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Das ist doch kein Leistenbruch!

Text: bambaata
Aufgepaßt: es folgt ein Appell an den mündigen Patienten...

Vor wenigen Wochen wachte ich nach durchzechter und durchtanzter Nacht bei meinem Freund Bombe auf und hatte wenig später Schmerzen im Unterleib.


Nix tragisches, wird schon wieder weggehen. "Nie wieder Alkohol!", sagt man sich da und hofft, daß die Welt am nächsten Tag ganz anders aussieht und man den eigenen Schwur wieder brechen kann. Aber nix da. Nach anderthalb Wochen mehr oder minden starken Schmerzen mit phasenweisen Panikattacken (Blinddarm!) war es nicht mehr zu vermeiden: ich mußte zum Arzt. Dessen Argwohn richtete sich ebenfalls sofort auf den Blinddarm (verdammt!), zur genaueren Diagnose wandte er die Temperaturmethode an, die unter anderem ein Thermometer im Rektus vorsieht. "Wollen Sie sich´s selber reinstecken?" Natürlich nicht! Wie sieht das denn aus: mit heruntergelassenen Hosen und verkniffenem Gesicht liege ich auf der Pritsche und stochere verzweifelt nach meinem Anus...



Also den Dottore ranlassen. Sehr unangenehm, ich werde mir bei Gelegenheit jegliche Sinneszellen am Hintern entfernen lassen - wozu sind die eigentlich gut? Keine Kommentare bitte! Ergebnis der Untersuchung: es ist nicht der Blinddarm. Glück gehabt. Nächste Vermutung: das Saufen hat meine Darmflora nachhaltig geschädigt. Dagegen verschrieb mir mein Arzt homöopathische Tropfen und nach vier Tagen sollte der Spuk vorbei sein. Der werte Leser wird es ahnen: es hat natürlich nicht geholfen. Blieb mir also nichts anderes übrig als schon wieder in die Praxis zu stiefeln (ganz langsam, wegen der Schmerzen) und bitter über mein Leid zu klagen. Bei Erwähnung der Vokabel "Leiste" wurde der Herr Doktor auf einmal ganz hellhörig, fingerte gleich mal an entsprechender Stelle herum, die seines Ermessens nach "schon ein wenig weich sei". Ich hab Leiste gesagt, also packt eure schmutzigen Gedanken weg, ist ja furchtbar.



Auspacken könnt ihr die wieder im Bethesda-Krankenhaus, wohin mich mein Hausarzt zur genaueren Untersuchung überwiesen hatte. Dort fummelte der zuständige Mann sofort in meiner Intimsphäre herum, bohrte mir den Finger zwischen die Hoden und verkündete: "Ganz schön großer Leistenbruch, ich kann fast schon den Finger reinstecken!" Nein, wir sind hier nicht bei einer abgewandelten Form der Temperaturmethode, herrgott! Als nächstes lud mich der Bohrer zur Operation ein, vielleicht morgen? Das ging mir alles zu schnell und deswegen verschob ich die Sache fürs erste auf die folgende Woche. Bis dahin war allerdings noch Zeit und so dachte ich bei mir, ich sollte mich etwas genauer informieren. Im Internet (wo sonst?) fand ich raus, daß das Marienhospital weltweit führend beim minimal-invasiven Operieren von Leistenbrüchen ist und da dachte ich bei mir: da geh ich hin - wenn schon, denn schon.



Dazu wurde ich dort nochmal untersucht und schwupps wurde aus einem großen ein kleiner Leistenbruch und aus mindestens einer Woche stationären Aufenthalts wurden plötzlich zwei bis drei Tage. Überzeugt! Eine Woche später der große Tag: ich gehe ins Krankenhaus. Noch dazu sonntags! Bei nochmaliger Inspektion schrumpfte mein Leistenbruch weiter. Am nächsten Morgen mein Auftritt als Operationsobjekt: in aller Herrgottsfrühe wurde ich geweckt, ein Pfleger rasierte mir den Bauch bis zum Penis, ich bekam eine Thrombosespritze, heftige Prämedikation und durfte mich karnevalesk verkleiden: lange weiße Strümpfe, Einwegunterhose, Kittelchen, Mütze. Operieren sollte mich der Chef, der mich davor nochmal anschauen wollte. Also gut! Ein letztes Tasten, ein letzter Ultraschall und dann die Information: kein Leistenbruch zu entdecken, ich werde nicht operiert. Den restlichen Tag verbrachte ich vormittags betäubt im Bett und nachmittags lesend, bevor mich der Chef abends nach Hause schickte.



Man stelle sich vor, ich hätte mich unter Bohrers Messer gelegt! Nochmal davongekommen - bis auf mittlerweile unschöne Stoppeln am Bauch. Beschwerden hab ich auch keine mehr - eine regelrechte Wunderheilung. Aber man wird nun mal nicht jünger - die nächste OP kommt bestimmt...

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