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"Es gibt nichts Demokratischeres, als gemeinsam auf die Straße zu gehen"

Foto: Jan Sperling

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Am Samstag startet in Köln der Bundesparteitag der AfD. Die Veranstaltung wurde im Vorfeld kontrovers diskutiert und das nicht nur wegen der rechtspopulistischen Partei selbst – auch linksradikale Gruppen hatten ihr Kommen angekündigt, die Grenzkontrollen zu europäischen Nachbarländern wurden verschärft. Derzeit rechnet die Polizei mit 50.000 Gegendemonstraten und ist mit mehr als 4000 Einsatzkräften vor Ort.

Hauptorganisator der Gegendemo sind die Aktivisten der Kampagne "Solidarität statt Hetze", unter deren Dach sich verschiedene Gruppen  und Vereine gegen die AfD zusammengeschlossen haben. Dabei sollen insbesondere Jugendlichen angsprochen werden, die sich unsicher sind, was sie dem aktuellen Rechtsruck in Europa entgegensetzen können.

Jan Sperling, 28, ist Student und Aktivist bei der Kampgane "Solidarität statt Hetze" und organisiert Sitzblockaden, mit dem der Zugang zum Parteitag verhindert werden soll. Im Interview hat er uns erzählt, warum er solche Maßnahmen gegen eine Partei wie die AfD für gerechtfertigt hält und was er sich von der Demo erhofft.

Jan Sperling: Pressesprecher von NIKA
Foto: Jan Sperling

jetzt: Die AfD ist eine demokratische Partei. Warum mobilisiert ihr gegen sie?

Jan Sperling: Wir konnten beobachten, wie sich die AfD im Jahr 2016 verfestigt hat: Die Wahlergebnisse wurden besser und sie rückten langsam in alle Landtage ein. Gerade entstehen sogar eine AfD-Stiftung und eine AfD-Gewerkschaft. Daraufhin wollten die großen Parteien und die Medien einen Dialog auf Augenhöhe mit der AfD führen. Durch diese Reaktion sind sie aber erst zu einem legitimen Gesprächspartner geworden – auch wenn man vielleicht ganz anderer Meinung ist. Erst dadurch konnten sie autoritäre und rassistische Inhalte in den politischen Diskurs einfließen lassen.

 

Was macht die AfD für dich so gefährlich?

Sie möchte in Deutschland eine gefährliche Ideologie in der Mitte der Gesellschaft etablieren. Sie ist – wenn man so will – der parlamentarische Arm von rechten Koalitionen aus verschiedensten problematischen Gruppen. Angefangen von Pegida bis hin zur Neonaziszene. Und als demokratisch akzeptierte Partei gibt sie diesen gefährlichen Positionen erst einen parlamentarischen Rahmen.

 

"Wir sind der Meinung, dass wir Freiheit eher verteidigen, wenn wir diese Ideologie verhindern"

 

Die jungen Menschen in Europa wählen zunehmend rechte Parteien. Wie empfindest du diesen Trend als Aktivist?

Das Phänomen nennt sich „Generation Krise“. Die europäische Wirtschaftskrise hat die Marktwirtschaft in eine starke Legitimationskrise gebracht. Viele junge Menschen haben die Hoffnung auf eine innersystemische Lösung und in die etablierten Parteien verloren. Und sich zunehmend nach rechts politisiert. Andere haben diese Bedrohung erkannt und sind nach links gedriftet. Das sind auch die Leute, die am Samstag dabei sein werden. Mit unserer Kampagne richten wir uns an Jugendliche, die den Rechtsruck sehen und ihm hilflos gegenüberstehen. Wir möchten ihnen zeigen, dass das keine gesellschaftliche Frage ist, die man einfach passieren lassen muss. Und ihnen zumindest einen Weg anbieten.

 

Worum geht es euch Samstag: Den Parteitag der AfD zu verhindern oder ein Zeichen im Namen der Demokratie zusetzen?

Die AfD schränkt die Freiheit vieler Menschen ein: Ein gutes Leben zu führen oder sich an dem politischen Prozess beteiligen zu können. Die Partei steht für Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer sexueller Orientierung. Wir sind der Meinung, dass wir Freiheit eher verteidigen, wenn wir diese Ideologie verhindern.

 

Also findest du es demokratisch, den Parteitag der AfD zu verhindern?

Ich kann mir nichts Demokratischeres vorstellen, als eine große Zahl von Menschen, die aufsteht und das öffentliche Signal setzt: Das machen wir nicht mit.

 

Bringen politische Aktionen wie Demonstrationen oder Sitzblockaden überhaupt etwas gegen den aktuellen Rechtsruck?

Dadurch können wir zeigen, dass die politischen Forderungen der AfD nicht Teil des politischen und demokratischen Diskurses sein dürfen. Durch die große Mobilisierung und die vielen Teilnehmer auf der Straße markieren wir,  dass ihre fremdenfeindlichen Positionen nicht akzeptabel sind. Egal, wie viele Wähler derzeit hinter der Partei stehen.

 

"Wir rechnen damit, dass die Teilnehmer sich friedlich verhalten werden"

 

Als Veranstalter tragt ihr die Verantwortung dafür, dass die Aktion gewaltfrei bleibt. Könnt ihr das für Samstag garantieren?

Ich finde es schwierig, die Verantwortung komplett dem Veranstalter zuzuschieben. Wenn jemand auf einem Konzert mit Bierflaschen schmeißt, ist es auch nicht die Schuld des Veranstalters.

 

Ihr wollt die Aktionsteilnehmer aber keiner Gefahr aussetzen, oder?

Auf keinen Fall. Deswegen haben wir im Vorfeld veröffentlicht, dass wir uns solidarisch verhalten wollen und Sitzblockaden ausüben. Wir rechnen damit, dass die Teilnehmer sich friedlich verhalten werden.

 

Warum ist ausgerechnet die Gegendemonstration am Samstag so wichtig für euch?

Die AfD steckt gerade noch in einem wichtigen Prozess. In NRW steht ihr letzter Wahlkampf vor den Bundestagswahlen an. Und was sie dort mitbekommen, nehmen sie – im Guten wie im Schlechten – mit. Wenn sie rassistische und autoritäre Positionen also konsolidieren können, nehmen sie diese mit.

 

Frauke Petry ist raus aus dem Machtkampf. Wie siehst du die innerparteiliche Zukunft der AfD?

Es gab einen Machtkampf zwischen Petry und Höcke. Sie verfolgen ein deckungsgleiches Ziel, haben aber eine unterschiedliche Rassismus-Strategie. In diesem Machtkampf haben sie sich um die Richtige gestritten. Höcke bedient dabei ein rechteres Publikum. Petry war eher für die Wutbürger zuständig. Vermutlich wird Höcke für seine Strategie mit mehr Einfluss belohnt, wodurch die Partei dann natürlich rechter auftreten wird.

 

Habt ihr weitere Aktionen im Rahmen von „Solidarität statt Hetze“ geplant?

Wir bleiben dabei: Wir wollen den Bundestagswahlkampf mit Demonstrationen begleiten. Auf Sozialen Medien werden wir weiterhin Texte und Kommentare veröffentlichen. Und am Sonntag organisieren wir gegen Mittag Mahnmärsche in Köln.

 

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