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„Der Umgang mit dem Islam erinnert mich an den früheren Umgang mit Juden“

Foto: Katja Harbi

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"Seit dem Massaker in einem Gay-Club in Orlando solidarisieren sich viele Menschen mit der Queer-Community. Darunter auch Politiker, von denen man es nicht unbedingt erwarten würde. Donald Trump opponiert gegen die Homo-Ehe, sogar gegen eine eingetragene Partnerschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren. Trotzdem sagte er nach dem Attentat  in einer Rede: „Wer ist der wahre Freund der Frauen und der LGBT-Gemeinde – Donald Trump mit seinen Taten oder Hillary Clinton mit ihren Worten?“ Damit spielte er auch darauf an, dass er sich für verschärfte Einreisebedingungen für Muslime in Amerika einsetzt. Bei vielen Leuten kommt das an.

Diese Hetze gegen den angeblich homophoben Islam macht mir Sorgen. Auch, weil ich eine ähnliche Tendenz derzeit in Deutschland beobachte. Leute heucheln erfolgreich Akzeptanz gegenüber queeren Menschen, um gegen eine andere Bevölkerungsgruppe Stimmung zu machen. Und haben damit allem Anschein nach Erfolg. Ich selbst beobachte bereits in meinem Umfeld, dass immer mehr queere Menschen  mit der AfD sympathisieren, dabei ist deren Wahlprogramm voll frauenfeindlicher und homophober Aussagen. Die Partei steht für eine  Ablehnung der genderneutralen Sprache und für die Abschaffung der Gender-Forschung an den Universitäten. Sie sind gegen die Homo-Ehe, gegen die Abtreibung und lehnen eine Frauenquote im Studium und in der Arbeitswelt pauschal ab.  Die Wähler werden instrumentalisiert, sie vergessen, dass eine Partei, die gegen den Islam hetzt, auch gegen andere Minderheiten hetzen wird. Wozu das führt, kann man in Deutschlands Nachbarländern bereits sehr gut beobachten.

Ich selbst bin in Ungarn aufgewachsen, ein Land, in dem eine Partei ähnlich der AfD mit einer Zweidrittelmehrheit regiert. Ich habe dieses Land unter anderem deshalb verlassen, weil ich die homophobe Rhetorik des rechten Establishments einfach nicht mehr ertragen konnte. Bei Gay-Paraden wurden wir angepöbelt, angegriffen und es wurden Steine geworfen. Aber auch in Israel, dem Land, wo ich später studierte, das von sich selbst ja behauptet, das einzige im Nahen Osten zu sein, in dem queere Menschen sich keine Sorgen um ihre Sicherheit machen müssen, musste ich derartige Erfahrungen machen. Auf der Jerusalem-Pride haben uns jüdische Fundamentalisten mit Kuhscheiße beworfen, der Gestank hielt sich noch wochenlang in der Straße. Letzten Sommer starb ein 16-jähriges Mädchen nach einer Messerattacke auf der Parade. Es sind Juden und keine Muslime, die gegen die Jerusalem-Pride protestieren, obwohl der Hass auf queere Menschen die Fundamentalisten aller drei monotheistischen Religionen vereinen könnte. Homophobie ist einfach in vielen Gesellschaften tief verankert, das ist nichts, was Muslime alleine für sich gepachtet haben. In aktuellen Debatten kommt mir das zu kurz.

Der derzeitige Umgang mit dem Islam erinnert mich stark an den früheren Umgang mit den Juden. 2000 Jahre lang waren wir der Sündenbock für alles. Um unsere angebliche Rückständigkeit zu beweisen, wurden Stellen aus Talmud und Tora zitiert, die sich vermeintlich abwertend über Nichtjuden äußern, zum Beispiel das Gebot, die kanaanitischen Völker aus dem Gelobten Land zu vertreiben. Die Stellen wurden aus ihrem jeweiligen historischen Kontext herausgerissen und missbraucht. Dabei sind ähnliche Stellen, die zu Gewalt aufrufen, genau so auch in den Evangelien oder im Koran zu finden. Seit der Schoa ist offener Antisemitismus schwieriger geworden. An diese Stelle ist jetzt der Islamhass getreten und mit ihm der Koran als angeblicher Beleg, wie homophob und frauenfeindlich diese Religion doch sei. Dabei kann eine Religion nicht per se homophob sein. Sondern nur die Menschen, die ihr angehören. Die jüdischen Fundamentalisten lesen die gleichen Schriften wie ich. Die Islamisten befassen sich mit demselben Koran, wie der schwule Imam der liberalen Moschee. Die eine Gruppe legitimiert durch den Text ihre Homophobie – die andere findet dort Unterstützung für ihren Kampf gegen jegliche Diskriminierung.  

"Egal, wie oft ich von der Homophobie der Muslime lese: Ich werde keine Angst vor meinen muslimischen Nachbarn haben."

Trotzdem reden wir viel zu viel über Muslime als mutmaßliche Täter. Ich will gar nicht ausschließen, dass es zukünftig nicht noch weitere Übergriffe von Islamisten auf queere Einrichtungen geben wird, vielleicht auch in Europa. Und ich will auch nicht unterschlagen, dass es natürlich unter den Muslimen eine Debatte über Homophobie geben muss. Es ist allerdings nicht die nicht-muslimische Mehrheitsbevölkerung, die diese Diskussion führen soll. Dies ist eine interne Angelegenheit, die wir Nicht-Muslime höchstens unterstützen können. Dann allerdings bitte im Hinterkopf behalten: Studien zeigen, dass Homophobie nicht allen Muslimen pauschal unterstellt werden kann, im Fall USA sind Muslime genau so tolerant wie Christen, wie eine Untersuchung des PEW-Forschungszentrums aus 2014 das bewies. In der Öffentlichkeit kommt das eventuell anders rüber.

Ein Beispiel aus Deutschland: Die größte Moschee Berlins, die Şehitlik-Moschee, hat vor ein paar Monaten gemeinsam mit einem schwul-lesbischen Verein eine Veranstaltung gegen Homophobie angekündigt. Die Veranstaltung musste dann aus verschiedenen Gründen verschoben werden, das gab direkt einen Skandal. Manche sahen es als Zeichen, dass der Islam halt doch homophob sei. Als die Veranstaltung an einem anderen Ort nachgeholt wurde, hat das weitaus weniger Medien interessiert.

Egal, wie oft ich von der fast schon unausweichlichen Homophobie  der Muslime lese: Ich werde keine Angst vor meinen muslimischen Nachbarn in Neukölln oder vor Menschen aus Einwandererfamilien haben. Statt Angst zu haben, sollten wir uns – die Zivilbevölkerung, queere Menschen, Muslime und andere – gegen jegliche Form von Ausgrenzung engagieren. Wenn mich also auf der Straße ein Skinhead oder Salafist anpöbelt, würde ich in keinem der beiden Fälle die Straßenseite wechseln. Sondern eine Demonstration gegen beide organisieren. Und hoffen, dass viele mit mir gegen jegliche Form von Extremismus marschieren würden.“

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