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Schieß es in den Wind, mein Kind

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"Ich kann dieses Stück noch meinen Urenkeln vermachen. Wenn man das mal auf so viele Jahre herunter rechnet, dann kostet mich das nur noch ein paar Cent im Jahr." Oder:"Wenn ich jetzt beim Schwarzfahren erwischt worden wäre, wäre ich auch 40 Euro ärmer." Oder: "Andere Leute werden beklaut oder verlieren etwas und sagen dann: Was ich mir da hätte Schönes für kaufen können!"

Ich habe noch viel mehr solcher Sätze auf Lager, aber diese sind in meiner Top Drei, wenn es darum geht, mir meine modischen Einkäufe schön zu reden. Ich kaufe längst nicht mehr nur zu besonderen Anlässen, so wie früher, als ich jedes halbe Jahr aufgeregt und mit meinem mühsam gesparten Geld gezielt in meine Lieblingsläden lief und es dort ausgab. Mittlerweile kaufe ich vor allem zwischendurch, häppchenweise und immer öfter. In einigen Monaten schaue ich so regelmäßig im Sale vorbei, wie ich mir ein Eis kaufe. Nur dass ich dann jedes Mal statt einem im Schnitt gleich 40 oder 50 Euro los bin. Immer öfter bestelle ich Klamotten im Internet, nur zur Ansicht, und behalte sie dann doch. Ich sage mir dann einerseits, dass mein großzügiges Kaufverhalten ja keine schlechte Entwicklung ist - immerhin bedeutet es, dass ich mittlerweile etwas mehr Geld habe als früher und dass ich mir auch erlaube, das zu genießen. Es ist ja nicht so, dass man nur Sparsamkeit lernen muss. Je nach dem, wie man erzogen worden ist, kann es auch eine ziemliche Herausforderung sein, Geld einfach mal hemmungslos auszugeben. Trotzdem frage ich mich immer: Müsste ich nicht langsam mal eingreifen? Was, wenn das so weiter geht? Verliere ich vielleicht unmerklich die Kontrolle über mein Geld? Wie schlimm sind diese 100 Euro wirklich? Und ab wann fängt eigentlich diese Kaufsucht an, über die es früher immer diese ausgedehnten Reportagen in Mädchenmagazinen gab?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das Interessante ist: Ich gebe auch zu viel Geld für Bücher und Magazine aus. Weniger Coffee-to-go und weniger Restaurantbesuche würden mir sicher auch gut tun. Darüber zerbreche ich mir aber nicht halb so oft den Kopf, wie über Ausgaben für Mode. Woher kommt das? Vielleicht daher, dass mir noch niemand gesagt hat, dass ich ein Buch oder ein Magazin nicht brauche, und erst recht nicht, dass ich das mit dem Essen sein lassen sollte? Bei Klamotten hingegen habe ich das schon oft und von so unterschiedlichen Seiten gehört, dass es sich fast wie eine Art Alltagsgrundgesetz in meine Moralvorstellungen gebrannt hat. Jedes Mal, wenn ich meine EC-Karte in das Gerät an der Kasse stecke und auf Summe bestätigen klicke, liegt mir also dieser Satz in den Ohren: Naja, eigentlich brauchst du das nicht. Eigentlich solltest du es sinnvoller anlegen.

Aber was, wenn ich es doch brauche? Nicht, weil ich ohne es nicht leben kann, aber vielleicht, weil ich einfach Freude daran habe? Wie viel Kulturbedeutsamkeit Mode wirklich für mich hat und wie viel Einfluss sie auf mein tägliches Wohlergehen hat, ermesse ich schließlich selbst. Trotzdem meldet sich zu oft diese abschätzige Stimme in mir zu Wort: Du gibst dein Geld also vorrangig für Mode aus. Ist die nicht eigentlich viel zu oberflächlich, unwichtig und viel zu vergänglich, als dass man besonders oft und exzentrisch in sie investieren sollte?

Hat das nur etwas damit zu tun, dass Mode in einigen Kulturen höher gewertschätzt wird und in anderen weniger? Und dass wir in unserer Kultur da eher einen gewissen Pragmatismus anerzogen bekommen haben? Auf dem verschlungenen Weg, eine Antwort darauf zu finden, frage ich mich oft, was eigentlich das Pendant zum schlechten-Gewissen-für-Mode-ausgeben bei nicht so modeaffinen Menschen ist. Gibt es das? Indiskutables Zeug wie Drogenkaufen jetzt mal ausgeschlossen? 

Manchmal wünsche ich mir eine Faustregel, die unter Einbezug aller Ausgabefaktoren besagt, welche Summe ich im Monat für Klamotten ausgeben sollte. Ich hätte auch gern eine Zusatzformel dafür, welche Übertritte dieser Regel im Rahmen sind und wie schnell ich solche Übertritte noch weiter strapazieren darf - und durch welche vernünftige Einsparungen ich sie auf anderer Ebene wieder ausgleichen kann. So eine Faustregel kann mir natürlich so einfach niemand liefern, denn ich bin es vermutlich selbst, die abschätzen muss, wie sparsam oder großzügig ich mit mir selbst, meiner Gegenwart und meiner Zukunft durch das Leben schreiten möchte. Aber das ist eine ganz andere Frage und ich weiß noch nicht, ob ich darauf jemals eine so eindeutige Antwort darauf finden kann, dass sie sich in eine Formel pressen lässt.


Text: mercedes-lauenstein - Illustration: Katharina Bitzl

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