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Zeig her deine Wasserflasche
Das Mädchen an der Kasse des Kunstfestivals trägt eine schwarze Bikerjacke, hat einen blonden Pferdeschwanz und an der Leine einen großen, schwarz glänzenden Hund, auf den sie ab und zu mit „Du gehörst mir, hör auf mich“-Blick herabsieht. Es ist die Sorte Familienhund, die in Agenturen gerne ein Cowboy-Halstuch umgebunden bekommen und im Impressum als Teil des Teams vorgestellt werden. Einerseits ist das dann einfach nur das Tier eines Chefs. Oder bei diesem Mädchen an der Kasse einfach nur: ihr Hund. Aber er ist auch noch etwas anderes. Er ist Teil eines Styles, der sagt: „Seht her, dies ist mein schöner, großer Hund. Wenn du mir blöd kommst, dann ist dieser Hund auf meiner Seite. So stehe ich immer ein bisschen über den Dingen.“ Tatsächlich hat es etwas sehr Zauberhaftes, wenn man dieses Mädchen dann morgens mit ihrem Hund durch die Straßen laufen sieht: Sie ist ganz bei sich und doch nicht ganz allein. Der große, schöne Hund unterstreicht ihre Coolness-Glaubwürdigkeit. Er ist kein Accessoire, das man unter diesem Titel an einem Drehständer einer Boutique kauft – aber er ist eines, das im weiteren Sinne dazu beiträgt, was man als den „Style“ einer Person bezeichnet.
Natürlich sagen alle Dinge, mit denen jemand sich umgibt, irgendetwas über seine Person aus. Den meisten Leuten aber ist das egal. Sie haben eine Wasserflasche von Penny dabei und drapieren das, was sie lesen, nicht sichtbar um den Körper herum, auch wenn es ein noch so intellektueller Stoff ist. Andere Menschen hingegen kokettieren mit diesen Dingen. Sie begreifen jeglichen mobilen Krimskrams als Teil ihres Styles und geben sich alle Mühe, diesen zu kultivieren: Das aus der Parkatasche ragende Foucault- oder Jack Kerouac-Buch. Die zusammengerollte Wochenzeitung, die aus dem Rucksackloch guckt. Evian-Flaschen braucht man ja gar nicht mehr anzuführen, sie waren mal die Verkörperung von Kate Moss am Pariser Flughafen, jetzt sind sie nur noch ein banales Tankstellengesöff. Man braucht schon was Zeitgemäßeres, besondere Glasflaschen aus dem Wassersortiment von Manufactum zum Beispiel, oder vom Flughafen, wo es besonders exotische Wassermarken gibt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In der siebten Klasse war es ziemlich „in“, den bebe-„Perlglanz“ Lippenpflegestift zu besitzen, etwas später war es irgendwie sehr amerikanisch-kosmopolitisch immerzu den kleinen Lip Balm-Tiegel vom Body Shop mit Erdbeergeschmack hervorzuziehen. Heute ist es vielleicht die Kiehls-Tube oder etwas von Dr. Hauschka – eigentlich ist alles besser, als der Aldi-Labello, den man bei Mama zu Hause mitgenommen hat, weil es ihn immer im Doppelpack gibt.
Auf Blogs gibt es manchmal Weiterreich-Aktionen wie „Zeig deine Tasche“. Dann packen alle teilnehmenden Blogmenschen das aus, was täglich in ihrer Handtasche rumfliegt und schreiben ein paar Worte dazu. Nur sehr selten hat man dabei das Gefühl, dass der oder die Schreibende ehrlich war. Von verrotzten Taschentüchern, leeren Kaugummipapieren, zerknickelten Fahrscheinen und einem Bierkorken ist selten die Spur, die Inhalte der meisten Taschen wirken drapiert und hochkarätig, oder zumindest gewollt lässig.
Wenn man klammheimlich in den Ecken, die sonst banal sind, etwas Glamour einfügt, dann steckt dahinter vielleicht die Hoffnung, dass so das Leben insgesamt ein bisschen glamouröser werden könnte. Vielleicht ist das so eine Sehnsucht danach, dass endlich mal alles wie in der Werbung ist, oder zumindest wie im Lieblingsfilm. Wo zwar nicht immer alles perfekt ist, wo sich aber immer alles nach etwas Bedeutungsvollem anfühlt.
Es ist eigentlich sehr unsympathisch beiläufig heraushängen lassen zu wollen, dass man cool, schlau und weltgewandt ist. Denn: Nur wenige Menschen haben es ja wirklich drauf, etwas heraushängen zu lassen, ohne dabei durchschaut zu werden. Aber vielleicht ist es manchmal trotzdem notwendig, so zu tun, als sei man auch da cool, wo eigentlich jeder uncool ist – oder zumindest ziemlich Penny-Wasserflaschen-banal. So, wie es manchmal notwendig ist, die Kopfhörer aufzusetzen, lautzudrehen und sich vorzustellen, man spiele die Hauptrolle in einem Film, in dem das coole Mädchen gerade zu wahnsinnig cooler Musik eine Straße herunterläuft. Und wo alle diesem Mädchen hinterhersehen als wäre sie aus Gold. Wo überhaupt alles so scheint, als sei dieses die-Straße-Herunterlaufen einer der bedeutungsvollsten Momente des ganzen Lebens. Obwohl einfach nur Mittwochnachmittag ist, niemand außer einem selbst das Wahnsinnslied mithört und einem auch keiner hinterherguckt.
Text: mercedes-lauenstein - Illustration: Katharina Bitzl