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Das Tequila-Trauma
Eigentlich ist der Tequila der gesündeste Schnaps von allen, sagen Menschen, die sich damit auskennen sollten (Barkeeper zum Beispiel). Wobei das natürlich relativ zu betrachten ist, weil: Es ist und bleibt nun mal Schnaps. Aber weil dieses spezielle Getränk aus dem Herzen der blauen Agave (Stichwort: Aloe Vera) gewonnen wird, gilt es zumindest als verhältnismäßig gut verträglich. Eigentlich.
Andererseits hat fast jeder von uns mindestens eine wüste Geschichte zu erzählen, in der Tequila eine zentrale Rolle spielt: Eine Freundin von mir kippte anlässlich eines Schüleraustausch in Frankreich eine gute halbe Flasche Sierra Tequila, flog rückwärts aus dem Fenster der Hochparterre-Wohnung ihrer Gasteltern, verletzte sich zur Überraschung aller nicht mal ansatzweise und machte sich im Anschluss daran, den Rest der Flasche unters Volk zu bringen.
Ein Bekannter erzählte, er habe an einem besonders heiteren Abend in seiner Lieblingsbar in der alten Heimat so viele Salz-Tequila-Zitrone-Rituale abgehalten, sowie zwischendurch auch immer wieder die zutiefst deutsche Zimt-Tequila-Orange-Variante, dass er aus unerfindlichen Gründen die anschließende Nacht in einem Jägerstand vier Kilometer von der Bar entfernt verbrachte (das Haus seiner Eltern lag in der entgegengesetzten Richtung).
Allein der Geruch von Tequila lässt vor meinem inneren Auge die Badvorleger-Schlaufen in Großaufnahme erscheinen
Ich selbst erinnere mich schemenhaft an einen Abend zu Zeiten, als man sich das Saufen noch mit Trinkspielen schöntrinken musste und an die Nacht, die ich auf den Fliesen vor dem Klo verbrachte. Ich habe in dieser Nacht eine innige Beziehung zum dottergelben Badvorleger entwickelt, ansonsten war es eher so mittel.
Uns allen ist gemein: Seit diesen Erlebnissen haben wir schön die Finger gelassen von diesem Teufelsgesöff. Allein der Geruch von Tequila lässt vor meinem inneren Auge die Badvorleger-Schlaufen in Großaufnahme erscheinen und mein Magen wird sehr flau.
Mit unserer Tequila-Aversion sind wir in bester Gesellschaft. Tequila und insbesondere der Tequila-Rausch haben einen sagenhaft schlechten Ruf: Tequila wird wohl auch aus Kostengründen besonders gerne von jungen Menschen zu Wettsauf-Aktionen verwendet – von denen manche mitunter tödlich enden. Viele Menschen, die von Berufs wegen sehr häufig mit Betrunkenen zu tun haben, sind der Meinung, dass es kaum ätzendere Besoffene gibt als Tequila-Trinker. Die werden, so heißt es, besonders aggressiv, sind schlecht einzuschätzen und tendenziell gefährlich. Zudem gibt es immer wieder Gerüchte, dass in einigen (Billig-)Tequila-Sorten Rückstände von Methanol und anderen giftigen Alkohol-Arten gefunden werden. Im Gegensatz zum Ethanol, der „nur“ ein Zellgift ist, kann Methanol blind machen und irreversible Nervenschäden anrichten.
Tequila scheint das Alk-Fegefeuer zu sein, durch das viele von uns durchgehen mussten, um am anderen Ende geläutert wieder hinaus zu kommen. Eigentlich gemein. Denn wie eingangs erwähnt ist Tequila eigentlich ein extrem interessanter Schnaps: Er darf ausschließlich in fünf ausgewiesenen Regionen in Mexiko hergestellt werden. Bis die blaue Weber-Agave, aus deren Herz der Schnaps destilliert wird, groß genug gewachsen ist, vergehen acht bis zwölf Jahre. Das Agavenherz wird mindestens 24 Stunden gekocht und dann kann erst die Alkoholdestillation beginnen. Die billigsten (unter anderem auch der sehr berühmte mit dem roten Hütchen) werden sofort nach der Destillation abgefüllt, bessere Tequila-Sorten zwei Monate bis zu drei Jahre in Holzfässern gelagert. Und sollten tunlichst pur und ganz ohne Zitronen-Salz-Schnickschnack getrunken werden. Zu schade, dass ich und viele andere Menschen uns dieses Erlebnis verdorben haben durch unsere vermaledeiten verfrühten Tequila-Traumata.