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Nieder mit den „Frauengetränken“!

Illustration: Federico Delfrati

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„Magst du den Prosecco mit Granatapfel- oder den mit Beerengeschmack?“ Eine junge Frau mit pinker „Team Braut“-Schärpe streckt mir zwei kleine Prosecco-Flaschen entgegen. Das Angebot ist nett gemeint. Deshalb nehme ich das eine Fläschen in die rechte, das andere in die linke Hand und gucke die beiden abwechselnd an. „Welches“, frage ich mich, „ist nun wohl das geringere Übel?“ Um dann seufzend zuzugeben: „Sorry Leute. Ich kann das nicht. Ich muss zur Tanke.“ Um mich herum stöhnen acht von zehn Frauen erleichtert auf: „Ja, ich kann dieses Pappzeug ehrlich gesagt auch nicht mehr trinken. Lasst mal Bier holen gehen.“

 Ich bin fassungslos. Denn ich kam zwar gerade erst zur Feier dazu, weiß aber: Seit heute Mittag um zwölf betrinken diese Frauen sich nun schon mit Prosecco, Erdbeer-Daiquiri und Pfirsich-Bowle. Alles süß ohne Ende, klebrig und in Verpackungen, die die Industrie wohl für frauengerecht hält: Die Etiketten in Rot- und Rosatönen, die Schriftzüge verschnörkelt, die Flaschen oder Dosen in kleiner Größe. Die Freundinnen der Braut haben das alles selbst eingekauft und mitgebracht - obwohl sie das Zeug selbst scheußlich finden. So ein Junggesellinnenabschied ist schließlich eine Frauenveranstaltung. Und dazu gehören dann wohl auch Frauengetränke. Wieso sie das glauben, das kann mir gerade keine von ihnen erklären – und ich kann es auch nicht verstehen.

Was soll das sein? Ein „Frauengetränk“?

Denn was soll das eigentlich sein? Ein „Frauengetränk“? Ich bin eine Frau. Und trinke nahezu ausschließlich Bier, Wein und Wodka (wenn es um Alkoholika geht). Macht das Bier, Wein und Wodka zu Frauengetränken? In meinem Universum sollte das eigentlich so sein. Und doch weiß ich ebenso gut wie jeder andere, was gemeint ist, wenn man von „Frauengetränken“ spricht: Prosecco, Aperol Spritz, Piña Colada... solche Sachen. Irgendwas mit Früchten am Besten, was Süßes, vielleicht auch Sahniges, mit wenig Alkoholgehalt.

Aber wie kommt man zu der Annahme, dass solche Getränke für Frauen besonders gut geeignet seien? Liegt es wirklich daran, dass wir Frauen da richtig, richtig Bock drauf haben? Oder doch daran, dass Andere meinen, dass wir richtig, richtig Bock drauf haben sollten? Immerhin verurteilen viele Menschen besoffene Frauen noch immer heftiger als besoffene Männer („das ist doch unattraktiv und billig“, „die muss besser auf sich aufpassen“...) und/oder denken, dass eine echte Frau es gerne süß, bunt, fruchtig und verspielt möge.

Ich kenne sogar ein paar Frauen, die tatsächlich auf das Zeug stehen. Die finden gut, dass man den Alkohol nicht schmeckt und mögen die „hübsche Aufmachung“. Denen sei dieser Konsum total gegönnt, ich freue mich, dass sie Freude daran haben. Andererseits kenne ich auch Männer, die solche Getränke gerne mögen. Aber nur wenige von ihnen trauen sich dann tatsächlich, den Hugo zum Essen zu bestellen oder sich mit vier Cosmopolitans einen anzutrinken. Die Heterosexuellen unter ihnen fragen mindestens einmal vorher nach: „Oder ist das zu girly?“

Frauen sind genauso glücklich mit Getränken, die nicht extra für sie konzipiert wurden

Natürlich sind derartige Getränke nicht „zu girly“. Denn es ist nicht per se mädchenhaft, Süßes, Fruchtiges, Sahniges oder aber Leichtes zu mögen. Das zeigt auch eine Verbraucher-Studie des Marktforschungsunternehmens Mintel. Sie hat ergeben, dass Frauen zwar gerne Getränke mit weniger Alkohol trinken – die Geschlechter sich aber hinsichtlich des Geschmacks gar nicht so sehr unterscheiden, wie man angesicht der Regale im Getränkemarkt oder des Angebots auf Männer- beziehungsweise Frauenabenden vermuten könnte: Sowohl knapp die Hälfte aller Männer, als auch 41 Prozent aller Frauen finden demnach vor allem bittere Getränke gut. Beide Geschlechter trinken gerne Herbes, Bier zum Beispiel.

So ja auch die Frauen, die auf dem Junggesellinnenabschied waren und erst gegen Ende ihre „Tarnung“ abwarfen. Aber wie kamen sie, als Erwachsene mit emanzipierten Geschmacksnerven eigentlich dazu, zu denken, sie seien als Frauen verpflichtet, Frauengetränke zu trinken? Klar verkauft die Industrie gewisse Getränke als weiblich und klar meinen manche Menschen nach wie vor, alles sei irgendwie geschlechterspezifisch einzuordnen. Aber sie sehen doch an sich selbst, dass Frauen mindestens genauso glücklich sind mit Getränken, die nicht extra für sie konzipiert wurden!

Als endlich alle in einer Bar saßen und tiefe Schlucke aus ihren Bierflaschen nahmen, fragte ich deshalb direkt, warum denn nur rosa Pappzeug eingekauft worden sei, obwohl die einkaufenden Trauzeuginnen es selbst kaum riechen mochten. Die Antwort: „Naja, macht man halt so bei Junggesellinnenabschieden, oder?“

„Das macht man halt so“ darf nicht als Argument gelten

Für mich zählt das nicht. Denn dass „man etwas halt so macht“, sollte in unserer ach so emanzipierten Gesellschaft doch längst kein Grund mehr sein. Vor allem dann nicht, wenn es um sexistische Einteilungen geht. Und genau das ist es ja, was hier, wenn auch nur anhand von Getränken, passierte: eine Aufteilung nach Geschlechtern, mit der fast alle beteiligten Frauen unglücklich waren. Unglücklich, aber einverstanden. Sie nahmen die Aufteilung sogar von selbst vor. Die einen kauften die ungeliebten Getränke ein, die anderen tranken scheinbegeistert mit.

Einfach, weil jede dachte, das gehöre zum Frausein (zumindest am Junggesellinnenabschied der Freundin) irgendwie dazu. Man war ja nur unter „Mädels“ – und wollte deshalb auch mal wieder ein „richtiges Mädel“ sein. Wo doch in ihren klaren Momenten – außerhalb des Gruppenzwangs – fast alle dieser Frauen sagen würden, dass es das doch heute gar nicht mehr geben darf, erdachte Bedingungen dafür, was „richtige Mädels“ sind.

Ich sage deshalb: „Nieder mit den Frauengetränken!“ Und meine damit nicht, dass alle süßen, alkoholarmen, prickelnden Getränke dieser Welt abgeschafft werden müssen. Ich meine damit, dass Frauen, die sie doch ohnehin gar nicht mögen, solche Getränke nicht mehr trinken sollten – und Getränke im Gegenteil zukünftig einfach gar nicht mehr als „Frauengetränke“ verkauft und verstanden werden. Denn das sind sie ja nicht, „weiblich“. Es sind Getränke. Und Getränke sind geschlechtslos.

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