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„Ich bin eigentlich kein erfolgreicher Mensch“

Foto: privat

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„Für Dich gratis — aber absolut unbezahlbar“, steht da in der Beschreibung des Instagram-Accounts „Der Business-Lion“. Auf  inzwischen mehr als 430 Stockfoto-Bildkacheln kann man hier motivierende Anpacksprüche lesen, etwa: „Das Leben ist wie ein Schachspiel, sind die Würfel gefallen, zeigt sich, welches Team die besseren Karten hatte“ oder „Mach’s wie der Regenwald: Brenne für den Erfolg“. Dass das nicht ganz ernst gemeint ist, erklärt sich von selbst. Betrieben wird der Account, dem inzwischen mehr als 33 000 Menschen folgen, von Christopher Strutz, einem 33-jährigen Berliner, der als Kreativer in der Werbeindustrie arbeitet. Uns hat er erzählt, wie viel Business in welchem Tier steckt und was ihn so an Motivationssprüchen nervt.

jetzt: Auf deinem Kanal ist der Übergang zwischen Satire und Realität manchmal fließend. Glaubst du, dir folgen auch Leute, die nicht checken, dass das alles Humor ist?

Christopher Strutz: Immer wieder! Das ist der größte Spaß. In den Kommentarspalten sind das Leute, die sehr, sehr empört sind. Die schreiben dann so etwas wie: „Wie kann man nur so menschenverachtend sein?“ Und diese Menschen haben ja eigentlich total recht und sind auf der guten Seite. Die haben nur den doppelten Boden nicht erkannt.

Die, die es verstehen – was lieben die so an deinem Account?

Das weiß ich auch nicht so genau, ich finde es auch immer wieder komisch, dass es so gut funktioniert. Ich glaube, dass der Account eine Art Insider-Feeling erzeugt, weil eben nicht auf den ersten Blick klar ist, dass es Satire ist. Das kann man auch wieder an der Kommentaren unter den Posts sehen: Die sind oft witziger als das, was ich eigentlich gepostet habe. Die setzen dann immer noch einen drauf. Für Außenstehende sieht das aus, als ob das eine Community von richtig gestörten Kapitalisten wäre, die da auf einem Haufen sitzen.

Muss man eigentlich dieechteBusiness-Bubble gut kennen, um sie zu verarschen?

Ich folge natürlich einigen erfolgreichen Coaches aufmerksam, die sind mein Rohmaterial. Daraus können sich lustige Abwandlungen ergeben.

Was stört dich eigentlich so an der Business-Bubble?

Was da ganz oft mitschwingt, ist das Einteilen der Welt in Gewinner und Verlierer. Das hat schon fast so einen Herrenmenschen-Charakter. Es ist mir einfach suspekt, wie man seine Lebenserfüllung in so einem kaltherzigen egoistischen Raubtierkapitalismus finden kann.

„Ich finde finanziellen Erfolg als Lebenszweck dermaßen hohl“

Also alles Business ist moralisch verkommen?

Nein! Es gibt da auch richtig gute Leute. Zum Beispiel Tijen Onaran. Die ist CEO von „Global Digital Women“ und hat sich ganz groß die Themen Gleichstellung und Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben – und die haut auch ab und an mal so eine Spruchtafel raus. Daran ist natürlich überhaupt nichts verwerfliches.

Steckt in deinem Kanal dann überhaupt auch echte Kapitalismus-Kritik?

Mit der Zeit merkt man schon, dass das Weltbild, das hinter den ernstgemeinten Motivationssprüchen steckt, bedenklich ist. Ich bin kein feuriger Antikapitalist, ich arbeite ja auch in der Werbung. Da wäre es etwas schizophren, das ganze System anzuprangern. Ich finde aber finanziellen Erfolg als Lebenszweck dermaßen hohl. Das macht mich fast traurig, dass es Leute gibt, die da ihre Erfüllung suchen.

Welcher ist der schlimmsteSocial-Media-Business-Motivation-Account?

Es gibt ein paar, die auffallen, weil sie den Quatsch, den sie machen, irgendwie ernst meinen. Aber es gibt auch ein paar Typen, bei denen hab’ ich den Eindruck, dass sie im vollen Wissen armen Leuten, die auf Sinnsuche sind, Scheiße für Gold verkaufen. Ich nenne da jetzt keine Namen, nicht, dass ich verklagt werde.

„Löwen mit prächtiger Mähne sind in der Business-Bubble omnipräsent“

Wie macht man einen funktionierenden Business-Account?

Also es gibt natürlich einige personalisierte Accounts, die von so einem Personenkult profitieren. Und dann gibt es noch jede Menge Accounts mit Tiernamen! Wolf-Motivation, Eagle-Motivation, Hai-Motivation!

Ach, die sich nicht zu schade dafür, einen Hai zu ihrem Leitmotiv zu machen: Das Tier, das eigentlich dafür steht, ein empathieloser Jäger zu sein?

Nee, das finden die doch geil, die Typen. Es gibt da einen vielsagenden Spruch, den ich schon ein paar Mal gelesen habe: „Ein Hai kennt keinen Montag, er schwimmt einfach durch die Gegend und macht Hai-Sachen.“ Skrupellos und eiskalt auf Mission quasi.

Und warum hast du dir den Löwen ausgesucht?

Der passt so gut, Löwen mit prächtiger Mähne sind in der Business-Bubble omnipräsent. Dabei ist das ja eigentlich ein richtig faules, blödes Tier. Liegt den ganzen Tag in der Sonne, schickt seine Frauen zum Jagen, wie so ein ekliger Macho.

Was ist denn eigentlich dein bestlaufendster Post bisher gewesen?

Der meistgelikte ist: „Du kannst aus Fehlern lernen, aber du kannst dir auch mal Mühe geben, und es gleich richtig machen.“ Aber es gibt auch welche, die sehr unterschätzt werden, auf die ich eigentlich stolz bin. Etwa: „Dein unerschütterlicher Glaube an deine Talente und Fähigkeiten ist das, was dich so einzigartig macht.“

Okay, Business Lion, jetzt mal ohne Witz: Was ist ein guter Tipp für beruflichen Erfolg?

Ich bin eigentlich kein erfolgreicher Mensch, und habe auch nicht vor, einer zu werden – jedenfalls nicht, wenn damit Geld, Macht oder Karriere gemeint ist. Ich bin genügsam in meinem alltäglichen Leben, habe einfach andere Lebensziele: Ich möchte gerne fröhlich sein. Mir ist es wichtig, dass ich da, wo ich arbeite, wertgeschätzt werde und von freundlichen Menschen umgeben bin. Ich weiß nicht, ob das schon als Tipp zählt.

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