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Ist es wichtig, einen eigenen Stil zu haben?

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"Stil" klingt eigentlich viel zu sehr nach einer selbstbewussten Ikone und nach jemandem, der für sich selbst bereits ziemlich gnadenlos festgelegt hat, was schick und was daneben ist. Manchmal denke ich, "wahrer Stil" ist so etwas wie "Glück", eine Idealform, die einem an einigen Tagen gelingt, an anderen aber lediglich umkreist bleibt. Ungefähr das, was das im Falle des Glücks das Arrangement der Alltagszufriedenheit ist. Trotzdem frage ich mich, wenn ich mir die Menschen in meinem Umfeld ansehe, wie es wohl bei ihnen dazu gekommen ist, dass sie sich kleiden, als gäbe es in ihrer Garderobe einen roten Faden des Geschmacks.

Ganz egal, wie sehr jemand Mode verachtet oder den Akt des Einkaufens hasst: jeder entscheidet sich aus irgendwelchen Gründen für ein Kleidungsstück. Aber bei wem haben sie diesen Stil zum ersten Mal gesehen und was hat sie daran angesprochen? Hat es mit Rebellion zu tun oder ist es eher ein braves Mitschwimmen in einem gesellschaftlichen Kreis? Hatte die "Anziehpolitik" ihrer Eltern einen Einfluss auf ihren Stil?

Ich war in der fünften Klasse in einer Clique voller Mädchen, die langsam aber sicher anfingen, sich kleine Täschchen unter die Arme zu hängen und allerlei sonstigen Glamour- und Glitzersachen gut zu finden. Mir gefiel weder die Ästhetik dieses Stils noch gefiel mir die betuliche Haltung, die damit einherzugehen schien. Was ich gut fand, waren Jungs und Mädchen in Oldschool-Trainingsjacken, alten Ledertaschen, bunten Sneakern und Kopfhörern, aus denen Singer/Songwriter-Kram dudelte. Zum ersten Mal verfolgte ich bewusst eine Art Stil. Das Äußere hatte auf einmal sehr, sehr viel mit meine Inneren zu tun. Ich wollte von niemandem missverstanden werden: Ich war keine oberflächliche Tussi, sondern ein hinterfragendes Mädchen mit Sinn für Interessantheiten. Im Nachhinein klingt das alles überhaupt nicht interessant sondern eher ziemlich durchschaubar und ebenso wenig individuell wie das von mir Verabscheute, aber das fand ich damals natürlich überhaupt nicht. Die von mir bewunderte Alternativszene machte es mir leichter, mich selbst zu begreifen. Ich hatte etwas, an das ich mich halten konnte und worüber ich mich definieren konnte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Heute wüsste ich keine Bezeichnung mehr für meinen Stil. Ich gehöre keiner klassischen Jugendgruppe mehr an und nehme mir überall ein wenig von dem, was mir intuitiv gefällt. Ich kenne mittlerweile ungefähr den Unterschied zwischen: "Das gefällt mir, ich kaufe es!" und: "Das gefällt mir, aber ich ziehe es sowieso nie an!" Trotzdem komme ich nicht um diese Momente herum, in denen ich andere Menschen auf der Straße um ihren Stil beneide. Die etwas ausstrahlen, das ich in diesem Moment auch gern hätte. Die ich plötzlich in ihrem knallbunten Jumpsuit und ihren bonbonfarbigen Plateauschuhen unglaublich cool aussehend finde und ich plötzlich ins Zweifeln gerate, ob ich nicht vielleicht ganz anders bin und meinen Stil auf der Stelle ändern sollte.

Aus irgendwelchen Gründen aber geht das nicht. Ich kann meinen Stil nicht so einfach ändern, selbst, wenn ich es wollte. Ich fühle mich aus irgendwelchen Gründen nur in eben diesen gewissen Anziehsachen wohl, die ich mir aussuche auch wenn andere Leute mir noch so oft beteuern würden, dass ich in diesem oder jenem anderen vielleicht viel besser aussehe. Ich frage mich also: Was genau liegt wirklich hinter meinem Stil?

Wahrscheinlich ist es alles viel weniger mystisch, als ich denke. Letztlich entwickelt sich ja jedes Interesse durch viele Faktoren: die Familie, frühere, aktuelle Freundeskreise und letztlich auch ein wohl nicht zu ergründender Anteil des ureigenen Charakters, der nun mal eben so auf die Welt gekommen ist, entscheidet, was ihm schmeckt oder nicht schmeckt, was er mag und was er nicht mag.

Als ich mit sechzehn Jahren mal mit einer Freundin in der Stadt unterwegs war, und wir irgendwo eine Pause einlegten, sagte sie: "Irgendwie fühle ich mich nicht wohl und ich glaube, das hat mit meinen Anziehsachen zu tun. Kennst du das Gefühl, sich am Morgen für die falschen Klamotten entschieden zu haben?" Sie meinte falsch angezogen nicht im Sinne von "zu kalt" oder "zu warm" oder "zu eng" oder "zu weit". Eher innerlich falsch, weil man sich anders fühlt, als man nach außen aussieht und einen das auf eine merkwürdige Art und Weise hemmt.

In diesem Moment wurde mir die Sache mit dem Stil schon ein bisschen klarer. Ich dachte, dass trotz aller Kritik an der Oberflächlichkeit der Mode an sich, das eigene Anziehen dennoch mehr ist, als der reiner Schmuck. Man trägt das Innere nach außen - und wahrscheinlich ist es auch deshalb nur normal und gar nicht furchterregend, wenn man nicht genau weiß, was das jetzt eigentlich genau ist. Und dass es heute etwas ganz anderes ist, als es man vor einigen Monaten noch dachte.


Text: mercedes-lauenstein - Illustration: Katharina Bitzl

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