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Was passiert, wenn man auf Antidepressiva trinkt?
Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.
Es fühlt sich für Betroffene einer Depression bisweilen so an, als hätten sie die Arschkarte des Lebens gezogen. Nicht nur haben sie eine unsichtbare Krankheit, die sie ängstlich, antriebslos, verzweifelt, genervt von sich selbst macht, weil sie nichts zustande bringen, und die im schlimmsten Fall lebensbedrohlich ist. Nicht nur glauben sie, sich ununterbrochen vor sich selbst rechtfertigen zu müssen und vor wohlmeinenden Mitmenschen, die ihnen Yoga und gesunde Ernährung empfehlen, nicht wissend, dass es manchmal geradezu übermenschliche Anstrengung kostet, einfach nur vom Sofa aufzustehen und unter die Dusche zu gehen. Nein, sie müssen auch noch tunlichst auf vieles verzichten, was das Leben vielleicht ein bisschen erträglicher machen würde: Saufen ohne Reue zum Beispiel.
Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen in Deutschland an psychischen Erkrankungen leiden und Antidepressiva verschrieben werden (in Bayern stieg die Zahl der Patienten in den letzten zehn Jahren um 26 Prozent) und dass es auch heute noch Fragen aufruft, wenn man in Gesellschaft keinen Alkohol trinkt, hat der Tweet von @rantmannshans einiges an Relevanz:
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Dabei ist Alkohol für viele Menschen mit einer Depression zunächst das erste Mittel der Wahl. Denn bis sie eine Diagnose erhalten, versuchen viele, die negativen Gefühle, die sie ständig begleiten, so lange wie möglich zu unterdrücken und sich abzulenken. Selbstmedikation nennt man das – und viele Menschen betreiben diese mit Alkohol. Denn das ist ja das Gute am Alkohol: Er hilft dabei, die Stimmung zu verändern. Er euphorisiert. Zumindest am Anfang eines Abends. Wird der Alkohol allerdings im Körper abgebaut, verstärken sich die Symptome einer Depression und können im schlimmsten Fall zu risikobehaftetem Handeln führen bis hin zu suizidalen Gedanken. Erst wenn diese Strategie nicht mehr funktioniert (und das tut sie ja eigentlich von Anfang an nicht), und das Leben aus den Fugen zu geraten droht, suchen sich die meisten Betroffenen Hilfe. Und bekommen im besten Fall schnell einen Termin bei einem Psychiater.
Das erste, was man von dem Therapeuten oder Psychiater hört, ist dieser Satz: Wer an einer Depression leidet, sollte Alkohol tunlichst meiden. Und wer Antidepressiva nimmt, der soll erst recht auf Alkohol verzichten, so steht es in jedem Beipackzettel jedes erhältlichen Antidepressivums. Aber warum eigentlich?
Es gibt viele Theorien, warum manche Menschen an Depressionen erkranken. Eine Erklärung für die Entstehung einer Depression ist, dass bei den Betroffenen die Rezeptoren im Gehirn schlechter auf Botenstoffe ansprechen. Antidepressiva helfen vor allem, den Patienten zu stabilisieren. Bildlich gesprochen, kappen sie die besonders tiefen Stimmungstäler ab und verhelfen dem Patienten, in einem „normalen“ Stadium zu verbleiben und sich so zu stabilisieren. Ist das gelungen, kann der Patient in einer Therapie die Behandlung bekommen, die er benötigt.
„Grundsätzlich steht bei allen Antidepressiva der Warnheinweis, dass man möglichst keinen Alkohol trinken soll“
Mit Abstand am häufigsten, nämlich in gut der Hälfte der Fälle, bekommen Patienten sogenannte Serotonin Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) verschrieben. Die wirken nämlich relativ gut und haben verhältnismäßig wenige Nebenwirkungen. Bei diesen Medikamenten sorgt der Wirkstoff kurz gesagt dafür, dass Serotonin, ein Botenstoff, der im ganzen Körper andockt, länger an den Rezeptoren herumschwimmt. Denn Serotonin ist unter anderem im Gehirn für unseren Antrieb zuständig und hat eine stimmungsaufhellende Wirkung. Das Medikament sorgt dafür, dass die Serotonin-Botenstoffe länger an den Kommunikationsstellen im Gehirn vorhanden sind und nicht so schnell abgebaut werden. Auch MAO-Hemmer und Trizyklische Antidepressiva haben eine ähnliche Wirkweise, allerdings haben beide Medikamente stärkere Nebenwirkungen und werden normalerweise nur bei schweren Depressionen und unter einer engmaschigen Begleitung durch den behandelnden Arzt verordnet.
Dr. Christa Roth-Sackenheim ist Psychotherapeutin, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. In dieser Funktion behandelt sie sowohl als Therapeutin, als auch als Psychiaterin, die Medikamente verschreibt. Fast immer wird sie von neuen Patienten gefragt, ob sie Alkohol trinken dürfen, wenn sie ein Antidepressivum einnehmen. Und ihnen allen antwortet sie immer gleich: „Grundsätzlich steht bei allen Antidepressiva der Warnheinweis, dass man möglichst keinen Alkohol trinken soll. Doch das ist Quatsch im Alltag. Ich empfehle meinen Patienten immer, dass sie zum Geburtstag oder an Silvester natürlich ein Gläschen Sekt trinken können, immer vorausgesetzt, dass sie danach nicht mehr Auto oder Fahrrad fahren oder wichtige Entscheidungen treffen.“
Klar ist, dass Alkohol für Menschen mit Depression nicht hilfreich ist. Denn die Wirkung von Alkohol verstärkt Depressionen. Christa Roth-Sackenheim erklärt das so: „Zu Beginn macht Alkohol ein bisschen euphorisch, deshalb trinkt man mehr. Aber wenn der Alkoholspiegel im Schlaf abfällt, wacht man meist mit einem tiefen Stimmungsbild auf. Depressive Menschen haben eh schon mit lebensmüden Gedanken zu kämpfen, sie fühlen sich wertlos, glauben nicht daran, dass sie ihr Leben bewältigen können. Wenn diese Stimmung verstärkt wird, kann das ziemlich gefährlich werden. Nimmt man Antidepressiva ein und trinkt Alkohol dazu, dann sabotiert man die stimmungsaufhellende Wirkung des Medikaments.“
Die meisten Patienten von Dr. Roth-Sackenheim halten sich an ihre Empfehlung, Alkohol nur sehr sporadisch und in geringen Dosen zu sich zu nehmen: „Diese Information wird meist gerne angenommen. Die Menschen achten dann auf sich. Bis sie zu mir kommen, haben sie ja häufig schon eine Zeit hinter sich, in der sie anderweitig Hilfe gesucht haben – ob mit Johanniskraut oder beim Heilpraktiker. Sie sind dann auch bereit, auf sich zu achten.“ Und das bedeutet eben auch: den Alkoholkonsum einzuschränken, damit der Heilungsprozess schneller vorangeht.