte, wie die Leute über mich geurteilt hätten, ohne mich zu kennen, und welche Rolle das Kopftuch dabei gespielt habe. Eigentlich hatte ich das nicht beabsichtigt, weil ich befürchtete, mit einem solchen Lamento schwach und bemitleidenswert rüberzukommen.
Doch die Personalerin hat daraufhin etwas zu mir gesagt, was ich ihr niemals vergessen werde: ‚Nun, dann müssen wir Ihnen doch endlich mal eine Chance geben, Frau Karahan-Coșkun.‘ “
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien zuerst in Plan W, dem Frauenwirtschaftsmagazin der Süddeutschen Zeitung.