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Alkolumne: Kann man Craft-Beer lieben lernen?
Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.
Es ist Mittwochabend. Ein guter Abend, ein Sommerabend, genau der richtige Abend, um sich an Alkoholsorten zu probieren, die man bisher unterschätzt oder ausgelassen hat. Ein Abend, um zu genießen, nicht, um sich zu betrinken. Um auszuprobieren, was dran ist an der Liebe der Arbeitskollegin zum Craft-Beer, zu etwas, das ich bis zu diesem Abend nicht verstanden habe.
Denn: Bier soll für mich nach Bier schmecken, in großen Gläsern oder Flaschen kommen und mich entspannen, runterbringen. Für Craft-Beer-Fans soll Bier nach mehr schmecken, nach Frucht und Genuss und Neugierde, was da wohl alles drin ist und wie es gebraut wurde. Und ja, Craft-Beer ist jetzt nicht gerade ein neuer Trend, aber eben weil sich dieser Trend jetzt schon eine Zeit lang so hartnäckig hält und ich ihm – ohne genau zu wissen warum – sehr skeptisch gegenüberstehe, will ich wirklich noch einmal versuchen, ihn zu verstehen.
Ich muss dazu sagen, dass ich eine verzogene Münchner-Hell-Trinkerin bin. Ich war vierzehn, als mir der Fischer Maximilian am Gartenzaun seiner Eltern das erste Helle öffnete und in die Hand drückte. Ich war sehr beeindruckt davon, dass man ein Bier am Gartenzaun öffnen konnte, und die Liebe zum Bier, weniger die zum Fischer Maxi, stand von Anfang an unter einem guten Stern. Ich trank und wusste, was kommt, ich kannte den Geschmack vom Mittagessen bei meinen Großeltern, wo mich mein Opa ab und zu von seinem Hellen probieren ließ. Es schmeckte erst gewöhnungsbedürftig, bald wahnsinnig gut.
Die Experimente, die ich in vierzehn Jahren als Helles-Trinkerin zuließ, waren: Weißbier und Pils. Und letzteres nur, wenn ich musste, weil mir da immer etwas schlecht wird. Das Helle blieb mein treuer Begleiter. Wenn ich ausrechne, dass ich seit der Gartenzaun-Offenbarung jede Woche ein Helles getrunken habe (was bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr in etwa stimmt und danach, gelinde gesagt, sehr konservativ veranschlagt ist) komme ich auf 1248 Helle in meinem Leben. Warum sollte ich jetzt auf etwas anderes umsteigen?
Schluss mit der Engstirnigkeit beim Alkoholkonsum
Weil man neue Dinge ausprobieren soll. Zulassen. Weil die Kollegin, die Craft-Beer so verehrt, auch andere Dinge mag, die ich mag, vielleicht ist da also was dran. Weil ich ja auch beim Essen neue Dinge ausprobiere, warum also beim Trinken so ein sturer Snob sein. Und weil man sich für Abenteuer immer einen guten Freund mitnehmen soll, siehe Huckleberry Finn, siehe Tschick, siehe Franz Beckenbauer, nehme ich die beste Begleitung mit, die ich mir vorstellen kann: meine Trinkkumpanin seit der Kollegstufe und treue Freundin Anna, die sofort dabei ist, als ich ihr sage, was ich vorhabe. Obwohl sie eigentlich lieber Wein trinkt.
Wir sind fast schon übermotiviert und gehen in eine Kneipe im Münchner Schlachthofviertel, die so eine Art Mekka für Craft-Beer-Fans zu sein scheint und in der auf einer Tafel neben der Bar sehr häufig das Wort „Ale“ steht. „Ale“ kenne ich bisher nur aus meiner Erasmus-Zeit in England. Damals war es für mich der fermentierte Beweis, dass die Briten wirklich kein Bier brauen können. Aber wie gesagt, keine Vorurteile an diesem Abend.
Anna sagt, sie hätte gerne das Bier aus dem pinken Hahn, aber auf den Hahn zu deuten und zu sagen: „Das da, wegen dem Hahn, bitte“, ist uns zu peinlich, denn in dieser Bar kennt man sich offensichtlich aus mit Bier. Wir fragen also brav, welches Bier sich für einen Einstieg eignet und lassen uns etwas zu der besonderen Brauweise erzählen.
Und dann erfahren wir noch, dass der Mensch hinter der Bar selbst braut, zu Hause, obwohl er drei Kinder hat, weswegen er uns nochmal um das zwanzigfache sympathischer wird: Drei Kinder haben und trotzdem zu Hause Bier brauen, was für ein cooler Typ. Zum Einstieg schenkt er uns ein Helles ein, das nicht schlecht schmeckt, nur halt nicht nach Bier. Eher nach Obstsalat, aber das ist ja für den immer noch sehr warmen Abend auch nicht so verkehrt.
Ich merkte, wie die rotgoldene Farbe meine inneren Organe runterlief
Wie genau die fünf verschiedenen Craft-Biere geschmeckt haben, die wir im Laufe des Abends jeweils unter fachkundiger Anleitung des Barkeepers eingeschenkt bekamen, weiß ich nicht mehr. Beim zweiten weiß ich noch, dass es untergärig gebraut wurde, so wie das Helle auch, und dass mir die Farbe gefiel. Ich weiß, das eines der Craft-Biere aus einem Hahn kam, auf dem eine Jesusfigur tanzte. Und ich weiß, dass ich nicht betrunken wurde, sondern einfach immer matter und das Gesöff in meinem Bauch immer schwerer. Beim dritten Craft-Beer wurde mir auf einmal sehr übel, und ich fühlte mich, als würde in mir ein Ballon aus Blei aufgepustet werden. Beim vierten sagte Anna, sie finde, das schmecke jetzt besonders gut, das war das aus dem rosa Hahn.
Ich meinte zu merken, wie die rotgoldene Farbe meine inneren Organe herunterlief und dachte, wenn ich jetzt sterbe und sie mich aufschneiden, dann finden sie in meinem Bauch einen riesigen Klumpen flambierten Obstsalat. Beim fünften sagte ich zu dem Mann hinter der Bar, dass es mir wahnsinnig leid tue, aber dass mir sehr, sehr schlecht sei. Ich sah vermutlich entsprechend schlimm aus, denn er sah mich mitleidig an, schenkte uns ein ganz helles Bier ein und drückte es uns in die Hand. Ich dachte frustriert, dieses helle Bier haben sie bestimmt nur für die krassen Loser im Angebot, die es einfach überhaupt nicht kapieren. Ich beschloss, eine mindestens einwöchige Alkoholpause einzulegen und ging, in banger Erwartung eines unfassbaren Katers, nach Hause und ins Bett.
Der Kater war gar nicht so schlimm. Viel schwerer wog am nächsten Morgen die Einsicht, dass meine Sturheit den Kampf gegen mein Sensibelchen von einem Magen verloren hatte. Ich kann nicht akzeptieren, dass es tatsächlich eine Alkoholsorte gibt, die ich nicht vertragen könnte. Ich werde es wieder versuchen. Und wieder. Bis zu dem Tag, an dem ich über die lächeln kann, die sagen, sie kennen sich mit Craft-Beer nicht aus. Das wird ein schöner Tag sein. Der Tag, an dem ich lässig eine Flasche Amber Ale an einem Gartenzaun öffne.