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Kunsthistoriker vs. Freibier-Schnorrer

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Steht vor dem Freibier: Vortrag einer Kunsthistorikerin, Abbildung ähnlich

Die Situation:  

Das Problem ist schon auch, dass die Kuratorin in einem etwas zurückliegenden Fall ein mit grellem Lippenstift nachkolorierter Loriot-Sketch ist. Und dass sie die Veranstaltung als Bühne begreift. Mehr für Kunst und Schönheit als für sich selbst. Aber trotzdem. Sie führt also nicht nur kurz ein in das ausgestellte Werk, sie doziert über die Fotografien. Mit profundem kunsthistorischem Habitus. Einzeln. Lang. Interpretiert, liest, spürt, leidet in sie hinein. Oft auch wild. Über die „verborgen brennende Sexualität“, die der rote Lippenstift einer sonst abweisend steif dastehenden Frau verrät. Über die gelben und grünen Pfeile, „die – in unterschiedliche Richtungen weisend – die sonst monochrome Ordnung und die klaren Linien des Fotos zu zerreißen scheinen“. Sie sagt „Sujet“ statt Motiv. Sie benutzt oft das Verb „evozieren“. Oft auch falsch. Der erste Lachkrampf bricht sich nach knapp zehn Minuten Bahn. Verständlich. Aber auch unfair. Denn bei Vorträgen auf Vernissagen lachen ja meistens Menschen, die eher nicht wegen seelischer Erbauung durch Kunst da sind, sondern wegen Alkohol. Also explizit nicht die eigentlichen Adressaten.


Dort treffen sie aufeinander:

Auf Vernissagen und überall sonst, wo dem Freibier ein Vortrag über Ästhetik im Weg steht. Selten also etwa auch auf Filmpremieren. Wobei meist eine umgekehrte Proportionalität gilt: Je kleiner der Rahmen, je kleiner also auch die Alkoholvorräte, desto länger der Vortrag. Desto zugespitzter also auch der Konflikt.

Darum hassen sie einander:   

Der Wege wegen. Bei Kunst – vor allem bei ihrer Interpretation – geht’s ja meistens ums Eck. Oft auch auf Umwegen. Trinkern liegen die kurzen Strecken mehr – grad raus zum Beispiel. Und am besten gradaus an die Bar.


Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts: 

Je später der Abend, desto schärfer gezeichnet die Trennlinien, desto schwieriger die Kommunikation, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Fragen nur noch mit Gegenfragen beantwortet werden: „Wem, frage ich mich, zerreißt die Diskrepanz aus Sinn und Sinnlichkeit nicht das Herz?“ – „Wem, frage ich euch, soll ich noch ein Bier mitbringen?“


Das können wir von ihnen lernen:  

Fünf Kurze in der Kunst und fünf Kurze an der Bar: ganz andere Welten. Pastos und Pastis auch.

Text: jakob-biazza - Fotos: dpa

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