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11Freunde-Typologie. Heute: Der Spezial-Freund

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Manche Freizeitvergnügen sind breitentauglich: Grillen, Federballspielen oder auf ein Bier gehen. Dafür findet sich immer jemand, im weiten Feld der Bekannten und Anverwandten. Eine Neigung zum Fliegenfischen oder Mineraliensammeln haben aber zum Beispiel nur wenige, und das ist gut so, sonst würde der spleenige Charakter dieser Hobbys ganz schnell verduften. Mein Mineralienfreund ist Jochen. Einmal im Jahr, Anfang Juni, schreibe ich eine Mail an ihn, mit etwa dem Inhalt: Jochen, es ist wieder Juni. Und Jochen schreibt zwei Wochen später ein Datum, an dem er Zeit hat. An diesem Tag dann, stehe ich um sechs Uhr morgens vor seiner Tür, wo Jochen schon auf mich wartet. Wie es hinter der Tür aussieht, weiß ich nicht. Wir haben unsere schmutzigsten Hosen an, die immergleichen Rucksäcke seit zwölf Jahren, Jochen die immergleichen Butterbrot-Käse-Stullen, die er mit großer Gelassenheit kaut, während ich uns Richtung Alpenhauptkamm chauffiere. Unterwegs tauschen wir die wichtigsten Veränderungen aus, die das letzte Jahr mit sich gebracht hat und reden ziemlich bald über Autos und Versicherungen. Beides Themen, über die ich nie einem meiner anderen Freunde spreche. Mit Jochen geht das, dafür gehen andere Sachen mit Jochen gar nicht. Die Musik, die bei mir im Auto verteilt herumliegt, kommentiert er etwa so. „Decemberists? Ist das so ne Weihnachtscompilation, so wie Ronnys Popshow?“ Aber das ist okay.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In den Bergen angekommen geht alles sehr einfach. Wir schauen auf die Karte, überlegen sehr logisch, wo wir es heute probieren und latschen los, drei Stunden schweigend bergauf, meistens ohne Weg und dafür mit Schlamm und Gefahren. Um Mineralien zu finden, muss man mit Lupe und Hammer an einer Felswand rummachen. Das sieht ziemlich doof aus, ist aber auch sehr spannend, nun ja, wenn man es eben gewohnt ist, das spannend zu finden. Alleine würde ich es nie machen. Gaffende Bergsteiger oder schimpfende Hüttenwarte im Rücken und viel schlimmer noch die Gewissheit, für etwas eher Absurdes Absturz und Steinschlag zu riskieren, könnte ich nicht ertragen. Zu zweit geht das, wir bestätigen uns quasi gegenseitig, dass wir nicht vollkommen durchgeknallt sind. Wir wühlen durch den Granit, sprechen Fachsprache, lösen uns beim Hämmern ab, machen unsere Hosen noch schmutziger. Abends sitzen wir auf einer Hütte, essen alles, was auf der Speisekarte steht, plaudern noch ein bisschen und schlafen dann sehr schnell in komischen Nachtlagern. Und obwohl das ja einigermaßen intim ist und schon ziemlich lange so geht, bleibt unsere Freundschaft immer genau auf dieser Höhe. Am Abend des nächsten Tages werde ich Jochen wieder an seine Haustüre bringen, wir werden uns etwas unbeholfen verabschieden und im nächsten Juni werde ich ihm wieder eine Mail schreiben. Ich weiß weder, wann er Geburtstag hat, noch laufen wir Gefahr, uns in der Stadt auf ein Bier zu verabreden. Irgendwie kommen wir gar nicht auf diese Idee und das ist sehr beruhigend. Jochen ist mein Spezial-Freund, wie ein Spezial-Werkzeug. Im Granit ist er der Beste, den man im Granit haben kann. In der Stadt kommt er mir mit seinen Versicherungen und Käsebroten eher nerdig vor. Vielleicht, das denke ich manchmal, würde ich ihn in ohne Rucksack und Hammer gar nicht erkennen. Ich glaube jedenfalls, ohne es darauf angelegt zu haben und je darüber zu reden, sind wir einer idealen Freundesbeziehung sehr nahe. Uns verbindet ein starkes, gemeinsames Interesse. Es gibt nie Treffen, auf die einer von uns keinen Bock hat, wir kommen nie in die Gefahr, dass uns vor lauter Bier-Dates mal nichts mehr zu reden einfällt oder dass ich für die Geburtstagsparty seiner Freundin kein Geschenk weiß. Optimal, eigentlich.

Text: fabian-fuchs - Illustration: judith-urban

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