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Was ist Eleganz?
Für mich war Eleganz immer Audrey Hepburn: Rehaugen, schmale Taille, 7/8-Hose und Ballerinas. Audrey mit Zigarettenspitze und dicken Perlen, verschmitzt und doch unnahbar. Wie oft habe ich sonntags mit meiner Mutter „Ein Herz und eine Krone" geschaut, zugesehen, wie sie in Tellerrock und mit Seidentuch um den schmalen Hals, die Arme fest um Gregory Peck schlingt, um Rom von der Vespa aus zu entdecken – bevor ich selbst zum Handball musste und mit zerschlagenen Knien zurück kam.
Doch ihr Vorbild ließ sich nur schwer übertragen: die Perlenohrringe machten mich alt; die Hochsteckfrisuren klappten unter der Woche nachts allein vorm Spiegel, aber nie, wenn ich samstags abends das Haus als Grande Dame verlassen wollte. Zu viel Nostalgie, zu wenig Gegenwart steckte in dieser Vorstellung von Eleganz. Sie entsprach nicht meiner Gefühlswelt und der Suchbewegung, die das Einkleiden für mich zu dem Zeitpunkt war und immer noch ist. Elegant zu sein bedeutete auch irgendwie unflexibel sein.
„Eleganz ist Verweigerung", soll Coco Chanel einmal gesagt haben. Aber was verweigert man? Vielleicht eine Haltung, vielleicht auch Innovationen. Denn Eleganz ist mehr als die Art und Weise, wie man Kleidung kombiniert, sie ist auch die Art, wie man das Getragene mit Leben füllt. Und die Botschaft eleganter Frauen schien in den meisten Fällen Verlässlichkeit, ein gewisses Maß an Kontrolle zu sein, eine Vorhersehbarkeit, die immer ein bisschen was von einer weißen Weste hatte. Was darunter steckt – wer weiß. Schlicht, aber schön und vor allem bruchlos sollte der elegante Auftritt sein. Bloß kein Exzess. Aber was hat diese hepburnsche Eleganz noch mit dem Jetzt zu tun?
Mit meinem Leben herzlich wenig. Schließlich läuft man am Ende immer einer Idee von Perfektion hinterher, die so stilisiert unschuldig, so nicht-ordinär ist, dass ein Wiedererkennen kaum möglich wird. Keine Orientierungshilfe. Keine Inspiration. Eine Sackgasse. Doch was ist die Alternative?
Wahrscheinlich gibt es die Eleganz in der Form heute gar nicht mehr. Vielmehr hat sie in Frauen, die ihre Brüchigkeit anzuerkennen versuchen, eine neue Form angenommen. Vielleicht sind Frauen wie Lena Dunham oder Zooey Deschanel die Audrey Hepburn der Gegenwart. Sie schreiben, produzieren und spielen beide die Hauptrolle in ihren eigenen Serien: Dunham in „Girls" und Deschanel in „New Girl". Keine von ihnen würde man als klassisch elegant bezeichnen. Genau das scheint ihr Vorteil, gegenüber all den anderen Serien-Trullas zu sein. Sie sind cool, weil sie uncool sind, ohne sich was darauf einzubilden; weil ihre Figuren an sich zweifeln, sich streiten und als Wiedergutmachung etwas Selbstgemachtes und keinen Diamantring bekommen. Weil sie modisch auch mal daneben greifen, manchmal aber auch voll ins Schwarze. Wie Dunhams Figur Hannah Horvath, die sich freut, wenn sie es schafft, fast-passende Schuhe zu ihrem Kleid auszuwählen, und dabei weder kokett noch anbiedernd ist. Oder Deschanels Figur Jess Day, die auf Pünktchen und Plüsch besteht, weil es ihr gut tut, sie Spaß daran hat, es sie manchmal tröstet, und weil sie weiß, dass sie auch anders kann. Ihre Anmut liegt darin, dass sie dem Kontrollzwang der Trends zu entkommen versuchen, dass sie sich nicht festlegen wollen. Sie sind keine Sehnsuchtsfiguren, wie die Hepburn eine war. Sie reflektieren verschiedene Weiblichkeiten und probieren aus. Ihr Stil ist nicht zu greifen – sie sind nicht zu greifen. So, als würde man sie wirklich gerade neu kennenlernen und währenddessen dabei zusehen, wie sich selber kennenlernen. Und dieser Tanz um eine eigene Mitte, der ist vielleicht die neue Form von Eleganz.
Text: mareike-nieberding - Illustration: katharina-bitzl