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„Ich würde auch gerne irgendwann in Deutschland wählen“

Foto: Prajwal Veeresha Sajjan

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Manideep Allu, 25, kam aus Indien für den Master in „Chemical and Energy Engineering“ nach Deutschland. Er ist eine der Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. Wir protokollieren seinen Alltag und wollen wissen: Klappt Integration? In Folge 9 erzählt er, warum der Wahl-O-Mat nichts für ihn ist und wie seine Jobsuche läuft.

Mein Kleiderschrank ist jetzt begehbar. Etwas unordentlich, das gebe ich zu. Ich muss mich erst an den Platz gewöhnen, mein Schrank war nämlich noch nie so groß. Seit Anfang Oktober wohne ich in einer neuen WG. Von dem Umzug hatte ich letztes Mal aus Indien erzählt. Durch den Umzug innerhalb von Braunschweig spare ich jetzt 50 Euro monatlich. Mein Umzug war billig, die einzigen Kosten: 30 Euro fürs Taxi. Ich bin Single, lebe alleine, mein gesamter Besitz passt in ein paar große Taschen. Die alte Wohnung war möbliert und die neue ist es auch. Ich bin aktuell glücklich mit den Veränderungen. Meine Uni-Karriere ist bald abgeschlossen, keine Prüfungen mehr, nur noch die Masterarbeit. Die schreibe ich über das Unternehmen, bei dem ich als Werkstudent arbeite. Ich rechne aus, wie viel CO₂ sie emittieren. Für Logistik, Produktionsanlagen, Spritzgussmaschinen, inklusive pendelnden Mitarbeitern. Das ist wichtig zu wissen, wenn das Unternehmen CO₂-neutral werden möchte – um zu sparen, muss man wissen, wo.

Mein bestes Erlebnis der letzten sechs Wochen:

Die neue WG macht mich echt glücklich. Wir sind zu dritt. Ein weiterer Inder, selber Bundesstaat, selbe Sprache, selber Humor. Mein zweiter Mitbewohner ist Bulgare, er hat seinen Doktor in Deutschland gemacht und arbeitet jetzt an der Uni. Ich bin gerne unter Internationals. Wir drei sind als Zweck-WG gestartet, inzwischen unternehmen wir viel zusammen. Zum indischen Diwali-Fest sind wir zu dritt nach Hannover zum hinduistischen Tempel für eine Zeremonie gefahren. Danach sind wir indisch Essen gegangen. Ich vermisse keine deutschen Mitbewohner, deutsch kann ich mit meinen schließlich ebenfalls sprechen.

Meine neueste Entdeckung:

Der Wahl-O-Mat. Das hat mir mein Manager gezeigt. Man kann Fragen beantworten, am Ende wird angezeigt, welche Partei am besten zu mir passt. Das finde ich eine tolle Idee. Ich würde gerne irgendwann in Deutschland wählen, bisher habe ich das nicht einmal in Indien gemacht, weil ich zu jung war, bevor ich weggezogen bin. In Deutschland dauert es noch mindestens vier Jahre, bis ich Kreuze setzen darf. Vielleicht ist das gut so, denn als ich den Wahl-O-Mat ausprobieren wollte, habe ich nach ein paar Fragen abgebrochen. Ich konnte manches nicht beantworten, weil es um irgendwelche Sachen aus der deutschen Geschichte ging und um LGBTQ. Davon habe ich so wenig Ahnung, weil das in Deutschland ganz anders gehandhabt wird. Ich verstehe nicht wirklich, wieso das im Wahl-O-Mat abgefragt wird. Gott hat zwei Geschlechter geschaffen und ich glaube, dass es nur zwei gibt, was hat das mit der Bundestagswahl zu tun? 

Mein aktuelles Lieblingswort und warum?

Kulturschock. Das klingt so deutsch und hart, deshalb passt es gut zu seiner Bedeutung. Ich hatte das, als ich herkam. Ist doch klar: Bei den Eltern aufzuwachsen ist in Indien anders, die Umgebung, in der man aufwächst – anders. Schule, die Art des Unterrichts – ganz anders. Indien ist so ein riesiges Land, wir könnten Deutschland in einen Bundesstaat von Indien reinpacken. Da läuft natürlich vieles anders, weil man 1,4 Milliarden Menschen nicht kontrollieren kann. Indien ist viel chaotischer. Das vermisse ich manchmal. Gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich in beiden unterschiedlichen Kulturen leben darf.

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