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Für eine gute WG-Party braucht man den gleichen Rausch
Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.
Das Wort Rausch ist ein Sadist. Dicht, besoffen, bekifft, voll, drauf, stramm, high: Es sperrt all diese Adjektive gemeinsam an einen Ort. Wobei manche doch nur chillen, die anderen grölend herumtaumeln und die Letzten zehn Stunden durchraven wollen. Ja, Kiffer, Säufer und Druffies sollte man weder in ein Wort sperren noch in ein verrauchtes Studenten-Zimmer an einem Samstagabend. Denn: Für eine gute WG-Party braucht man den gleichen Rausch.
Bestimmt schreit jetzt gleich einer: „Nä, also, wenn ich Fetz mach, da geht immer Coca, Alk und Weed und diese Partys, Digga, die sind immer geil“. Um so eine Hardcore-WG geht es mir nicht, keine, in der Abriss-Project-X-Volle-Lotte-Nummern ablaufen, wo Mischkonsum Phase ist und sowieso jeder harte Drogen nimmt. Es geht mir eher um eine lässige WG-Party mit konsumunterschiedlichen Mitbewohnern. Sagen wir, eine lässige WG-Party im Gemeinschaftsraum zum Einzug eines Neumitglieds. Sagen wir der Neue heißt Lionel.
Lionel bringt neben Bett und Schrank auch noch ein paar Tütchen, wie er es nennt: „frischen Schnee“, mit. Im Zimmer rechts neben ihm wohnt Phil, der Dauerbesoffski. Links Sofie, die Kifferin. Gegen Abend strömen alle Homies und Bekannte ins Wohnzimmer, setzen sich brav zusammen und kippen ein Willkommensbierchen. Soweit noch alle auf dem gleichen Level. Es wird getratscht, man hört ironisch 2000er-Bravo-Hits, alles schön.
Dann beginnt Sophie, den ersten Joint zu bauen. Da steigt Phil aus und mit ihm eine Horde von Leuten, denen Kiffen so gar nicht taugt oder nicht in Mischung mit Alkohol oder einfach nicht heute oder, oder. Hier teilt sich der Rausch der Menge zum ersten Mal.
Wenn die anderen dann langsam besoffen und benebelt genug sind, wird es Zeit für Lionel, seinen frischen Schnee auszupacken. Da sind dann aber nur noch sehr wenige mit dabei – immerhin ist das synthetischer Kram und eine harte Droge und man kennt die Vorher-Nachher-Bilder. Also teilt sich der Rausch der Feiergemeinde noch einmal, und übrig bleiben drei Gangs: Sofies Kiffer, Phils Säufer und Lionels Kokser. Und das ist blöd.
Alle rauschen sie durch ihre ganz eigenen Lebenswirklichkeiten
Sofies Kopf arbeitet gerade wie das Faultier aus Zoomania, zäh, zeitlupenhaft, einfach saulangsam. Lionels Kopf ist hingegen das Energy-Zeug trinkende Eichhörnchen aus Ab durch die Hecke, es rast, guckt sich hektisch um, rast weiter. Und dann ist da noch Phil, das Faul-Eichhörnchen, zwar auch irgendwie vernebelt, aber dabei immer noch in Jogger-Geschwindigkeit.
Und das sieht von außen betrachtet dann so aus: Die Kiffer-Fraktion sitzt mit dem Kopf angelehnt an der Wand, die Augenspalten leuchten rot, während sie sich kollektiv Gummibärchen reinschaufelt und manchmal übers Leben kichert. Die Lionel-Kokser-Leute bewegen hektisch ihre Beine und Pupillen und labern und labern und labern durch trockene Lippen. Die Phil-Säufer-Meute lallt, lacht und grölt zu „Born in the USA“, während Einzelne immer mal wieder tanzen oder pausierend den Kopf auf dem Tisch ablegen. Alle rauschen sie durch ihre ganz eigenen Lebenswirklichkeiten.
Und deshalb geht es dann so weiter: Die Kokser machen Techno-Mucke an: Lass ma raaven! Die Säufer haben aber gerade noch zum letzten Refrain angesetzt „Booorn...“ und beschweren sich: Schmeeißt den DJ raus! Und die Kiffer wollen einfach nur chillen: Lasst uns einfach nur chilln. Also gehen die Techno-Hörer in ein anderes Zimmer und die Säufer machen ironisch Schlager-Mucke an. Nicht chillig. Deshalb fliehen am Schluss auch die Kiffer aus dem Gemeinschaftsraum. Und dann ist jede Gruppe in einem eigenen Zimmer, der eigenen Rauschhöhle, um dort ihr individuelles High genießen zu können. Aus einer Party werden drei. Und das, obwohl man sich eigentlich mit allen umgeben will – wollen würde – wenn die anderen nicht dermaßen nervtötend unterwegs wären, sondern eben so saucool und individuell wie die eigene Crew.
Am schlimmsten ist, dass man gemeinsam eine Schlüssel-Entscheidung treffen muss, die einem sonst der Club abnimmt: Welche Musik hört man?
Und das war’s dann. Bye, bye supi WG-Party. Denn in einem Club mag das mit den unterschiedlichen Rauschzuständen ja funktionieren, da wird dann mehr oder weniger euphorisch nebeneinander hergetanzt und dann gehen alle nach Hause. Aber im Wohnzimmer einer WG klappt das eben nicht, da muss man sich mit den Leuten tatsächlich auseinandersetzen, sich über irgendetwas unterhalten und, noch viel schlimmer, zusammen eine Schlüssel-Entscheidung treffen, die einem sonst der Club abnimmt: Welche Musik hört man? In so einer Konstellation einfach hoffnungslos.
Das mieseste daran ist, dass die Mischung aus Kokser, Kiffer und Säufer auf einer WG-Party theoretisch inspirierend sein könnte. Da gibt es dann klischeemäßig ein paar Filmemacher in Lionels Gefolgschaft, ein paar Musiker in Sofies und Normalo-Azubis in Phils, die sich alle ohne diese Feierei niemals kennengelernt hätten. Deshalb ist auch ein reger Branchenaustausch angesagt, ein Ausbruch aus der Filter-Bubble, bis alle druff, stoned und stramm sind. Aber eben nur bis alle druff, stoned und stramm sind, denn ab dann hat man nur noch die drei Rauschgangs, die sich gegenseitig auf die Nerven gehen. Aber naja, wer so eine Party veranstaltet, der ist sowieso ein Sadist.