- • Startseite
- • Alkolumne
-
•
Wenn Freunde Liebeskummer haben, trinkt man aus Solidarität
Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.
Als es zwischen meiner besten Freundin und ihrem Freund aus war, tat das sehr weh. Und natürlich war ich für sie da. Als beste Freundinnen hält man schließlich zusammen und bereitet sich auf ein Notfallprogramm vor. Bei meiner Freundin bestand das aber nicht aus Schoko-Eis futtern, zu Liebesfilmen schluchzen oder irgendeinem anderen abgedroschenen Klischee. Nein, sie ging lieber feiern.
Eigentlich sympathisch. Wenn ich an meine letzte Trennung denke, erinnere ich mich an Monate der selbstauferlegten Einkerkerung gepaart mit unkontrollierter Arbeitswut.
Ich gehe eigentlich gerne weg. Aber jedes Wochenende und dank der Feiertage im Mai auch unter der Woche mit einem Kater aufzuwachen, ist für mich eine Herausforderung. Doch wenn die beste Freundin gerade eine Trennung durchmacht, muss man auch mal durch ein Tal aus Alkohol gehen. Verständlicherweise will sie gerate etwas nachholen nach all diesen Jahren gemütlicher Zweisamkeit. Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich sie dabei nicht unterstütze?
Doch zwei Dinge habe ich dabei anfangs nicht bedacht: Zum einem macht einen die Trinkerei ganz schön fertig. Man ist dauern müde, schafft sein eigenes Pensum nicht mehr, gerät selbst unter Stress und hat damit auch keine Kraft, um wirklich für jemanden da zu sein. Was zum zweiten Problem führt: In einer Freundschaft bedeutet für den anderen da zu sein nicht, dass man einfach nur dabei ist. Es reicht nicht, einfach nur bei jeder Zerstreuung mitzumachen. Manchmal muss man den anderen auch zum Nachdenken und Reden bringen, selbst wenn das erstmal mehr Schmerz bedeutet.
Wir schienen das Reden stückweise durch Feiern ersetzt zu haben
Eigentlich hatte ich nie ein Problem damit, meine Freundin auch mit unangenehmen Dingen zu konfrontieren, wenn ich es für angebracht hielt. Seitdem wir uns kennen – immerhin bald zehn Jahre – führen wir eine sehr ernsthafte Freundschaft. Wir diskutieren beide sehr gerne über politische und philosophische Themen, aber teilen auch persönliche Gefühle und Gedanken. Generell war uns die Meinung der anderen immer schon sehr wichtig. Aber jetzt schienen wir das Reden stückweise durch Feiern ersetzt zu haben.
Nicht, dass wir nicht mehr miteinander sprachen, wenn wir unterwegs waren. Aber wir sprangen ständig schnell von einem Thema zum nächsten. Über ihre Trennung haben wir zwar auch gesprochen, aber kratzten jedes Mal nur an der Oberfläche, um dann wieder über etwas anderes zu sprechen. Das lag zum einem am Alkohol, denn so ein Abend fing schon mit zwei Gin Tonics und einem großzügigen Tequila-Shot in der Küche an und meistens wurden wir dann ziemlich schnell albern, sodass ernste Gespräche erstmal nicht mehr möglich waren. Zum anderen, weil wir ja planten, auszugehen, und da sind gute Laune und Zerstreuung eher angesagt als Probleme wälzen.
So ging das ein paar Wochen: trinken, Leute kennenlernen, feststellen wie teuer München ist, tanzen, noch mehr trinken, zum Schluss eine fette Portion Pommes und am nächsten Tag ein leerer Geldbeutel. Am Anfang war ich ihr dankbar dafür. Sie riss mich aus meinem Alltagstrott und so viel Zeit hatten wir schon lange nicht mehr miteinander verbracht.
Doch die körperlichen Nachwehen wurden mit der Zeit schlimmer: ständig ein dicker Kopf und eine Müdigkeit, die mich von der einen bis zur nächsten Feierei fast durchgängig begleiteten. Ich merkte: Man denkt immer, man ist trinkfest, bis man es mal wirklich ausprobiert.
Ich bewunderte das Durchhaltevermögen meiner besten Freundin, die mit immer neuen Partyplanungen ankam. Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen meiner Praktikumsstelle, meinen Masterbewerbungen und meinem Körper gegenüber, die alle gerne ein bisschen mehr Aufmerksamkeit gehabt hätten. Ich konnte mich nur schwer konzentrieren und beim Sport hielt ich keine zehn Minuten durch, obwohl ich gerade auf einen Halbmarathon trainierte.
Zudem machte ich mir Gedanken um meine Freundin: Ich fragte mich, ob sie ihre Trennung nicht doch anders bewältigen und ich sie mehr zum Reden und Nachdenken bringen sollte? Doch wenn wir ausgingen, wirkte sie gut gelaunt, sie hatte Spaß und ich traue mich nicht sie auf die Trennung anzusprechen, aus Angst sie dadurch traurig zu machen. Denn natürlich sehe ich meine beste Freundin lieber lächeln als weinen. Und ganz ehrlich: Muss man jede Trennung durchheulen und durchleiden? Vielleicht geht es auch so? Also setzte ich ebenfalls ein Lächeln auf und gieße lieber nochmal nach.
Betäuben hilft nur eine gewisse Zeit lang – bis der Körper sich an das Mittel gewöhnt hat
Irgendwann hatte ich aber das Gefühl, dass auch ihr Lächeln beim Weggehen bröckelte, sie sich weniger über Gespräche mit neuen Leuten freute und ich spürte, dass es langsam an der Zeit war, sie doch an ihre Trennung zu erinnern. Nicht aus Bosheit, aber aus Sorge, dass es sie doch einholt und sie sich durch das Feiern am Ende noch schlechter fühlt. Denn Betäuben hilft meistens nur eine gewisse Zeit lang – bis der Körper sich an das Mittel gewöhnt hat und es nicht mehr wirkt.
Als wir nach der letzten Party wieder einmal ziemlich fertig in der Küche saßen, jeweils eine Schmerztablette einwarfen und uns verkatert anblickten, schaffte ich es endlich zu sagen: „Du, ich kann nicht mehr. Und ich glaube das mit der Zerstreuung nimmt gerade Oberhand.“ Und zu meiner großen Erleichterung sagte sie: „Ich auch nicht. Und ich glaube du hast Recht.“ Nachdem das ausgesprochen war, führten wir ein langes Gespräch darüber, wie es ihr gerade wirklich ging. Es wurde dabei zwar nicht gelacht und getanzt, aber es tat ihr, mir und unserer Freundschaft gut.
Anschließend wurden wir wieder ein bisschen langweilige. Wir verabredeten, erstmal eine Pause einzulegen, dann das Weggehen auf ein- bis zweimal die Woche zu beschränken und eine Zwei-Drink-Regel einzuführen.
Vor allem aber weiß ich jetzt, dass ich mich mit meinen Bedenken nicht zurückhalten muss. Gerade dann, wenn der Kompass eines Menschen, der einem so nahesteht, ein bisschen orientierungslos ist, sollte man „Stop“ sagen können. Auch, wenn es die Person zunächst verletzt. Und zum Glück kann ich das umgekehrt auch von ihr erwarten, sollte ich mich mal zu oft mit Feiern und Trinken betäuben wollen.